Gleichstellung? Von wegen!

Bis im Jahr 2020 will der Bundesrat das aktuelle Dienstpflichtsystem  überdenken. Grundlage dafür bildet der Bericht, den die Studiengruppe Dienstpflichtsystem bereits im Juni 2016 präsentiert hatte. Sie schlägt das «Norwegische Modell» für die Schweiz vor.

Kern des norwegischen Modells ist die Dienstpflicht für Frauen und Männer. Allerdings leisten nicht alle ihre Diensttage: Die Armee kann sich die besonders motivierten und qualifizierten Personen aussuchen. Dass der Fokus dabei eher auf der Qualifikation statt auf der Motivation liegt, ist klar, ansonsten würde ein freiwilliger Dienst den Zweck erfüllen.
Der neue Ablauf sähe so aus, dass alle Schweizerinnen und Schweizer auf ihre Diensttauglichkeit geprüft werden. Bei einfacher Untauglichkeit wird danach die Möglichkeit eines Schutzdiensteinsatzes geprüft. Anschliessend wird der Bedarf der Armee an RekrutInnen abgeklärt. Falls dieser vorhanden ist, wird die Person als dienstpflichtig erklärt und kann allenfalls noch in den Zivildienst wechseln. Besteht kein Bedarf, wird die Person nicht aufgeüboten, sondern muss wie die Untauglichen Ersatzabgabe leisten. Durch das neue Modell wären also auf einen Schlag viel mehr Menschen – insbesondere Frauen aber auch Männer – gezwungen Ersatzabgaben zu zahlen.

Die Ersatzabgabe

Der Bundesrat möchte die Ersatzabgabe neu auf 5 Prozent (bisher 3 Prozent) des steuerbaren Einkommens respektive einen Minimalbetrag von 1000 Franken (bisher 400 Franken) pro Jahr erhöhen. Zudem soll die Ersatzabgabe neu nicht mehr der Bundeskasse, sondern dem EO-Fonds zugutekommen. Dies würde das Volumen des EO-Fonds stark vergrössern, weshalb der Bundesrat die bisherigen Prozente des Lohnbeitrags kürzen und gleichzeitig den Dienstleistenden einen höheren Sold ausbezahlen möchte.
Momentan wird der EO-Beitrag von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden zu gleichen Teilen eingezahlt. Werden diese Anteile gekürzt, entlastet das vor allem die Arbeitgebenden. Die Arbeitnehmenden jedoch werden mehr belastet, da sie statt wie bisher 0,45 Prozent ihres Lohns neu 5 Prozent ihres steuerbaren Einkommens (oder mind. 1000 Franken) einbezahlen müssten. Der Bundesrat fordert mit dieser Änderung eine starke Mehrbelastung der jungen Menschen, insbesondere der Frauen.

Gleichstellung sieht anders aus!

Vom norwegischen Modell verspricht sich der Bundesrat mehr Gleichstellung. Was dabei vergessen geht, sind die diversen Folgen: Im neuen Modell würden massiv weniger Diensttage im Zivildienst geleistet, da sich nicht mehr alle dienstpflichtigen Männer für den Zivildienst entscheiden könnten, sondern nur noch diejenigen, welche dem Bedarf der Armee entsprechen. Der Bundesrat sieht den Zivildienst immer noch als Beschäftigungsprogramm und vergisst, dass viele Einsatzbetriebe auf ihre Zivildienstleistenden angewiesen sind. Der Zivildienst in seiner heutigen Form ist nicht die perfekte Lösung. Er ermöglicht aber vielen jungen Männern Einblicke in neue Berufsfelder und bietet den Einsatzbetrieben Arbeitskräfte, auf die sie angewiesen sind. Heute sind z.B. in der Pflege mehr Frauen als Männer tätig. Mit einer allgemeinen Dienstpflicht ist zu befürchten, dass wiederum Frauen in die neu entstandene Lücke springen würden. Eine Dienstpflicht für alle könnte die Geschlechterverhältnisse einer Gesellschaft aber auch stark verändern. Beispielsweise, wenn der Grundgedanke von Männern im Dienst, die Frau und Familie zuhause verteidigen sollen, aufgeweicht wird. Dann müssten diese Veränderungen aber mitgedacht werden und es müsste verhindert werden, dass die Auswahl der RekrutInnen durch Rollenbilder beeinflusst wird.
Ein neues Dienstpflichtsystem, wie es der Bundesrat vorschlägt, würde hingegen nicht zu mehr Gleichstellung führen. Insbesondere die Frauen würden viel stärker zur Kasse gebeten und es bestünde die Gefahr, dass vorhandene Geschlechterrollen zementiert würden. Einen Nutzen brächte das neue Modell einzig für die Arbeitgebenden und für die Arbeitnehmenden.