Jedes Jahr muss die Schweizer Armee zahlreiche Kaderfunktionen neu besetzen. Da aber meist zu wenig freiwillige oder «qualifizierte» Leute zu finden sind, werden immer wieder Rekruten zum Weitermachen verknurrt. Es ist ratsam auf diesen Fall vorbereitet zu sein, denn es kann fast jeden treffen! Grundsätzlich kannst du laut Militärgesetz «zu einem bestimmten Grad verpflichtet» werden (DR Artikel 85). Aber du kannst versuchen, es zu verhindern.
Bereits bei der Rekrutierung werden 40 Prozent der Rekruten zum Weitermachen vorgemerkt. Ab der 3./4. Woche gibt es informelle Listen auf denen Rekruten vermerkt werden, die positiv auffallen. Ab der vierten Woche gibt es erste Qualifikationsgespräche. Üblicherweise erfolgt danach die Auswahl. Du wirst ausgewählt und musst in die Offiziersanwärterschule. Die ersten Wochen der RS hast du also Zeit, deine Vorgesetzten von deiner Unfähigkeit zu überzeugen. Wie? Hier sieben Tipps:
• Mache schon zu Beginn der RS einen unmotivierten Eindruck: Stell dich dumm und frage immer nach den Gründen für die Befehle.
• Missachte den Dienstweg, grüsse nicht zackig, eher zögerlich und leise.
• Versuche nicht als Vermittler und Motivator der Truppe zu agieren, höchstens wenn kein Kader anwesend ist. In erster Linie werden Sozialkompetenzen gesucht, nicht militärische Fähigkeiten.
• Unordnung und schlechte Disziplin werden ungern gesehen. Übertreibe es aber nicht, denn Schauspielerei wird oft durchschaut.
• Kommt es zu einem Einzelgespräch mit einem deiner Vorgesetzten, so kann dies auch ein Qualifikationsgespräch sein. Mache einen schlechten Eindruck, verwende keinen militärischen Slang und mache keine Verbesserungsvorschläge zum Dienst. Erwähne keine deiner zivilen Qualifikationen oder Zukunftspläne.
• Stelle die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Zeige deine Ablehnung der Armee mit antimilitaristischen Zeichen. Du kannst zum Beispiel im Sport ein GSoA-Shirt tragen.
• Wenn du gefragt wirst, ob du weitermachen willst, sage eindeutig und klar nein! Sage, dass du nicht weitermachen wirst und zwar so, dass es definitiv und unwiderruflich klingt!
Dir droht der «Vorschlag»
Wollen deine Vorgesetzten dich zum Weitermachen zwingen, unterbreiten sie dir den «Vorschlag». Obwohl sie deine Zusage gar nicht bräuchten, wollen sie deine Unterschrift. Unterschreibe diesen nie! Auch wenn dir mit Strafmassnahmen gedroht wird. Die Unterschrift hat symbolischen Charakter und zeigt deinen Vorgesetzten, dass unter Umständen dein Wille gebrochen werden kann.
Droht dir die Verpflichtung, so kannst du den Waffenplatzpsychiater oder Truppenarzt aufsuchen, um eine allfällige Untauglichkeit zu beantragen. Lege ihm dar, weshalb du auf keinen Fall weitermachen kannst (und nicht: möchtest!) und lass dies auch deinen Vorgesetzten wissen. Die Begründung beim Waffenplatzpsychiater könnte wie folgt lauten: «Ich bin aufgrund einer falscher Einschätzung meiner Vorgesetzten zum Weitermachen empfohlen worden. Eigentlich bin ich völlig unfähig andere zu führen und mit der Führungsaufgabe masslos überfordert, weil ich ja selber kaum mitkomme.» Nimm vorher aber unbedingt Kontakt mit einer Beratungsstelle auf (siehe Seite 15). Sie kann dir weiterhelfen!
Und doch in der Offiziersanwärterschule gelandet?
Wenn alles nichts nützt und dein Vorgesetzter für dich den «Vorschlag» unterschreibt, so wirst du in die Offiziersanwärterschule eingeteilt. Um danach in der Unteroffiziersschule (UOS) oder der Offiziersschule (OS) weitermachen zu müssen. Jetzt gilt vor allem eines: Mache dich «unmöglich». Auch der Armee ist mittlerweile klar, dass widerwillige Unteroffiziere die Moral der ganzen Truppe senken.
Ein paar Tipps:
• Rücke nicht in die UOS/OS, sondern mit deinen RS-Kameraden ein.
• Wirst du dennoch umgeteilt, halte schriftlich fest, dass dies ausdrücklich gegen deinen Willen geschieht.
• Drohe deinen Vorgesetzten mit Dienstverweigerung.
• Versuche deinen Arbeitgeber dafür zu gewinnen, der Armee einen Beschwerdebrief zu senden, da er weiter auf dich verzichten muss. So gewinnst du eventuell Zeit für weitere Massnahmen.
«Fange» dir Disziplinarstrafen ein, mache dich so «unmöglich», wie es nur geht, vor allem zu Beginn der Anwärterschule. Wenn ein Soldat für Ungehorsam Arrest kassiert, ist er als Vorgesetzter untragbar.
Ein möglicher Ausweg bietet dir der Wechsel zum Zivildienst. Solange du in der UOS/OS bist, giltst du immer noch als Rekrut und musst nicht länger Zivildienst leisten als die übrigen Rekruten.