Am 9. Juni ist es wieder einmal so weit: Diejenigen von uns, die den Schweizer Pass besitzen, stimmen über eine neuerliche Revision, sprich, eine weitere Aushöhlung des Asylrechts ab. Was als Missbrauchsbekämpfung daherkommt, zielt in Wahrheit direkt auf die Rechte politischer Flüchtlinge.
Lange hat die Rechte in diesem Land vorgegeben, nichts gegen sogenannt «richtige» Flüchtlinge zu haben, man wolle bloss den «Missbrauch» des Asylwesens durch sogenannt «falsche» Wirtschaftsflüchtlinge bekämpfen. Das war von Anfang an ein falsches Spiel. Doch spätestens mit der neuesten Verschärfung sollte allen klar geworden sein, dass es SVP und Konsorten in Wahrheit sehr wohl um politisch Verfolgte geht.
Mit dem Botschaftsverfahren soll nämlich ausgerechnet der Weg zum Asyl abgeschafft werden, bei dem es den viel beschworenen «Missbrauch» gar nie gegeben hat. 96 Prozent der GesuchstellerInnen, die im Rahmen eines Botschaftsverfahrens in die Schweiz eingereist sind, wurden als schutzwürdig eingestuft. Die Bürgerlichen wollen nun also, dass diese schutzwürdigen Personen kein Asyl mehr erhalten. Klarer kann man seine Verachtung für die Rechte politisch Verfolgter fast nicht mehr ausdrücken.
Verschärfungsspirale
Sagen wir also offen, was die ewigen Verschärfer wollen: Sie wollen nicht den Missbrauch, sondern den Gebrauch des Asylrechts bekämpfen. Sie wollen, dass an Leib und Leben bedrohte Menschen bleiben, wo sie sind, statt bei uns Asyl zu ersuchen. Und um dies zu erreichen, wollen die Verschärfer dieses Land für Schutzsuchende so unattraktiv machen, dass irgendwann niemand mehr bei uns Schutz sucht.
Das Problem ist nur, dass Flüchtlinge natürlich ohnehin keine besonders attraktiven Optionen haben. Und deshalb wird immer weiter an der Verschärfungsspirale gedreht. Ihr habt im Herkunftsland kein menschenwürdiges Leben? Dann sorgen wir dafür, dass es euch hier in der Schweiz nicht besser geht! Euch droht im Herkunftsland Lagerhaft? Dann stecken wir euch eben auch in Lager, wenn ihr in die Schweiz kommt!
«Ängste in der Bevölkerung»
Zur Rechtfertigung dieser menschenverachtenden Politik wird jeweils angeführt, man müsse halt die «Ängste in der Bevölkerung» ernst nehmen. Das sollten wir zweifellos tun. Doch Ängste ernst zu nehmen, heisst nicht, sie für bare Münze zu nehmen oder gar weiter zu schüren. Und die Schweiz kommt mir je länger je mehr vor wie eine psychiatrische Klinik, in der Verfolgungswahn «therapiert» wird, indem man den PatientInnen bewaffneten Schutz vor ihren vermeintlichen Verfolgern gewährt. Der Therapieerfolg ist natürlich zweifelhaft: Immer schärfere Repressalien gegen Flüchtlinge bestätigen bloss den Eindruck in Teilen der Bevölkerung, dass von Asylsuchenden offenbar eine riesige Gefahr ausgehen muss. Aber an einer erfolgreichen Therapie sind diejenigen, die politisch von der Bewirtschaftung dieser Ängste leben, natürlich gar nicht interessiert.
Oft wird die unmenschliche Asylpolitik auch damit gerechtfertigt, dass es sich bei den Betroffenen ja mehrheitlich um «gesunde junge Männer» handle. Dazu möchte ich gerne mal zwei Dinge loswerden: Erstens finde ich in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte nirgends eine Ausnahmeklausel für diese Personengruppe: Die Menschenrechte gelten also auch für Menschen, die gesund, jung und männlich sind!
