Osnabrückenschlag

Wer geglaubt hatte, die Friedensbewegung sei tot, sah sich am Osnabrücker Friedenskongress eines besseren belehrt: TeilnehmerInnen aus über dreissig Ländern fanden zusammen. Vier davon waren von der GSoA.

Aktuelle und ehemalige Grössen der deutschen Friedensbewegung und Fachfrauen und -männer aus vielen Teilen der Welt machten den Osnabrücker Kongress (29. bis 31.5.98) zu einer Begegnungsstätte für alles, was in der Friedens-NGO-Szene kreucht und fleucht.

Die OrganisatorInnen hatten den Westfälischen Friedensschluss nach dem Dreissigjährigen Krieg, der 1648 in Osnabrück verkündet worden war, zum Anlass für die Veranstaltung genommen. Der Kongress arbeitete zwei Halbtage im Plenum und einen Tag in Arbeitsgruppen. In den Arbeitsgruppen wie bei den Referaten hoben sich konkrete, differenzierte Analysen und Vorschläge wohltuend von allgemeinen Ausführungen und Appellen ab.

Scharfsinnig und zweischneidig

Besonders anregend war das Referat der Belgrader Aktivistin von «Frauen in Schwarz», Stasa Zajovic. In einer scharfsinnigen Analyse berichtete sie von den Ambivalenzen der Friedensarbeit in konkreten Konflikten. Das Regime produziere dauernd Opfer, und die «Frauen in Schwarz» seien fast nur noch damit beschäftigt, sich um diese zu kümmern. Sie sprach von den Widersprüchen humanitärer Hilfe, von den Spaltungen, die sie in den lokalen Hilfsorganisationen bewirke, von der Versteinerung von Geschlechterrollen in kriegführenden Gesellschaften und wie die «Frauen in Schwarz» in diesem Umfeld arbeiten.

Ebenso konkret und differenziert stellte Nenad Vukosavljevic die Arbeit des «Zentrums für gewalfreie Aktion» in Sarajevo dar. In einer Arbeitsgruppe betonte er, dass friedliche Konfliktlösungen nicht von oben bestimmt, sondern nur durch das Volk entwickelt werden könnten. Er wies auf die Schwierigkeiten hin, die entstehen, wenn Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mit fertigen Konzepten und viel Geld in der Tasche in ein Konfliktgebiet kommen. Internationale NGOs müssten in erster Linie die Voraussetzungen für die Arbeit der lokalen NGOs schaffen und Kenntnisse vermitteln.

Leviathan oder Global Governance?

Die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von internationalen NGOs lotete eine andere Arbeitsgruppe aus. Hanne Birckenbach, Professorin in Kiel, schlug die Bildung eines aus NGOs bestehenden Uno-Friedensrats (parallel zum Uno-Sicherheitsrat) vor. Eine völkerrechtliche Anerkennung von NGOs könnte die Demokratisierung der Uno fördern.

Die Uno und ihre (Un-)Fähigkeit zur Regelung von Konflikten wurde ebenfalls thematisiert. Während einzelne TeilnehmerInnen ein supranationales Staatengebilde als Überwindung der zwischenstaatlichen Anarchie befürworteten, warnten andere (Prof. Krippendorff, Berlin) vor der globalen Diktatur. In der Diskussion wurde festgestellt, dass das Haupthindernis für die Uno als Friedensmacht die Souveränität der Nationalstaaten mit ihren Armeen sei. Voraussetzung zur Steigerung der Autorität der Uno sei die Delegitimierung der nationalstaatlichen Armeen.

Streckenweise verliefen die Debatten sehr institutionenzentriert. Möglichkeiten, sich in die Entscheidungsprozesse der OSZE einzuschalten oder staatliche Institutionen zu beeifnlussen wurden mit grosser Fachkenntnis erörtert.

Hier spürten GSoAtInnen die eigene, durch die Instrumente der direkten Demokratie geförderte Distanz zum politischen Establishment. In der Schweiz stehen uns mit den Volksrechten andere Mittel der Einflussnahme zur Verfügung. Möglicherweise verstellen sie uns aber die Sicht auf andere Wege.

Feedback für die GSoA

Das Thema Armeeabschaffung war am Kongress prominent vertreten: Die GSoA war in eine Arbeitsgruppe als aktive Teilnehmerin eingeladen und durfte eine der Vertiefungsgruppen moderieren. Wir knüpften engere Kontakte zur Kampagne Bundeswehr ohne Armee und zur Kampagne für ein Österreich ohne Heer. Gemeinsam wollen wir an der WRI-Tagung im September «Europa ohne Armeen» auf die Traktandenliste stellen.

In der Schlussveranstaltung gab Renate Schoch neben Anne Cummings aus Nordirland und der palästinensischen Professorin Sumaya Farhat-Naser einen friedenspolitischen Ausblick in die Zukunft. Diese Vorstellung der GSoA-Initiativen erntete regen Beifall und grosses Interesse. Besonders begrüsst wurde die klare Stellungnahme der GSoA für zivile Konfliktbearbeitung ohne Militär: Der Zivile Friedensdienst ist nicht als Ergänzung zur Armee gedacht, sondern zu ihrer Abschaffung.

Erfahrungen und Überlegungen aus anderen Ländern die Initiativen der GSoA entscheidend geprägt. Der Kongress zeigte nun umgekehrt, welche Anziehungskraft die Ideen und Projekte der GSoA auch im Ausland haben.

 

 

Sicherheit statt Verteidigung

MOMA, das Monatsmagazin für neue Politik, stellt seine Ausgabe 4.98 ganz unter gsoatische Fahnen: Auf vierzig Seiten werden Hintergründe für einen Zivilen Friedensdienst und eine Schweiz ohne Armee geliefert, setzen sich die AutorInnen mit dem Bericht der Studienkommission Brunner auseinander (Hans Hartmann und Josef Lang) und dokumentieren die Pläne der helvetischen Verteidiger, im Oberwallis einen Artelleriebunker auf ein Pfarreigelände zu stellen (Kurt Marti). Besonders erwähnenswert sind die Beiträge der deutschen Friedensforscherin und Grünen Politikerin Martina Fischer über «Europäische Friedenspolitik und Zivile Konfliktbearbeitung – Aktuelle Herausforderungen und Probleme» und von Peter Lock über «Sicherheit als Privatbetrieb – Weltweiter Wettlauf zur Privatisierung von Sicherheit». Roland Brunner schliesst das Heft mit einem ausführlichen Artikel zum Kosov@. Einige kurze Auszüge davon sind in der letzten GSoA-Zitig erschienen.

MOMA kann bestellt (und am besten abonniert) werden bei: MOMA, Postfach, 8031 Zürich. Fax. 01/273 02 12. Das Einzelheft kostet 8 Franken, ein Probeabo (drei Nummern) 20 Franken und ein Jahresabo 85 Franken (60 Franken reduziert für Lehrlinge und StudentInnen).