“Rekrutenguide”

Aus der Reihe «Bedeutende Literatur aus der Rekrutenschule» erscheint seit diesem Jahr ein neues Werk: Der «Rekrutenguide». Eine Glanzleistung an Sexismus und Militärpropaganda, so dass uns nur noch die Flucht in die Satire bleibt.

Ob dieser an den Erfolg von Knüllern wie «Kampfbekleidung 90 und Ausgangsbekleidung 95» oder «Restlichtverstärker 95» anknüpfen kann? Wir haben ihn für euch gelesen.

Wer Pech hat und zu Beginn einer Rekrutenschule selbst als Rekrut dasteht, der ist bald mal stolzer Besitzer einer ganzen Reihe an Büchlein. Grosse, kleine, rote, grüne, für jedes noch so kleine und unbedeutende Detail gibt’s ein Büchlein dazu. Seit 2004 ist dieses Sammelwerk nun um eine Ausgabe reicher: Mit Logistikhilfe des VBS wird jedem Deutschschweizer Rekruten eine Ausgabe des «Rekrutenguide» verteilt. Dass dieser aber nicht nur ein weiteres der vielen anderen Reglemente und Behelfe ist, erkennt man rasch. Schon das Layout sticht sofort ins Auge: weg vom charmanten preussischen Stil bisheriger Reglemente, hin zum «Yo Kumpel Soldat»-Stil. Leider lässt sich nicht erkennen, ob der Guide mit Absicht so abgedreht erscheint, oder ob er damit an den aktuellen Zustand des VBS angepasst wurde. Wie auch immer, uns interessiert ja vor allem der Inhalt, und davon gibt’s ne ganze Menge zu erzählen.

Vom Gorilla-Marsch und anderen Kuriositäten

Nach mehrmaligem Durchlesen fällt dem aufmerksamen Leser auf, dass der Sinn des «Rekrutenguide» wohl darin bestehen sollte, einem Rekruten wichtige Tipps zu geben, wie er die RS überstehen soll. Und tatsächlich, so erfährt dieser zum Beispiel von neuen, besonders interessanten, Marschübungen für die Zugschule. Da wäre zum Beispiel der Gorilla-Marsch: «…nach links eins, zwei Seithüpfen, dann nach rechts drei, vier, dann der A-Schritt. … und bei jedem Seithüpfen ein UH UH! von sich geben».

Oder etwa Infos zur Krawatte der Ausgangsuniform (aus dem «Erotiklexikon von Rizzolli»). Neben allerlei weiteren merkwürdigen Tipps und Tricks beinhaltet der Rekrutenguide aber auch kulturell wertvolle Artikel, wie etwa Liedertexte («Lieschen, Lieschen, Lieschen», «Es gibt kein Bier auf Hawaii» und die Nationalhymne). Zudem werden auch allerlei informative Artikel vermittelt, wie etwa derjenige über diverse Waffentypen unserer Nachbarländer.

 

Die Armee als Dr.Sommer-Team?

Wer jetzt denkt, das Soldatenleben beschränke sich auf Marschieren, Lieder johlen und Waffen polieren, der vergisst wohl etwas: Ausgang. Nicht so der «Rekrutenguide», dieser legt hier nämlich erst richtig los mit Tipps. Keine Ahnung, wie die Traumfrau angesprochen werden soll? Im «Rekrutenguide» steht’s: «Mit den Händen auf ihren Schultern: Oh – das sind Schulterblätter. Ich dachte, es wären Flügel» oder «Ich bin Single! Du auch? Dann lass uns ne LP machen».

Ob das funktioniert? Wir wissen es nicht. Aber hey, eine Militäruniform bürgt für ein gewisses Niveau, und das kann mit solchen Sprüchen auch sicher gehalten werden. Ach übrigens, ob sich denn eure Traumfrau überhaupt für euch interessiert, erkennt ihr daran, dass «sie höchstwahrscheinlich ihre Beine leicht spreizen wird, übereinandergeschlagene Beine und Arme bedeuten hingegen oft ein abweisendes Verhalten. Allerdings nicht immer; liegt ein Bein unter dem anderen, weist das Knie des oberen Beines oft wie ein Pfeil auf den Mann, den die Dame interessiert.» Achso, alles klar.

Am Ziel vorbeigeschossen

Kurz zusammengefasst: Alle wichtigen Bereiche des Rekrutenlebens werden im «Rekrutenguide» abgedeckt: Waffen und Frauen. (Naja, zumindest scheint sich die Armee so das Rekrutenleben vorzustellen). Auch in Sachen Niveau der abgedruckten Artikel vermag dieser Rekrutenratgeber durchaus, die Armee angemessen zu vertreten. Selbst Conan der Barbar hätte seine helle Freude daran.

Trotz allem bleiben für uns von der GSoA noch einige Fragen offen: Das Werk kann zwar durchaus an andere Literatur aus der Rekrutenschule anschliessen (s. oben), doch als wirklicher Ratgeber für Durchschnittsrekruten ist der «Rekrutenguide» keineswegs zu gebrauchen. Wer interessiert sich schon für das Kaliber eines G36-Sturmgewehrs? Wen interessiert schon die Lieblingswaffe von «Terroristenverbänden»? Wer braucht für «Es gibt kein Bier auf Hawaii» einen Songtext? Und, ganz ehrlich, wer braucht denn gerade von der Armee Tipps zum Umgang mit Frauen? Nein, was wir vermissen, sind Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen eines Rekruten: Wie komm ich so schnell wie möglich weg von der Armee? Was soll das Gebrülle? Und warum wird dieser ganze Unsinn auch noch mit meinen Steuern bezahlt?

Gut, gibt’s den Panzerknacker

Vielmehr erscheint der Rekrutenguide als eine Sammlung wirr zusammengewürfelter Artikel, welche zusammen eine Mischung aus billiger Armeepropaganda und sexistischer Rekruten-«Bravo» ergeben.

Wer sich also dafür interessiert, wie tief das Niveau der Armee bereits gesunken ist, dem ist diese Lektüre durchaus zu empfehlen, wer allerdings einen richtigen «Rekrutenguide» will, der greift nach wie vor am besten zum Panzerknacker. Leider verweigert das VBS jede Logistikhilfe beim Verteilen des Panzerknackers, aber dafür gibt’s ja schliesslich die GSoA.

PS: Die Primitivität des vorgestellten Werks hat in den letzten Monaten auch die Aufmerksamkeit von anderen LiteraturfreundInnen in der Schweiz auf sich gezogen. Mehr davon in der nächsten GSoA-Zitig…

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