Schuld ist immer der Zivildienst

Nachdem das Parlament im Jahr 2024 beschlossen hat, dass Zivildienstleistende gezwungen werden können, Einsätze im Zivilschutz zu leisten, steht der nächste Angriff auf den Zivildienst an:Die Revision des Zivildienstgesetzes. In der Sommersession wird der Nationalrat als Erstrat darüber entscheiden. Aus persönlichen Gesprächen kann ich sagen, dass die Aussichten für den Zivildienst nicht rosig sind. Von Luca Dahinden, Geschäftsführer CIVIVA

Das Jammern der Armee und der Stahlhelmfraktion über zu wenig Personal bei der Armee hat leider nicht aufgehört, obwohl wir ihnen mehrfach beweisen konnten, dass die Armee momentan einen gesetzeswidrigen Überbestand aufweist. Die Rechtskonservativen und die Armee sehen den Grund dafür in den rund 6800 jährlichen Zivildienstzulassungen – das gleiche Geschwätz seit Jahren. Nun wollen sie den Zugang zum Zivildienst für diejenigen erschweren, die der Armee noch eine Chance gegeben haben und während oder nach der RS in den Zivildienst wechseln. Dazu schlägt der Bundesrat sechs Massnahmen vor, die alle deren „Ziel“ nicht erfüllen und daher nicht verhältnismässig sind. Dennoch führen diese Massnahmen laut Bundesrat zu einer Reduktion auf 4000 Zulassungen zum Zivildienst pro Jahr (also eine Reduktion um 40%) und zu einer Verringerung der Anzahl Diensttage um 16%. Die Leidtragenden dieser Revision sind somit die Personen und unsere Gesellschaft, die von den heutigen Zivildiensteinsätzen profitieren, wie etwa überlastete Lehrpersonen, ältere und pflegebedürftige Menschen sowie der Naturschutz.

Wäre dieser Schaden an der Gesellschaft nicht so gross, könnte man darüber lachen, dass selbst der Bundesrat zugibt, dass jeder Zivildienstleistende weniger nicht auch eine Person mehr in der Armee bedeutet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass mit dieser Revision der „blaue Weg“ zunehmen wird und die von den Rechtskonservativen sonst hochgelobte Wehrgerechtigkeit weiter leiden wird. Anhand der ersten drei der sechs vorgeschlagenen Massnahmen möchte ich die Absurdität dieser Vorlage aufzeigen:

Die nicht brauchbaren Massnahmen

Die erste vorgeschlagene Massnahme besteht darin, dass jeder Zivildienstleistende mindestens 150 Diensttage leisten muss. Diese Massnahme verstösst einerseits gegen das Rechtsgleichheitsgebot und hat einen Strafcharakter, da der Umrechnungsfaktor von Militärdiensttagen in Zivildiensttage (normalerweise 1,5x) bis auf 150x steigen könnte. Ausserdem würde die Massnahme erst in Kraft treten, nachdem eine Person die RS und den ersten WK erfolgreich abgeschlossen hat. Bei denjenigen, bei denen ein Gewissenskonflikt auftritt, wird nicht anzunehmen sein, dass sie einfach murrend in der Armee bleiben, vielmehr werden sie den „blauen Weg“ wählen. 

Die zweite Massnahme sieht vor, den Faktor 1,5x auch für Unteroffiziere und Offiziere anzuwenden, die derzeit reduzierte Faktoren haben, da sie mehr Militärdiensttage leisten müssen. Hier besteht jedoch kein Handlungsbedarf, da laut der Armeeauszählung 2024 die Bestände der Unteroffiziere und Offiziere überalimentiert bis gut alimentiert sind. Ein wesentlicher Grund neben eines Gewissenkonfliktes, warum Personen nach der RS in den Zivildienst wechseln, liegt darin, dass sie zum Weitermachen gezwungen werden. Zudem gibt es nur sehr wenige Abgänge aus dem Kader in den Zivildienst. Die Massnahme hätte also kaum Wirkung, und dort, wo Personen betroffen wären, kann stark davon ausgegangen werden, dass der „blaue Weg“ gewählt wird, anstatt eine noch längere Anzahl Zivildiensttage zu leisten. 

Die dritte Massnahme, „Keine Einsätze, die ein Human-, Zahn- oder Veterinärmedizinstudium erfordern“, zeigt die Absurdität dieser Revision auf. Einerseits ist es im Zivildienst bereits verboten, „Weiterbildungen“ abzuleisten, und andererseits wurden 2023 nur zwei Ärzte bzw. Arztanwärter zum Zivildienst zugelassen; 2022 waren es lediglich acht. Der Kreis der Betroffenen ist daher nicht existent. 

Als Fazit lässt sich sagen, dass die einzige Auswirkung dieser Revision ein Wechsel vom Zivildienst in den „blauen Weg“ sein wird. Die Armee wird kaum mehr Personal erhalten, und die Folge wird sein, dass es weniger Zivildienstleistende und weniger Zivildiensttage geben wird. Der gegen den Zivildienst gerichtete Hass der Armee und der Rechtskonservativen wird nur dazu führen, dass die gesellschaftlich wertvollen Einsätze des Zivildienstes abnehmen. Daher gilt es, die Vorlage abzulehnen; falls uns dies im Parlament nicht gelingt, dann eben über ein Referendum und das Volk.

, ,