Schweizer Kommando über heikle Mission

Im Nordkosovo hat ein Schweizer Oberst das Kommando über die Nato-Truppen der Kfor übernommen. Ein gefährlicher Tabubruch der Schweizer Armee.

Seit dem 1.Januar 2012 befehligt der Schweizer Oberst Adolf Conrad die Beobachtungs- und Verbindungstruppen der Kfor im Nordkosovo. Nach dem Kosovokrieg 1999 beauftragte der UN-Sicherheitsrat basierend auf der Resolution 1244 die Nato mit der Befriedung der Region, um den Flüchtlingen eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Zur Erledigung dieses Auftrages wurde die Kfor, unter Leitung der Nato, gebildet. Seit Beginn der Kfor-Mission hat sich die Schweiz mit einem Truppenkontingent von rund 200 Soldaten daran beteiligt. Zuletzt hat das Schweizer Parlament im Frühling 2011 der Verlängerung des Kosovo-Einsatzes bis Ende 2014 zugestimmt. Mit der Führungsrolle im Nordkosovo die Armee jetzt ein weiteres Tabu der Schweizer Aussenpolitik gebrochen. Zum ersten Mal kommandiert ein Schweizer Oberst Nato-Truppen, und dies erst noch in einer Krisenregion, am Rande eines neuerlichen Bürgerkrieges.

Gefährlicher Einsatz
Die Schweizer Soldaten sind in sogenannte «Liaison and Monitoring Teams» eingebunden, die vor allem den Austausch mit der Lokalbevölkerung pflegen und vermittelnd eingreifen sollen, wo Streitigkeiten drohen. So verkauft die Propagandaabteilung der Schweizer Armee die Swisscoy-Soldaten denn auch am liebsten als «Diplomaten in Uniform».
Doch die Realität im Nordkosovo ist wesentlich brutaler, wie die seit einem halben Jahr immer wieder aufflackernden blutigen Ausschreitungen an Grenzübergängen verdeutlichen. Seit sich der Kosovo für unabhängig erklärt hat, haben sich die Fronten zwischen serbischer Minderheit und albanischer Mehrheit im Kosovo verhärtet. Nachdem im Juli 2011 die kosovarische Polizei in einer Nacht-und Nebelaktion die Kontrolle über serbische Grenzposten übernehmen wollte, flauen die Proteste und gewalttätigen Racheakte serbischer Extremisten nicht mehr ab. In dieser heiklen Situation soll eine von einem Schweizer Obersten kommandierte Nato-Truppe vermitteln. Die Gefahr ist gross, dass früher oder später auch Schweizer Soldaten in Gefechte verwickelt werden; deutsche und österreichische Truppe in ähnlichen Einsätzen wurden bereits beschossen. Auch wenn das Ansehen der Schweiz, gerade bei der kosovarischen Regierung, sehr hoch ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Extremisten der einen oder anderen Seite auch Schweizer Soldaten angreifen, um die Grenzregion unter ihre Gewalt zu bringen.

Ein neues Mass an Nato-Einbindung
Im September 2009 scheiterte die Schweizer Beteiligung an der Atalanta-Mission zur Bekämpfung der Piraten im Meer vor Somalia spektakulär im Nationalrat. Man hatte damals das Gefühl an einem Wendepunkt angelangt zu sein. Die Auslandeinsätze der Armee schienen im Parlament keine Mehrheiten mehr zu finden. Die Suche nach Einsatzmöglichkeiten im Ausland, welche die Armeespitze unter gütiger Mithilfe von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey immer neue Tabus brechen liess, schien beendet. Und mit der Wahl von Ueli Maurer ins VBS und dem Rücktritt von Micheline Calmy-Rey schienen auch dem Bundesrat die BefürworterInnen von Auslandeinsätzen der Armee abhanden gekommen zu sein.
Darob ging offenbar bei BefürworterInnen und GegnerInnen der Auslandeinsätze vergessen, dass die Schweizer Armee noch immer mit einem grösseren Kontingent im Kosovo vertreten ist. Und durch die Veränderung der Sicherheitslage im Kosovo hat die Swisscoy schon lange nicht mehr den harmlosen Charakter, der ihr so lange anhaftete. Dass jetzt auch noch ein Schweizer das Kommando über die Nato-Truppen in einem der grössten Pulverfässer Europas übernommen hat, ist nicht nur leichtsinnig, sondern auch ein bedeutender Schritt weg von der Schweizer Neutralität hin zu einer noch grösseren Einbindung der Schweiz in die Nato. Die Politik muss der Schweizer Armee bei ihren Auslandabenteuern dringend wieder genauer auf die Finger schauen. Bevor diese aussenpolitische Fakten schafft, die sich nicht mehr korrigieren lassen.