Louise Schneiders Auftrag

 

Kaum je hat eine Aktion der GSoA so hohe Wellen geworfen wie die Spray-Aktion an der Nationalbank. Einige Hintergründe.

Der erste Anruf kam aus New York, der zweite aus Costa Rica. Danach hörte das Telefon nicht mehr auf zu klingeln. Am Nachmittag sassen mehr als ein halbes Dutzend MedienvertreterInnen in der Veranda von Louise Schneider – quasi eine spontane Pressekonferenz. Am nächsten Tag berichteten die Medien von Wisconsin bis Venezuela und von Hannover bis Hong Kong davon, wie eine ältere Frau auf den Zaun vor der Nationalbank geschrieben hatte «Geld für Waffen tötet» und danach von der Polizei abgeführt worden war.

Gewaltiges Echo

Dass die Kriegsgeschäfte-Initiative überaus erfolgreich gestartet ist, hängt ohne Zweifel auch mit der Aktion von Louise zusammen. Beim Unterschriftensammeln wird man immer wieder auf sie angesprochen. Der «Blick» sprach gar von der «Sprayergrosi-Initiative». Auch privat war das Echo riesig: Da war zum Beispiel der Brief eines Oberleutnants der Schweizer Armee, der seinen Zwiespalt darlegte: Einerseits stehe er überzeugt hinter dem Militär und der Rüstungsindustrie, andrerseits komme er aber nicht umhin, Louise für ihren Mut und ihre Tatkraft zu bewundern. Oder da sind die Dozenten an einer Diplomfeier, die Louise besuchte: Als sie erkannten, dass die Aktivistin aus dem Fernsehen unter den Gästen war, schenkten sie ihr zum Dank die Blumen, die eigentlich für die Lehrkräfte bestimmt gewesen waren.

Kaum jemand hatte die Resonanz vorhergesehen, die der abwaschbare Kreidespray auf den Bauabschrankungen vor der Nationalbank haben würde. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass man von einer Frau im neunten Lebensjahrzehnt nicht erwartet, dass sie ihre politischen überzeugungen mit einer Spraydose zum Ausruck bringt. Vielleicht sehnen sich die Menschen in den Zeiten von Trump nach einer Politik, die auf Moral und Ehrlichkeit fusst. Oder vielleicht ist einfach die Empörung über die schmutzigen Waffengeschäfte unserer Pensionskassen und der Nationalbank noch grösser als wir angenommen hatten.

Am ehesten hatte Louise selbst geahnt, welch gewaltige Reaktionen ihre Aktion haben würde. Die Aktion war schon seit Jahren geplant, aber Louise hatte damit gewartet, bis ihr Mann Paul verstorben war. Nicht weil er mit dem Aktivismus von Louise nicht einverstanden gewesen wäre – im Gegenteil, Paul war im Hintergrund immer eine Stütze von Louises Engagement. Aber sie wollte dem pflege – bedürftigen 96-Jährigen die Aufregung und Hektik ersparen, die der Medienrummel mit sich bringen würde.

 

Das Senfkorn

Louise ist in der religiös-sozialistischen Bewegung verwurzelt. Ihr politisches Engagement hängt eng mit ihrem Glauben zusammen. Immer wieder zitiert sie das Gleichnis vom Senfkorn: Der unscheinbarste aller Samen bringt die grössten aller Kräuter hervor. Will sagen: Veränderung beginnt im Kleinen. Und es ist unser Auftrag – auch Louises Auftrag – die Senfkörner zu pflanzen, welche die Welt zum Besseren verändern.

Beim Unterschriftensammeln auf der Strasse ist Louise ein Star. Die Erwachsenen wollen ihr danken oder mit ihr diskutieren. Einen besonderen Draht hat sie zu Jugendlichen. Immer wieder machen Mädchen Selfies mit Louise und fragen sie über ihr Leben aus. Schüchterner sind die Jungen. Aber gelegentlich traut sich dann doch einer, Louise anzusprechen und ihr zu sagen: «Wenn ich richtig erwachsen bin, will ich auch abstimmen gehen. Und für die gute Sache kämpfen. So wie Sie.» Nächstens besucht eine Schulklasse aus dem Zürcher Oberland Louise zuhause, nachdem sie im Fernsehen einen Film über sie gesehen haben. Louise wird auch da versuchen, weitere Senfkörner zu pflanzen.

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