Blutiger Imperialismus in Russland, Chaos und Neofaschismus in Washington, kopfloser Aufrüstungsstrudel in Europa. Und dennoch sind nüchtern betrachtet die grossen Bedrohungen für unser Land nicht militärischer Natur.
Dass sich die USA militärisch aus Europa zurückziehen könnten, hätte uns vor ein paar Jahren mit Genugtuung erfüllt. Aber bei einigen wird die Vorstellung heute eher mulmige Gefühle auslösen. Wäre ein potentieller Abzug der US-amerikanischen Truppen aus dem alten Kontinent nicht eine Einladung an Putin, weitere Eroberungszüge zu starten, bis seine Panzer tatsächlich plötzlich am Bodensee stehen?
Die GSoA warnt seit 25 Jahren vor Putin, seinem Militarismus und seinem im vorletzten Jahrhundert steckengebliebenen Imperialismus. Wir haben seine Kriegsverbrechen in Tschetschenien angeprangert, als die Schweizer Politik dem Kreml-Herrscher noch Friedenspreise verlieh. Als Russland 2014 die Ukraine angriff, haben wir auf unsere gefährliche Abhängigkeit von russischem Gas hingewiesen. Währenddessen setzte die bürgerliche Mehrheit im Bundesrat durch, dass Schweizer Werkzeugmaschinen an die russische Rüstungsindustrie geliefert werden konnten. Dass angesichts dieser Vorgeschichte der GSoA Naivität vorgeworfen wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Nüchterne Bedrohungsanalyse
Im vergangenen Frühjahr hat die Vollversammlung der GSoA den Bundesrat aufgerufen, die Schweizer Sicherheitspolitik auf die Basis einer nüchternen Bedrohungsanalyse* zu stellen, anstatt blindwütig aufzurüsten. Was wir damals gesagt haben, hat auch heute noch seine Gültigkeit: Es gibt kein realistisches Szenario, in dem die Schweiz konventionell militärisch bedroht würde. Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Russland die Ukraine auf dem Schlachtfeld besiegen würde, müsste die russische Armee über einen langen Zeitraum hinweg den Grossteil ihrer Kräfte als Besatzungstruppen im besiegten Land stationieren. Und selbst wenn man das ausser Acht lässt, müsste Russland zuerst die Nato besiegen, bevor seine Truppen am Bodensee auftauchen. Angesichts der militärischen, wirtschaftlichen, technologischen und demografischen Kräfteverhältnisse ist das keine realistische Annahme – selbst wenn die USA sich komplett aus der Nato zurückziehen würden. Nicht auszuschliessen ist, dass Putin in seiner Hybris den Zusammenhalt Europas mit gezielten Nadelstichen, beispielsweise im Baltikum, testen könnte. Daran ändert sich jedoch nichts, wenn in den Alpen ein paar zusätzliche Panzer und Kampfjets herumkurven.
Die Schweiz kann aber dennoch einen wichtigen Beitrag leisten: Wir müssen den Militaristen die Ressourcen entziehen. Ein Weg dazu ist, dass wir uns endlich von russischem Gas, Öl und Uran unabhängig machen. Aber angesichts der Drohungen Trumps gegenüber Kanada, Grönland oder Panama wäre es auch dringend angezeigt auf den F-35 zu verzichten. Alleine schon um dem US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplex nicht noch mehr Ressourcen zu liefern.