Trotz laufender Sanktionen gegen Russland haben die Importe von russischem Flüssigerdgas (LNG) in die EU im Jahr 2024 ein Rekordniveau erreicht. Die Einfuhren stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 19,3 Prozent. Das Ersetzen von Pipeline- durch Flüssiggas drückt sich in Zug in einem Tief bekannter Firmen wie Gazprom und Nordstream und in einem Hoch der weniger bekannten Novatek am Bundesplatz aus.
Beitrag von Luzian Franzini, GSoA-Mitglied und Co-Präsident «Alternative – die GRÜNEN» Zug

Dass die Sanktionen sehr wohl Wirkung zeitigen, zeigt sich nicht nur im Wertezerfall des Rubels. Er zeigt sich auch in Zug. Die Zuger Niederlassung der Gazprom hinter der alten Post befindet sich seit Oktober 2024 in Liquidation. In der Nordstream 1 hinter dem Metalli-Center herrscht weniger Betrieb als früher. Und die Nordstream 2 in Steinhausen, in deren Verwaltungsrat immer noch der Putin-Kumpel und Ex-Kanzler Gerhard Schröder sitzt, befindet sich in der letzten Fristverlängerung vor der Eröffnung des Konkursverfahrens. Dafür geht es den auf LNG (Liquified Natural Gas) spezialisierten Novatek-Firmen am Bundesplatz umso besser. Der Handel und die europäische Abhängigkeit von russischem Gas hat sich lediglich von den Pipelines zum Transport mit Schiffen verlagert.
EU sanktioniert LNG nicht
Dass es Russland möglich ist, den starken Rückgang von gasförmigen Pipeline-Exporten mit einem Wachstum von Flüssiggasexporten teilweise zu kompensieren, hat mit der Tatsache zu tun, dass sogenanntes LNG von der EU und der Schweiz nicht sanktioniert wird. Damit füttert der weitaus wichtigste LNG-Konzern Russlands, die Novatek, Putins Krieg gegen die Ukraine jährlich mit Abermilliarden. Letztes Jahr waren es 8 Milliarden allein aus dem Europa-Geschäft. Die Liefermenge, die vorwiegend über den belgischen Hafen Zeerbrügge transportiert und verteilt wird, war mit 17 Millionen Tonnen LNG höher denn je. Gesamthaft flossen aus dem ganzen Gas-Geschäft etwa 12,5 Milliarden Euro aus Westeuropa nach Russland.
Der Grund für die unverständliche Duldung von Notavek liegt in der starken Abhängigkeit von russischem Erdgas. Es hat aber auch mit Geschäftsinteressen westlicher Konzerne zu tun. So ist das französische Unternehmen Total Energies Anteilseigner der LGT-2-Anlage auf der sibirischen Halbinsel Yamal. Hier hat Novatek 2018 und 2024 zwei grosse Anlagen in Betriebe genommen. Von dort bringen Eis-brechende Frachtschiffe LNG im Wert von 30 Millionen Euro pro Ladung in die Welt. Yamal ist einer der grössten Flüssiggas-Standorte der Welt.
Einer der reichsten Russen
Die Novatek gehört Leonid Mikhelson. Laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes war er 2023 mit 22 Milliarden Dollar Vermögen der viertreichste Russe. Mikhelson ist ein enger Vertrauter Wladimir Putins und war beim berühmt-berüchtigten Treffen der wichtigsten Oligarchen mit Putin am 24. Februar dabei. Am Stadtzuger Bundesplatz 9 und 7 betreibt Novatek die beiden Tochterfirmen Novatek Gas & Power (seit 2011) und Novatek Gas & Power Asia (seit 2019). Diese nahm anfangs Dezember 2024 am LNG-Summit in Berlin teil, was zu Protesten aus den Reihen der deutschen Grünen führte. Mikhelson und Novatek sind eng verbunden mit zwei der wichtigsten Öl- und Gashändler sowie Putin-Oligarchen Gennadi Timtschenko und Alexej Miller. 2021 wurde Mark Gyetvay, Finanzvorstand der Novatek, in den USA wegen Steuervergehen zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt.
