Das inexistente Alimentierungsproblem der Armee

Gemäss dem Bundesamt für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sehen sich der Zivilschutz und die Armee in Zukunft mit drastischen Unterbeständen konfrontiert. An der Sommersession behandelt der Nationalrat deshalb zwei Berichte, welche die Alimentierung dieser Institutionen thematisieren. Die aus dem Bericht resultierenden möglichen Massnahmen würden den Zivildienst schwächen und das ganze Dienstpflichtsystem umkrempeln. Letzteres hätte entweder eine Ausweitung des obligatorischen Dienstes auf weitere Bevölkerungsgruppen und/oder eine willkürliche Einteilung zur Folge haben. Die Grösse der Armee wird jedoch nicht in Frage gestellt. Das Absurde: Die Armee hat kein Alimentierungsproblem. Wir bieten einen Überblick über die fehlgeleitete Diskussion zugunsten der Armee und die Zahlenbeigerei des VBS.

Für die Visualisierungen gilt:

Zivilschutz

Würdees nach dem VBS gehen, wäre der Bestand des Zivilschutzes bereits heute kritisch. Ohne Massnahmen drohe ein Leistungsabbau. Wie gravierend dieser genau wäre, wird nicht ausgeführt. Es werden vor allem Aufgaben für die Gemeinschaft erwähnt, also beispielsweise an Veranstaltungen oder kulturellen Anlässen, die der Zivilschutz eventuell nicht mehr betreuen kann – was nach dem Gesetz eigentlich nicht zu den zwingenden Aufgaben des Zivilschutzes gehört. 

Doch was sind die Ursachen für den angeblich bereits erfolgenden und weiterhin drohenden Unterbestand? Hierbei werden drei Hauptgründe genannt:

  • Seit 2021 gilt eine Dienstdauer von 14 statt wie bis anhin 20 Jahren. Alle Personen, die bei Inkrafttreten 14 oder mehr Jahre Schutzdienst geleistet haben, wurden entlassen.
  • Im Rahmen des Projekts «Weiterentwicklung der Armee» (WEA), wurden gewisse Flexibilisierungsmassnahmen bei der Armee eingeführt. Das Projekt befand sich von 2018-2022 in der Umsetzung und beinhaltete unter anderem, dass die RS bis zu fünf Jahren hinausgeschoben werden kann. Dies brachte die Rekrutierung sowohl für die Armee als auch den Zivilschutz etwas ins Stocken.
  • Seit 2015 gilt bei der Rekrutierung für die Armee die «differenzierte Tauglichkeit». Das heisst, Personen gelten als militärdiensttauglich, die vor dieser Praxis noch als schutzdiensttauglich (also einfach untauglich) eingestuft worden wären. Damit verringert sich die Zahl der Schutzdienstpflichtigen. Dieser Punkt ist die Hauptursache des Alimentierungsproblems im Zivilschutz.

Wir sehen also, das angebliche Problem des Unterbestands ist entweder hausgemacht oder durch die Armee verschuldet. Es wäre also folglich nur richtig, dort für die Lösung des Problems anzusetzen. Das VBS und das Parlament sehen das jedoch anders. Herhalten soll der Zivildienst. Erst im Mai 2023 endete eine Vernehmlassung zum Vorschlag des Bundesrats, Zivildienstleistende für den Zivilschutz verpflichten zu können. Abgesehen davon, dass dies im Notfall bereits mit den aktuellen gesetzlichen Bestimmungen möglich wäre, ist es schlichtweg unverständlich, weshalb der Zivildienst die Probleme, welche der Zivilschutz und die Armee sich selbst eingebrockt haben, zu lösen hat.

Doch der Zivildienst ist ein nützlicher Sündenbock. Als einzige der drei Institutionen der Dienstpflicht gibt es im Zivildienst keinen Sollbestand. Das passt dem VBS natürlich, denn so kann sich  niemand über Unterbestände beklagen – ausser beispielsweise die betroffenen Schulen oder Gesundheitsinstitutionen. Wie die Politik des VBS zeigt, wertet sie jedoch soziale und zivile Sicherheit der militärischen unter.Diesem Prinzip folgte auch die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates (SiK-N). In einer Motion forderte sie die sofortige Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz. Weshalb dies eine furchtbare und vor allem obsolete Idee ist, greifen wir später nochmals auf.

Apropos Sollbestand: Dieser liegt beim Zivilschutz bei 72’000 Schutzdienstpflichtigen. Diese Zahl wird weder begründet noch wird dargelegt, woher sie kommt. Aber im Alimentierungsbericht wird man vor die vermeintliche Tatsache gestellt, dass der Zivilschutz seine Leistung mit weniger Schutzdienstpflichtigen nicht erfüllen kann. Würde man so bei einem Klimaschutzprojekt oder einem Sozialwerk argumentieren, gäbe sich die Politik nicht zufrieden und würde umgehend Berechnungen und einen genauesten Ausweis des Bedarfs fordern. Das VBS aber kann sich diese läppische Begründung erlauben. Die GSoA forderte in der Vernehmlassung dementsprechend eine bedarfsorientierte Berechnung des Sollbestandes, der mit genauen Angaben untermauert werden kann.

