Als Schengen-Mitglied ist die Schweiz an Frontex beteiligt, jedoch nicht in der EU-Kommission oder im EU-Rat vertreten, bei denen die Entscheidungsmacht über die europäische Grenzschutzagentur liegt. Was ist die Rolle der Schweiz in diesem ganzen Prozess?
Bezüglich der Flüchtlingspolitik ist in Europa ein Prozess der Entdemokratisierung im Gange. Besonders deutlich lässt sich dies an der Grenzschutzagentur Frontex festmachen, einer Institution, die vom EU-Parlament nicht kon- trollierbar ist. Die Entscheidungsmacht liegt bei der EU-Kommission und dem EU-Rat, die von den grossen Staaten Deutschland, Frankreich und Grossbritannien dominiert werden. Da die Schweiz in diesen Räten nicht vertreten ist, macht sie den Prozess der Militarisierung mit, ohne dabei mitreden zu können. Ein Beispiel dafür ist das Grenzüberwachungssystem Eurosur, an dem sich die Schweiz seit März 2015 beteiligt.
Mit der Beteiligung an Eurosur wird die Schweiz ins European Border Surveillance System eingebunden – ein Hightechsystem zur Überwachung der 15’000 Kilometer langen Aussengrenzen des Schengenraums mit neuester Technologie und Datenvernetzung. Die Zentrale bildet die von Menschenrechtsorganisationen immer wieder für ihr skrupelloses Vorgehen kritisierte Grenzschutzagentur Frontex. Primär geht es bei Eurosur um die Überwachung der Grenzen durch Satelliten und Drohnen. Des Weiteren wurde am 23. April 2015 die Verdreifachung der Mittel für die Frontex Seeoperationen «Poseidon» und «Triton» von drei auf neun Millionen Euro pro Monat beschlossen. Die Schweiz beteiligt sich mit vier Millionen Franken jährlich an Frontex und entsendet zudem Mitglieder des Grenz- wachtkorps an Operationen wie beispielsweise «Triton». Dies, obwohl die Seeoperationen stark in der Kritik stehen und mit dem Vorwurf wiederholter Menschenrechtsverletzungen behaftet sind. Die Einsatztage von Schweizer Soldaten zugunsten von Frontex steigen jährlich. Auch die Weiterentwicklung der Armee, bei der Einsätze von Soldaten zugunsten ziviler Behörden erlaubt und ausgebaut werden sollen, liest sich im Licht der Militarisierung der Flüchtlingspolitik ganz anders: Geht es bei den Einsätzen zu Gunsten ziviler Behörden womöglich nicht nur um Skipisten stampfen am Lauberhorn und Waldarbeiten nach Hochwasser? Der Friedensforscher Tobias Pflüger bezeichnet die EU als «Sinnbild eines zivilmilitärischen Ansatzes», da immer mehr zivile, polizeiliche und militärische Komponenten in militärische Aktionen eingebunden werden. Eine Tendenz, die sich offenbar stillschweigend auch in der Schweiz vollzieht; so hat der Nationalrat vergangenen Juni der Beschaffung von Hermes- 900 Drohnen für 250 Millionen Franken zugestimmt. Eingesetzt werden diese laut armasuisse primär «zur Unterstützung ziviler Behörden, zum Beispiel der Polizei oder dem Grenzwachtkorps. »
Europa militarisiert die Grenzen, die Schweiz finanziert mit, militarisiert mit – und schweigt.