1990 reflektierte Carol Cohn in einem Sammelband zum Thema «Frauen und Militarismus» ihre Erfahrungen als Teilnehmerin des Sommerkurses «Nukleare Waffen und Abrüstung» in Harvard und MIT/Boston. Sie beschreibt, wie sie damit gerechnet hatte, herum zu schleichen wie eine Spionin, um eine unbedachte sexualisierte Militärsprache zu protokollieren. Sie war nicht auf das vorbereitet, was sie dann erlebte: Sexualisierte Sprache war kein Faux-Pas, sondern die Regel.
Regula Grünenfelder, feministische Theologin und Forscherin
«Penetration» war der Begriff für einen Militärangriff, wobei die Vorteile eines spasmischen Ereignisses gegenüber langgezogenen Attacken erörtert wurde. «Jungfräulich» war ein (Schimpf-) Wort für Länder, die sich weigerten, Nuklearwaffen zu stationieren. Bomben und Bomber durften in diesem Kurs sogar «gestreichelt» werden.
Cohns besondere Rolle war die einer beobachtenden Teilnehmerin, die sich auf die Kultur der Intellektuellen, die ihre Karriere dem Krieg verschrieben haben, einliess. Sie stellte bei sich fest, dass sie sich selber an das distanzierende Reden über Todeswaffen gewöhnte. «Technostrategisches Sprechen» nennt sie diese Militärsprache, die Schmerzen, Angst und Tod ausklammert, Waffen und Kriege in phallischen Begriffen bespricht und einer Rationalität gehorcht, die völlig ohne Bezug auf die verschiedenen Kontexte ist, in der sie stattfindet.
Seit ihrer Feldforschung haben sich die Medien und die Wortfelder geändert. Angriffe wurden inzwischen zu hochpräzisen chirurgischen Eingriffen – wie jeder andere ärztliche Eingriff natürlich nur zur Gesundung des «Patienten». Im Internet konnte man/frau in Waffenarsenalen blättern und den phallischen Bomben zuschauen, wie sie feindliches Gebiet penetrierten. Auch heute bleibt die Militärsprache sexualisiert, sie trägt aber auch religiöse Züge. Die neue multimegatolle Hyperbombe heisst mit ihrem Kürzel MOAB (Massive Ordonance Air Blast). Moab ist auch «zufällig» in der Bibel fremdes Gebiet, allerdings auch solches, das gute Frauen hervorbringt wie die Moabiterin Ruth.
Ein starkes Signal gegen sexualisierte, religiös verbrämte und kalte Militärsprache setzte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey mit ihrem Vorschlag, die Namen der zivilen Opfer (also auch und vor allem von Frauen und Kindern) im Internet zu veröffentlichen. Das wäre ein Zeichen gewesen für Sorgfalt, die sich nicht auszahlt in Siegen, sondern in einer Kultur des Erinnerns. Die Reaktionen zeigten: DAS ist eine gefährliche Erinnerung. Sie ist nicht sexualisiert, sondern bezogen, nicht zusammenhangslos, sondern aufmerksam auf den Zusammenhang zwischen Menschen im Krieg, Angreifern und ZuschauerInnen. Diese Kultur widerspricht den Versuchen zu isolieren, Lebensrechte aufzuteilen und VerliererInnen zu vergessen. In diesem Sinne ist und wäre diese Erinnerung zutiefst religiös.