2, 5 Milliarden Franken will die SP jedes Jahr für eine Armee ausgeben, die es gemäss ihren eigenen Argumenten gar nicht mehr braucht
Die Vernehmlassungsantwort der Sozialdemokratischen Partei (SP) zur Armee XXI beginnt mit einer «Bedrohungsanalyse». Zusammengefasst lautet diese: Die wirklichen Risiken sind «nicht militärischer Natur» oder «ent-territorialisiert» (Terroranschläge) oder militärisch unabwehrbar (Massenvernichtungswaffen). Was den «Landesverteidigungsfall» betrifft, sind der «grosse Krieg in Europa und der geballte Angriff auf die Schweiz keine realistischen Szenarios.» Russland sei wirtschaftlich zu schwach, um selbst nach einem «Militärputsch» eine «Bedrohung auslösen» zu können. «Und auch die aggressive Aussenpolitik der USA, die sich nicht ans Völkerrecht gebunden fühlt und zu erpresserischen Methoden neigt, kann nicht mit militärischen Mitteln in friedensverträgliche Bahnen gelenkt werden». In anderen Worten: Die Schweiz braucht keine Armee.
SVP-Töne bei der SP
Der realistischen Analyse folgen die politischen Rückzieher. «Im Hinblick auf den grossen Verteidigungsfall» habe die Armee «eine entsprechende Kernkompetenz und Aufwuchsfähigkeit zu wahren.» Das ist doppelt fragwürdig: Erstens ist dieser «Verteidigungsfall» unvorstellbar und undenkbar, und zwar auf Jahrzehnte hinaus. Und zweitens ist die Vorstellung einer autonomen Verteidigung, um die es hier geht, völlig überholt. Wenn die SP schreibt, eine «defensive, ans eigene Territorium gebundene Verteidigungsdoktrin ist ohne Integration in ein Militärbündnis möglich», glaubt man die SVP zu hören. Der zweite «Auftrag an die Schweizer Armee» ist zwar realistischer, aber politisch höchst fragwürdig. Gemäss SP-Papier braucht es «zur Raumsicherung verpolizeilichte militärische Mittel». Dazu werden Szenarien angeführt wie: «Schlägerbanden verunsichern die Schweizer Grenzen» (diese Sprache passt bestens zur Repression gegen G8-GegnerInnen), «verfeindete Gruppen von ImmigrantInnen gehen bewaffnet aufeinander los oder greifen internationale Konferenzen an». Weil der Schweizer Armee die äusseren militärischen Feinde ausgegangen sind, gerät die SP in Versuchung, den Militärs neue Feinde vorzuschlagen. Vor allem geht es der SP um den dritten Auftrag: «Die Schweiz beteiligt sich an friedensunterstützenden Einsätzen der Staatengemeinschaft». Die erste Frage, die sich hier stellt: Selbst wenn solche Einsätze Sinn machen würden, wäre es da sinnvoll, nur für sie eine eigene Armee aufrecht zu erhalten? Die zweite Frage: Was soll der Begriff «friedensunterstützend», den die SP-Fraktion im Nationalrat im Rahmen der Revision des Militärgesetzes noch bekämpft hat? Bekanntlich ist «friedensunterstützend» nicht Uno-, sondern Nato-Terminologie. Es handelt sich, wie das VBS selber erklärt hat, um einen «Sammelbegriff» für «friedenserhaltend» und «friedenserzwingend». Friedenserzwingende Einsätze können in den für die Schweiz relevanten Fällen nur von der Nato durchgeführt werden.
Nato oder Uno stärken?
Das Papier begeht hier den gleichen Fehler, wie ihn die SP in ihrer Abstimmungskampagne zum Militärgesetz gemacht hat: Es wird nicht politisiert sondern moralisiert. Die SP tut so, als ginge es beim «humanitären Interventionismus», wie er sich unter Führung der USA nach dem Ende des Kalten Krieges durchgesetzt hat, «in erster Linie» um «die Zivilbevölkerung». Dass es auch hier um knallharte Interessenpolitik und um die Relegitimierung von Militär und Aufrüstung geht, dass der globale Neoliberalismus nach dem globalen Neomilitarismus ruft, dass es der Nato gelungen ist, unter dem Deckmantel des «Schutzes der Zivilbevölkerung» die Uno zu marginalisieren, dies wird völlig oder weitgehend verdrängt. Die SP tut, als hätte sie in der Frage von Militärinterventionen ebenso viel zu sagen wie die USA. Erfreulich ist die Distanzierung von der «Tendenz in Europa», die erwähnten Einsätze «als neue legitimatorische Grundlage für eine forcierte Aufrüstung zu nutzen». Allerdings bleibt nachzutragen, dass es sich dabei nicht zuletzt um eine sozialdemokratische «Tendenz» handelt. Positiv ist die Aussage: «Die aggressive Aussenpolitik der USA ist über eine Stärkung und Reform der Uno und nicht über eine militärisch definierte Weltmacht Europa zu begrenzen.» Würde die SP die Welt realistisch betrachten, gelangte sie zur Einsicht, dass militärische Auslandeinsätze nur die Nato stärken. Wer die Uno gegen die USA stärken will, stimmt für ein verstärktes ziviles Engagement. Für einen Zivilen Friedensdienst, die Abschaffung der Armee und den Uno-Beitritt.