Globi und die strukturelle Nichtangriffsfähigkeit

eine Glosse

Die «strukturelle Nichtangriffsfähigkeit» ist ein Konzept aus der Zeit der Entspannungspolitik der 1980er-Jahre. Der Ansatz ist, den Frieden zu sichern, indem die militärischen und politischen Strukturen so gestaltet werden, dass eine Gesellschaft zwar noch eine Armee hat, diese aber über keine strategischen Angriffsfähigkeiten verfügt.

Militärtechnisch ist die Unterscheidung zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen bestenfalls schwammig. Aber es gibt durchaus gesellschaftliche Strukturen und Traditionen, welche es unwahrscheinlich machen, dass eine Nation einen Krieg beginnt.

Heldentum

Montgomery und Nelson, Eisenhower und George Washington, Schukow und Suworow, Napoleon und de Gaulle – in vielen Ländern werden Feldherren wie Nationalheilige verehrt. Aber auch die einfachen Leute, welche in einem Krieg ihr Leben liessen, sind im Alltag präsent. In den USA hängt an jeder zweiten Strassenkreuzung eine Plakette eines Soldaten aus der Nachbarschaft, der in Vietnam in Kriegsgefangenschaft war, oder einer Soldatin, die im Irak fiel.

Die Schweiz kennt das nicht. Winkelried, der einzige veritable Schweizer Kriegsheld, starb gemäss dem Mythos vor mehr als einem halben Jahrtausend. Obwohl die Schweiz seither keinen Mangel an Religionskriegen und Söldnertum hatte, sind die einzigen populären Militärs die Generäle Dufour und Guisan, welche nicht für ihren Kampfesmut bewundert werden, sondern weil sie Kriege vermieden.

Trachtenverein

Als Peter Bodenmann die Armee als grösste Trachtenarmee der Welt bezeichnete, war das durchaus verächtlich gemeint. Aber immerhin beginnen Trachtenvereine keine Kriege. Die Schweizer Armee ist kein Ort, der Held:innen kreiert, sondern eine patriarchale Pfadi für Grosse, die als grösstes Opfer fordert, dass man im Dienst seine Lebenszeit vertrödelt, anstatt sich um Familie und Arbeit zu kümmern. In der Schweiz gibt es keinen G.I. Joe und kein A-Team, dafür HD Läppli und Gilberte de Courgenay.

Exemplarisch zeigt das auch das Kinderbuch «Globi wird Soldat» aus dem Jahr 1940, legitimiert von der damaligen Militärzensur. Globi bekämpft da keine Feinde, sondern er bekommt einen Verband, weil sein Arm vom dauernden Grüssen ganz geschwollen ist. Globi poliert die Schuhe, bis sie zu brennen beginnen. Globi versteckt Reisnägel unter dem Sattel des Leutnants, und als er in den Arrest muss, legen ihm seine Kameraden eine Leitung, damit Globi aus einem Süssmost-Fass trinken kann.

Am Schweizer Wesen wird wohl kaum die ganze Welt genesen. Aber wie der Ukraine-Krieg gezeigt hat, braucht es für Europas Osten ein besseres System der gemeinsamen Sicherheit, in dem auch das Thema der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit relevant werden könnte. Und vielleicht könnte die Schweiz anstatt Waffen in die Ukraine Globi-Bücher nach Russland liefern, um der militaristischen Propaganda Putins etwas entgegenzuhalten.

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