Kalkül mit der Angst

Davos, Schweiz: Internationale Topmanager treffen auf eingeladene neoliberale Politiker. Das Programm ist geheim, die Teilnehmerliste ebenso. Es ist ruhig ums World Economic Forum (WEF). Nur die Schweizer Armee freut sich laut: Endlich wieder Ernstfall.

Der neue Feind kommt dabei nicht mehr aus dem Osten und ist kommunistisch, nein er ist mitten unter uns und umso gefährlicher. So schreibt der Bundesrat in seiner «Botschaft zum Bundesbeschluss über den Einsatz der Armee im Rahmen des WEF im Januar 2005 und 2006», dass «… grundsätzlich das Risiko der Beeinträchtigung der inneren Sicherheit in Form von gewalttätigen Demonstrationen verbunden mit Plünderungen, von Angriffen auf Personen, Sabotageaktionen (auch dezentraler Aktionen) oder Terroranschlägen…» bestehe. Und weiter kann in der gleichen Botschaft vom 15. September zur Gewaltbereitschaft extremistischer Veranstaltungsgegner gelesen werden, dass «… erfahrungsgemäss Sabotageakte, gezielte Sachbeschädigungen im Vorfeld des Forums gegen Symbolträger (von Staaten, Unternehmen, Behörden) und Blockadeaktionen geplant und durchgeführt werden.» Die Diskussion um die Entsendung von Soldaten wird in der Winteression (siehe Die Armee im Parlament) in den eidgenössischen Räten geführt.

Die Schweiz scheint also in Gefahr zu sein. Der internationale Terrorismus steht in der Begründung für den Einsatz nicht mehr im Vordergrund, «extremistische Veranstaltungsgegner» bergen aus Sicht des Bundesrates die grössere Gefahr. Die Idee, Schweizer Soldaten gegen DemonstrantInnen einzusetzen, scheint für den Bundesrat nicht mehr abwegig und eines Rechtstaates unwürdig zu sein. Die klare Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben wird mit immer häufigeren inneren Einsätzen der Armee aufgeweicht.

Um diese Entwicklungen der Bevölkerung schmackhaft zu machen, haben die neokonservativen Kräfte der Schweiz in die USA geschaut und scheinen von den Republikanern um Georg W. Bush gelernt zu haben, dass die Politik der Angst die effektivste Waffe ist, um demokratiefeindliche Entscheidungen durchzusetzen und zu rechtfertigen. Das neokonservative Konzept für die Schweiz ist einfach. Der Bundesrat erfindet zusammen mit dem VBS Gefährdungen und die Armee darf dann die Sicherheitslösung präsentieren und zeigen, dass sie gebraucht wird. Oder, wie Armeechef Keckeis es formuliert, sei die Armee da, um Sicherheit zu «produzieren». Dass diese Armee auch die Gefahren «mitproduziert» respektive neu schafft, ist anscheinend zweitrangig.

Das politische Kalkül der Neokonservativen zu entlarven, wird in naher Zukunft eine wichtige Aufgabe sein. Nur so verhindern wir ähnliche Entwicklungen wie in den USA. Wir dürfen keine Einschränkungen von Grundrechten, keinen Ausbau des Schnüffelstaates und keine Vermischung von Armee und Polizei zulassen. Der militärischen Logik sind zivile Lösungen entgegenzustellen. Ein Anfang machen dabei diejenigen Soldaten (siehe Soldatenkomitee), die ihren Einsatz am WEF 2005 verweigern.