Falsch verstandene Gleichberechtigung

Eine vom Bundesrat eingesetzte Studiengruppe empfiehlt, die Wehrpflicht auch auf Frauen auszudehnen. Was als Gleichberechtigung verkauft wird, ist in Wahrheit jedoch eine neuerliche Diskriminierung.

Nach fast zwei Jahren veröffentlichte die Studiengruppe Dienstpflichtsystem im Juli ihren Bericht. Er hat es in sich: Künftig sollen auch Frauen Dienst leisten und Wehrpflichtersatz bezahlen. Der gesamte Bericht geht von einer falschen Annahme aus: Im Zentrum stand nicht die Frage, ob das heutige System noch gegenwarts- und zukunftstauglich ist, sondern wie die bestehenden Institutionen in die Zukunft gerettet werden können. Nur so ist es zu erklären, dass die Studiengruppe an der Wehrpflicht festhalten und den Strafcharakter der anderthalbmal so langen Dauer des Zivildienstes beibehalten will. Und das, obwohl die UN-Menschenrechtskommission bereits 2003 empfohlen hat, die Dauer des Zivildienstes auf diejenige des Militärdienstes zu reduzieren.

Geist des Kalten Krieges

Dasselbe Denken, das die Armee zum Zentrum sämtlicher Überlegungen macht, zeigt sich auch bei der umstrittensten Empfehlung der Studiengruppe: Dass die Wehrpflicht auch auf Frauen ausgedehnt werden solle. Dieser Schritt sei angebracht, da die Armee so aus einem noch grösseren Reservoir genau die Leute in den Militärdienst zwingen könnte, die sie zur Besetzung ihrer Funktionen fordert. Die Studiengruppe versteht diese Neuerung denn auch als gerecht und gleichberechtigt, da so alle Schweizerinnen und Schweizer zum sinnlosen Dienst (oder der Wehrpflichtersatzabgabe) gezwungen würden.

Das Unrecht bleibt

Dies ist jedoch eine komplett falsch verstandene Gerechtigkeit oder gar Gleichberechtigung. Ein Unrecht (die Wehrpflicht) wird dadurch nicht gerecht, dass es auch noch anderen Personen angetan wird (durch eine Ausdehnung auf Frauen). Auch ist es keine Gleichberechtigung der Geschlechter, wenn trotz andernorts fehlender Gleichstellung neue Pflichten gefordert werden.
Auch heute ist es immer noch so, dass Frauen in vielen Lebensbereichen nicht dieselben faktischen Rechte und Möglichkeiten haben, wie Männer. Frauen leisten heute sehr viel mehr (unbezahlte) Care-Arbeit als Männer. Arbeit und Familie sind nach wie vor nur schlecht miteinander vereinbar. Noch immer ist der Durchschnittslohn von Frauen fast 1000 Franken tiefer. 40 Prozent dieses Unterschiedes kann nicht mit Faktoren wie beruflicher Stellung, Berufserfahrung oder Ausbildung erklärt werden; der erwiesenermassen diskriminierende Lohnunterschied beträgt sogar über 8 Prozent. Ganz zum Schluss des Berichts gibt denn auch die Studiengruppe selbst zu, dass sie ihren eigenen Vorschlägen nicht wirklich traut: «Die Gleichstellung von Mann und Frau ist auch in anderen Bereichen noch nicht erreicht. Vor diesem Hintergrund wäre es falsch, den Frauen zunächst weitere Pflichten aufzuerlegen.»

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