Sicherheit ist weiblich! – aber nicht so

Am Tag, an dem Viola Amherd, Chefin des VBS, ihren Rücktritt bekannt gab, hinterliess sie ein letztes folgenschweres Geschenk: den obligatorischen Armee-Informationstag für Frauen. In diesem Beitrag soll diskutiert werden, was die Konsequenzen dieser besonders schlechten Idee sind.

Die Idee ist nicht neu: Seit mehreren Jahren führt Viola Amherd einen Kampf, um mehr Frauen in die Armee zu bringen. Ende 2024 machten sie 1,6 % der Soldaten aus. Mit dem Vorschlag, den Informationstag für alle Schweizerinnen obligatorisch zu machen, lässt sich das VBS auf ein gefährliches Spiel ein. Es ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einem festen Willen, die Armee weiblicher zu machen, und bei dieser Übung ist den Verantwortlichen der heiligen Kuh jedes Mittel recht: Werbung bei den Jüngsten, Werbung mit grossen Anzeigen und sogar eine Verpflichtung.

Rückbesinnung auf den Begriff der Sicherheit
In diesen Diskussionen rund um die Einführung dieses Informationstages für Frauen ist es wichtig, zunächst einen Schritt zurückzutreten. Soweit wir zurückblicken können, waren Frauen schon immer aktiv an der Sicherheit beteiligt. Wir dürfen das sagen, denn als Antimilitarist*innen und Pazifist*innen sind wir es uns schuldig, einen Begriff von Sicherheit zu haben, der nicht nur die zunehmende Militarisierung berücksichtigt, mit der wir konfrontiert sind. Sicherheit hat viele Facetten, von der Ernährungs- und Wohnungssicherheit über die Sicherheit vor der Klimakrise bis hin zur gesichterten Gesundheitsversorgung. In all diesen Bereichen nehmen Frauen einen besonders wichtigen Platz ein. Frauen ziehen Kinder auf, kümmern sich um kranke oder ältere Angehörige, organisieren den Haushalt, putzen und waschen. Die gesamte unbezahlte Care- und Pflegearbeit von Frauen hat einen Geldwert von über 240 Milliarden Franken. Zu implizieren, dass Frauen aufgrund der fehlenden Wehrpflicht in der Armee daher keinen „Dienst an der Gesellschaft“ leisten, wertet diese Arbeit grundlegend ab. Arbeit, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktionieren könnte und die de facto zu unserer Sicherheit beiträgt.

Nichts Neues unter der Sonne
Das VBS will den Anteil der Frauen in der Armee bis 2030 auf 10 % erhöhen. Diese Aussagen werden bereits seit einigen Jahren gemacht und zeigen deutlich, dass die Einführung dieses Pflichttages daher nur ein erster Schritt ist. Das VBS begründet dies mit Alimentierungsproblemen, um den Bestand von 140’000 Soldaten bis 2030 zu gewährleisten. Dabei ist der tatsächliche Ist-Bestand der Armee seit 2023 schlicht und ergreifend widerrechtlich zu hoch. Indem das VBS ab Anfang 2023 die Angehörigen der Armee im letzten Dienstjahr abzog, um sie am Stichtag der Armeeauszählung, dem 1. März, nicht mehr zu zählen, präsentierte es einen niedrigeren Bestand als in anderen Jahren, ohne seine Berechnungsänderung auszuweisen und zu ergründen. Bis 2022 wurden sie zum Armeebestand gezählt, da diese Personen dennoch aufgeboten werden können und somit zum Armeebestand beitragen. Bereits im Juni 2023 hatten wir eine Analyse zu diesem Thema geschrieben, um zu zeigen, dass die Hysterie im VBS unnötig war.

„Sicherheit ist auch Frauensache“
Auch heute ist die Gleichberechtigung für Frauen noch lange nicht erreicht. In allen Bereichen der Gesellschaft gibt es noch viel zu tun. Solange diese Gleichstellung jedoch noch nicht Realität ist, ist es undenkbar, den Frauen eine neue Verpflichtung aufzubürden. Frau Amherds Bestreben, die Gleichstellung nach unten zu nivellieren, ist unangebracht, solange die faktische Gleichstellung von Frauen in unzähligen anderen Belangen noch immer nicht erreicht ist..

No safe space in military
Im Oktober 2024 wurde eine Studie über Diskriminierung und sexualisierte Gewalt aufgrund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung in der Schweizer Armee durchgeführt, an der alle weiblichen Angehörigen der Armee sowie eine gleich grosse Anzahl männlicher Angehöriger der Armee teilnahmen. Die Ergebnisse waren mehr als schockierend: 81% der Befragten gaben an, bereits sexistische Bemerkungen erlebt zu haben. Und 94% der befragten Frauen berichten, dass sie sexualisierte Gewalt erlebt haben. Der Bericht stellt fest, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt: «Diskriminierung und sexualisierte Gewalt sind eng mit der Organisationskultur der Armee verbunden.» Wie kann die Armee mehr Frauen aufnehmen wollen (oder sie sogar dazu zwingen), wenn es für sie kein sicherer Ort ist? Das VBS sollte sich zuerst um die Probleme kümmern, die es selbst geschaffen hat, wie zum Beispiel die sexualisierte Gewalt in der Armee, bevor es über irgendwelche Verpflichtungen für Frauen spricht.

Gleiche Chancen
Vor einem Jahr haben Roxane Steiger und Anja Gada, politische Sekretärinnen der GSoA, ein Experiment durchgeführt: Sie haben am Informationstag der Armee teilgenommen. Dabei halten sie Folgendes fest: „Als Feministinnen und Antimilitaristinnen müssen wir über die Diskussion über Pflichten und Rechte hinausgehen, denn das Patriarchat und der Militarismus werden nicht akzeptabler, wenn Frauen darin besser repräsentiert sind. Als feministische Bewegung stehen wir für eine andere und gerechtere Gesellschaft ein. Gleichstellung heisst somit nicht, dass Frauen in die Armee gehen müssen, sondern, dass Männer es nicht mehr müssen. Für die GSoA ist klar: Wir werden uns weiterhin gegen jegliche Pflichten für Frauen in Sachen Militär wehren! “. Ihre vollständige Geschichte finden Sie hier.

Dieser Vorschlag für einen obligatorischen Informationstag für Frauen wird nach Abschluss der Vernehmlassung und dem parlamentarischen Prozess vors Volk zu kommen. Die GSoA wird dann bereit sein, um mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen, dass Frauen eine weitere Pflicht auferlegt wird und dagegen, dass das VBS mit seiner blindwütigen Militarisierung Erfolg hat.

Was sonst noch ansteht:
Zusätzlich zu dieser neuen Pflicht hat der Bundesrat das VBS angewiesen, zwei Optionen für die Weiterentwicklung der Dienste zu vertiefen: die “Sicherheitsdienstpflicht” und die “bedarfsorientierte Dienstpflicht”. Immer unter Berufung auf die angeblichen Versorgungsprobleme. Die Erste sieht vor, den Zivildienst und den Zivilschutz zusammenzulegen und zu einem Dienst innerhalb der Armee „für den Katastrophenschutz“ zu machen. Die Zweite sieht vor, die Dienstpflicht auf Schweizerinnen auszuweiten. Der obligatorische Informationstag ist also nur ein erster Schritt.