Legitimationsinteresse im Vordergrund

Am 10. Juni hat der Bundesrat den ´Sicherheitsbericht 2000ª vorgestellt. Dieser Bericht, der die Überlegungen und Empfehlungen des Berichts der Studienkommission Brunner von 1998 weiterführt, löst den alten Sicherheitsbericht von 1990 ab. Das Motto des Sicherheitsberichts lautet „Sicherheit durch Kooperation”. Die Beteiligung an „internationalen Friedenseinsätzen” steht im Zentrum.

Das rund 70 Seiten starke Dokument wird dem Parlament zur Stellungnahme unterbreitet und soll die Grundlage für das neue Armeeleitbild „Armee XXI” (Erarbeitung ab 2001) sowie die Gesamtrevision des Militärgesetzes (geplant für 2003) bilden. Die ursprünglich beabsichtigte vorgezogene Teilrevision des Militärgesetzes, um Schweizer Soldaten in „Friedensförderungsdiensten” im Ausland „nach Ermessen des Bundesrates” bewaffnen zu können (vgl. GSoA-Zitig 79), ist in der Vernehmlassung auf breite Kritik gestossen. In einer Plattform „Gegen Blankoschecks für bewaffnete Auslandeinsätze – Für eine solidarische Friedenspolitik” haben auch zahlreiche friedenspolitische Organisationen die Vorlage kritisiert (siehe Zusammenfassung auf der nächsten Seite). Die vorgezogenen Teilrevision soll gemäss VBS-Planung nun erst 2001, nach der Abstimmung über die hängige Umverteilungsinitiative, beschlossen werden. Soweit zum Fahrplan. Untenstehend veröffentlichen wir die Stellungnahme der GSoA zum Sicherheitsbericht 2000.
Der Kalte Krieg ist vorbei, Europa wächst zusammen und die Landesverteidigung ist passé ñ diese einfache These kann heute auch das VBS nicht mehr ignorieren. Doch mit dem neuen Bericht „Sicherheit durch Kooperation” verpasst der Bundesrat die Chance, die Sicherheits- und Aussenpolitik für das kommende Jahrhundert neu zu bestimmen. Statt die neuen Möglichkeiten ziviler Konfliktbearbeitung und gesellschaftlicher Gefahrenprävention aufzuzeigen, bestimmt einseitig das Legitimationsinteresse der Schweizer Armee die Perspektive der Schweizerischen Sicherheitspolitik.
„Sicherheit durch Kooperation” ist die vielversprechende Kernaussage des Berichts. Die Kooperationsvorstellungen beschränken sich jedoch erstens auf eine Beteiligung der Schweizer Armee auf internationaler Ebene. Zweitens will die Armee innenpolitische Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit übernehmen, die bisher von zivilen Behörden erfüllt worden sind und von diesen auch in Zukunft besser bewältigt werden können. Um diesen ideologisch begründeten Expansionskurs der Armee finanzieren zu können, verlangt Bundesrat Ogi schon heute mehr Geld für die Armee ab 2002.
Wir stellen fest: Weltweit werden nach wie vor 700 Milliarden für militärische Konfliktbearbeitung und keine 20 Milliarden für Gefahrenprävention ausgegeben. Gerade der Krieg im Kosovo und seine Überführung in einen prekären Waffenstillstand zeigen deutlich: An militärischen Gewaltmitteln inklusive bewaffneten „Friedenstruppen” besteht kein Mangel, doch Menschenrechte lassen sich nicht herbeibomben. Was auf internationaler Ebene dringend gestärkt werden müsste, sind die zivilen Möglichkeiten zur Konfliktbearbeitung. Die Schweiz soll einen massiv stärkeren Beitrag auf internationaler Ebene leisten, aber einen dringend notwendigen zivilen Beitrag, statt dem militärischen Jekami hiterherzurennen. Die Initiative „Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst”, für die bisher 93’000 Unterschriften gesammelt worden sind und die im kommenden September eingereicht wird, ist ein konkreter Vorschlag für ein ziviles internationales Engagement.
Der Sicherheitspolitische Bericht geht von der ersten bis zur letzten Seite von der Fragestellung aus „Welche Funktion könnte die Armee heute noch übernehmen?” Mit ihren beiden Initiativen „Für eine Schweiz ohne Armee” und „Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst” will die GSoA die wirklich zeitgemässe Diskussion führen. Wir gehen dabei von der Frage nach den realen Herausforderungen und Defiziten internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik aus. Wir fordern einen zivilen Beitrag der Schweiz. Und auf die Armee zur autonomen Landesverteidigung – da gehen wir mit dem bundesrätlichen Bericht einig – können wir getrost verzichten.