Und zweitens sind es natürlich gerade die Asylverschärfer selbst, die dafür sorgen, dass vor allem junge, gesunde und männliche Schutzsuchende überhaupt noch eine Chance haben, in der Schweiz Asyl zu erhalten. Genau diese Wirkung hat nämlich die Abschaffung des Botschaftsverfahrens: Man reisst die letzte Brücke ein, über die Schutzsuchende in die Schweiz gelangen, welche die gefährliche irreguläre Reise nach Europa nicht überstehen würden. Und dann beklagt man sich, dass übers Mittelmeer, diesen Burggraben der Festung Europa, vornehmlich junge Männer zu uns kommen.
Solidarität mit Kriegsdienstverweigerern und Deserteurinnen!
Eine Gruppe junger Menschen steht ganz besonders im Visier der Asylverschärfer, nämlich die Kriegsdienstverweigerer und Deserteurinnen. Sie werden als Drückeberger und Scheinflüchtlinge diffamiert. Dabei gibt es kaum etwas, was so vorbehaltlos als mutig bezeichnet werden kann wie der Entscheid, einem Unrechtsregime den Kriegsdienst zu verweigern. Die Menschen, die diesen Weg gehen, nehmen ein erhebliches persönliches Risiko in Kauf, um sich nicht an Gewalttaten beteiligen zu müssen. Sie sind keine Scheinflüchtlinge, sondern Heldinnen und Helden!
Ich möchte deshalb alle GSoA-Mitglieder dazu aufrufen, am 9. Juni ein Nein in die Urne zu legen. Ein Nein zur Politik der Angst, ein Nein zur Politik des Hasses und ein lautes Nein zum Nationalismus, der schon mehr als genug Leid über die Menschheit gebracht hat.
Dieser Text basiert auf einer Rede anlässlich des Ostermarsches vom 1. April 2013 in Bern. Eine gekürzte Version ist im SOSF-Bulletin erschienen.
Asylgesetzrevision: Das Wichtigste in Kürze
(asyl.ch/ac) Gerade mal 6 von 1’000 Menschen in der Schweiz sind Asylsuchende. Dennoch wird hysterisch vor einer «Überflutung» des Landes gewarnt, die es durch immer neue Verschärfungen zu bekämpfen gelte. Dies sind die wichtigsten Elemente der neuesten Revision des Asylgesetzes, die am 9. Juni zur Abstimmung kommt:
Abschaffung des Botschaftsverfahrens
Seit 1980 konnten Asylgesuche auf einer Schweizer Vertretung im Ausland gestellt werden. Dadurch haben 2’572 politisch verfolgte Menschen Schutz erhalten. Nun soll diese Möglichkeit abgeschafft werden. Flüchtlinge werden damit in die Hände von Schleppern getrieben, und noch mehr Menschen werden im Mittelmeer ihr Leben lassen müssen.
Kriegsdienstverweigerung als Asylausschlussgrund
Es ist ein zentrales humanitäres und friedenspolitisches Gebot, Menschen zu schützen, die autoritären Regimes den Kriegsdienst verweigern. Dieser Schutz soll in der Schweiz nun verwässert werden. Aufgrund der Gefahr, die ihnen im Herkunftsland droht, werden Kriegsdienstverweigerer und Deserteurinnen beispielsweise aus Syrien oder Eritrea zwar auch in Zukunft nicht weggewiesen werden. Sie werden in der Schweiz bleiben – jedoch mit einem prekären Status, der ihre Integration erschwert.
«Besondere Zentren»
Es ist inakzeptabel und willkürlich, Asylsuchende, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, in besondere Zentren zu schicken, wo sie unter haftähnlichen Bedingungen leben müssen. Das Asylgesetz ist kein Ersatz für das Strafrecht – es soll schützen, nicht strafen. Diese neue Willkür gegenüber Asylsuchenden führt zu einer massiven Rechtsungleichheit.
Aushöhlung der Gesetzgebungsverantwortung
Der Bundesrat erhält einen Freipass für «Testphasen im Asylverfahren» für die nächsten drei Jahre. Das Parlament gibt dadurch ein grosses Stück seiner Gesetzgebungsverantwortung ab und das Volk wird seiner direktdemokratischen Einflussmöglichkeiten beraubt. Im Rahmen dieser Testphase hat der Bundesrat die Beschwerdefristen gegen asylrechtliche Entscheide bereits auf 10 Tage beschränkt.
Deshalb: NEIN am 9. Juni!
Weitere Informationen: www.asyl.ch