Militarisierung der Aussenpolitik vorläufig gestoppt

Auf Vorschlag des GSoA-Mitglieds Geri Müller lehnte die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates am 30. Januar eine Ausweitung der Auslandeinsätze der Armee ab.

Entscheidend dabei waren die zwei SP-Stimmen zugunsten einer Beschränkung auf das zivile Friedenshandwerk. Samuel Schmid verfügte kurz darauf das, was eine parlamentarische Initiative der Grünen bereits am 20. September 2004 vorgeschlagen hatte: einen Marschhalt.

Auch wenn der VBS-Chef seinen Rückzieher mit der Überlastung der Instruktoren begründete, wissen alle, dass der Hauptgrund woanders liegt. Die militärischen Auslandeinsätze sind in der Bevölkerung wie auch im Parlament trotz der einseitigen behördlichen und medialen Propaganda nicht mehr mehrheitsfähig. Vor allem in der Linken ist die bei der Abstimmung über die Auslandeinsätze vom Juni 2001 noch vorherrschende Position immer mehr in die Defensive geraten. Besonders deutlich zeigte sich das vor zwei Jahren im Nationalrat als die Transportflugzeuge aus dem Rüstungsprogramm gekippt wurden und vor einem halben Jahr an der SPS-Delegiertenversammlung in Delémont bei deren überdeutlichem Entscheid für ein Kriegsmaterialexportverbot. Wer gegen den Verkauf von Kriegsmaterial ist, dem fehlen auch die Argumente und die Motivation für die Entsendung von Kriegspersonal.

Kurswechsel in der Linken

Wo liegen die Gründe für den Gesinnungswandel in der Linken? Zuerst einmal stand der 60prozentige Ja-Anteil der Linken, der damals entscheidend war für den 51prozentigen Ja-Anteil an der Urne, auf wackligen Füssen. Er war mehr die Folge eines pawlowschen Reflexes gegen Blocher als einer friedenspolitischen Reflexion. Zweitens haben die Katastrophe im Irak, die breite Friedensbewegung, die diese vorausgesagt hatte, die militärische Sackgasse in Afghanistan und die Ernüchterung über die Entwicklungen im Kosovo geholfen, die Köpfe zu befreien von der irrwitzigen Vorstellung, der globale Neointerventionismus diene den Menschenrechten, der Demokratie, dem Frieden und der Bekämpfung des Terrorismus. Die Einsicht, für die es bereits 1999 während des völkerrechtswidrigen NATO-Krieges gegen Serbien genügend Beweise gab, dass es in Wirklichkeit um Rohstoffe und um strategische Macht geht, kann sich seit dem Frühling 2003 leichter Bahn brechen. Drittens hat die laufende deutsche Debatte über die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes die mit der Militärgesetzrevision von 2001 verbundene Illusion, es gäbe einen Militäreinsatz ohne Kriegsgefahr, Lügen gestraft.

Einsetzen oder abschaffen

Bei Schmids schnellem Einlenken spielte noch eine weitere Erwägung: Die Rettung der Armeereform 08/11. Der Verzicht auf zusätzliche Auslandeinsätze ist eine Voraussetzung, um die SVP wieder ins militärische Boot zu holen. Allerdings ist der Preis, den das VBS für die Zugeständnisse an die SVP zahlt, ein hoher. All die Offiziere, die in den engen Kontakten mit der NATO ein «modernistisches» Selbstverständnis entwickelten und auf spannende Echteinsätze im Ausland hofften, werden enttäuscht, was die Armee zusätzlich destabilisieren wird. Auf Distanz gehen werden auch «progressistische» Kreise, die meinten, die Öffnung der Schweiz könne, wenn das politische Hauptportal schon verschlossen bleibt, übers militärische Hintertürchen erfolgen. Weiter wird die in den letzten zehn Jahren tief gespaltene Linke sich leichter wieder einigen können auf einer armeekritischen Position. Und diese hat, wenn es beispielsweise um die Rüstungsausgaben oder Kriegsmaterialexporte geht, die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Schliesslich werden mit einer historisch überholten Grenzverteidigung und mit einer ohnehin umstrittenen Militarisierung der inneren Sicherheit die Legimitätsdefizite der Armee schnell wieder wachsen. Mit dem vorläufigen Verzicht auf eine Ausweitung der Auslandeinsätze gewinnen zwei Engagements an Gewicht: Das für ein Kriegsmaterialexportverbot, weil die Versuchung gross ist, sich gegenüber dem «war on terror» um so mehr mit Waffenlieferungen «solidarisch» zu zeigen. Und das gegen Innere Einsätze, weil diese die fehlenden Ausland-Einsätze kompensieren sollen. Denn etwas wissen Keckeis, Schmid und Co sehr gut: Ein Zurück zu einer reinen Übungs-Armee gibt es nicht. Einsetzen oder abschaffen lautet die Alternative im 21. Jahrhundert.