Mikhelson ist noch mit einem weiteren russischen Konzern mit Zuger Ableger verbunden, dem Petrochemiekonzern Sibur. Er hat seit 2012 eine Niederlassung an der Oberneuhofstrasse 5 in Baar, die SIBUR Investments AG. Ihr erster Verwaltungsratspräsident war Kirill Schamalow, Ex-Schwiegersohn Putins.
Schweiz muss eigenständig sanktionieren
Während die USA die putinnahe Novatek seit Kriegsbeginn boykottieren, hat die EU erst am 24. Juni 2024 erste Schritte unternommen. So verbietet sie Investitionen in künftige LNG-Projekte und sanktioniert gewisse Frachtschiffe und gewisse Einfuhren. Aber ihr Ziel, bis 2027 von russischem Erdgas unabhängig zu sein, ist ein zu vages, um daran glauben zu können. Dazu kommt, dass die politischen Kräfte, die gegen Sanktionen sind, in der EU, aber auch in den USA wieder stärker werden.
Damit die Schweiz und insbesondere Zug nicht jährlich Milliarden aus Flüssiggas in Putins Kriegskasse stecken, muss die Schweiz eigenständige Sanktionen ergreifen. Dass das eine Frage des politischen Willens ist, zeigt die Argumentation des Zuger Nationalrates Gerhard Pfister als Kommissionssprecher beim Embargo-Gesetz am 9. Juni 2022: „Die Mehrheit der Kommission will, dass die Schweiz Sanktionen nicht nur übernehmen, sondern auch eigenständig gegen Personen oder Entitäten erlassen kann, die schwere Verstösse gegen die Menschenrechte, gegen das humanitäre Völkerrecht oder gegen das internationale Recht begangen haben. ‚Eigenständig‘ heisst nicht ‚unkoordiniert‘. Aber wenn die Schweiz heute gegen Personen oder Unternehmen vorgehen will, die nicht auf einer Sanktionsliste stehen, muss sie das über Notrecht tun.“
Der Nationalrat (GRÜNE, SP, GLP, Mitte) unterstützte eigenständige Sanktionen mit 107:82 Stimmen. Leider brach dann die Mitte unter dem Druck des Ständerates (12:29) ein und lehnte sie am 30. September 2022 mit 82 zu 103 ab. Wenn der Bundesrat will, kann er über Notrecht (BV 184,3) trotzdem eigenständige Sanktionen gegen Flüssiggas und deren Hauptfirma Novatek ergreifen. Die katastrophalen Folgen Putins Krieg für die Ukraine rechtfertigen einen solchen Schritt.
Echte Solidarität mit der Ukraine
Damit die russische Kriegswirtschaft nicht noch weiter durch Schweizer Gasdeals angeheizt wird, müsste der Bundesrat seine Kompetenzen ausschöpfen und gleichzeitig die vom Nationalrat in erster Lesung beschlossene Gesetzesänderung für eigenständige Schweizer Sanktionen dem Parlament neu vorschlagen. Weiter müsste er sich bei der EU für die Aufnahme von Flüssiggas auf die Sanktionsliste einsetzen.
Übrigens fordert auch das im eidgenössischen Wahljahr 2023 veröffentlichte Manifest Neutralität21, welches von einer Gruppe Intellektueller, angeführt vom emeritierten Staatsrechtsprofessor Thomas Cottier und dem freisinnigen Altständerat René Rhinow verfasst wurde, vom Bundesrat, „neben den von der UNO und den wichtigsten Handelspartnern erlassenen Sanktionen auch eigene Massnahmen zu ergreifen“.
Diesem Ziel widmen die Zuger Alternativ-Grünen und die Junge Alternative ihre von der GSoA unterstützte Mahnwache anlässlich des dreijährigen Jahrestages des Angriffes auf die Ukraine vom 24. Februar 2025 um 17.45 Uhr auf dem Bundesplatz Zug. Zeigen wir der Ukraine echte und sofortige Solidarität!