Zu guter Letzt sei hier noch erwähnt, dass das VBS lieber Zivildienstleistende zum Zivilschutz verpflichtet, als das Problem innerhalb des Zivilschutzes selbst anzugehen. Denn: Eine Massnahme, die viele der angeblichen Probleme lösen würde, wäre die Aufgabe des Prinzips, dass Schutzdienstpflichtige nur in ihrem Wohnkanton Dienst leisten. Doch in der Vernehmlassung verzichtet der Bundesrat auf dieses Mittel, die Zivis sollen es richten. Ebenso könnte man erneut über die reduzierte Dienstdauer im Zivilschutz nachdenken, doch auch das kommt nicht in Frage. Für die GSoA ist klar, dass der Zivildienst nicht für diese Probleme in die Verantwortung gezogen werden darf.

Armee

Im ersten der beiden Alimentierungsberichte werden die künftigen Bestandsprobleme der Armee thematisiert. Im zweiten Bericht folgen verschiedene Möglichkeiten, wie das gesamte Dienstpflichtsystem angepasst werden könnte, um die Bestände zu sichern.

Dass die Armee Sorge um ihren Bestand hat, ist nichts Neues. Das VBS spricht schon lange davon, dass die Armee gefährdet sei. Auch hier dient der Zivildienst seit Jahren als Sündenbock, da man das Problem vor allem in den Abgänger*innen der Armee zum Zivildienst sieht. So arbeitete der Bundesrat 2019 eine Botschaft aus, die mit acht Massnahmen den Zivildienst gezielt unattraktiver machen sollte, bzw. vor allem den Wechsel nach absolvierter Rekrutenschule (RS). Glücklicherweise lehnte der Nationalrat diese Änderungen 2020 ab. Das hinderte die SVP aber nicht, die genau gleichen Massnahmen erneut aufs Tapet zu bringen. In einer Motion von Nationalrat Thomas Hurter wurden sechs der acht Massnahmen 1:1 abgeschrieben und erneut eingereicht. Es ist ein Paradebeispiel, wie bürgerliche Politiker*innen den Krieg in der Ukraine ausnutzen, um ihre sicherheitspolitischen Forderungen durchzusetzen. Dies tun sie leider auch mit Erfolg, die Motion Hurter wurde von beiden Parlamentskammern überwiesen. Dies, obwohl es eigentlich verpönt ist, kürzlich abgelehnte Geschäfte erneut einzubringen. Aber wenn es um die gefährdete Armee geht, kann man ja schon mal eine Ausnahme machen. Doch wie gefährdet ist der Bestand der Schweizer Armee tatsächlich?

Der vorgegebene Sollbestand der Armee beträgt 100’000 Angehörige, der Effektivbestand 140’000. Das liegt daran, dass bei einer Mobilmachung nicht alle Angehörigen einrücken und man deshalb mit dem Faktor 1.4 den Sollbestand in einem Ernstfall sicherstellen will (Präzisionshalber ist im Folgenden vom Effektivbestand die Rede, da diese Zahl massgebend ist und den tatsächlichen Bestand anzeigt). In Artikel 1 der Verordnung über die Organisation der Armee steht aber auch geschrieben, dass der Effektivbestand «höchstens» 140’000 Militärdienstpflichtige beträgt. Das heisst, es gibt einen rechtlichen Maximalbestand. Dies ist auch dem VBS bewusst: 2017 wurden Massnahmen beschlossen, damitdie Armee nicht widerrechtlich zu gross wird. Auf die genauen Massnahmen wird hier nicht eingegangen. Relevant ist, dass diese erst gegen 2030 ihre Wirkungen entfalten werden und man deshalb eine Übergangsbestimmung beschloss, die einen temporären Überbestand der Armee gesetzlich legitimierte. Dies ist in Artikel 151 des Militärgesetzes festgehalten. Nun ist es so, dass diese Übergangsbestimmung lediglich bis Ende 2022 Gültigkeit hatte. Jedoch betrug der Effektivbestand der Schweizer Armee per 01.03.2023 (Stichtag der Armeeauszählung) 151’299 Angehörige. Das heisst nichts anderes, als dass die Armee seit dem 01. Januar 2023 widerrechtlich zu gross ist.

Effektivbestand Armee 01.03.2022 (ca. 151’000)

Das Drama, welches das VBS rund um das angebliche “Alimentierungsproblem” macht, ist also absurd. Offenbar schien auch niemand der Bundesverwaltung so richtig über diesen aktuellen illegalen Überbestand informiert zu sein. Denn das Ganze wurde erst Thema, als das Onlinemagazin «Republik» in einem Artikel vom 12. Dezember 2022 diesen Umstand zum Thema gemacht hat. Bis zu diesem Zeitpunkt verlor niemand ein Wort darüber. Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SiK-S) griff das Thema an ihrer nächsten Sitzung im Januar 2023 auf. In der entsprechenden Medienmitteilung wurde dies folgendermassen kommentiert: «Zu guter Letzt wurde die SiK-S darüber informiert, dass der Effektivbestand der Armee Ende 2022 über den bewilligten 140’000 Armeeangehörigen lag und die entsprechende Übergangsbestimmung ausgelaufen ist. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass das VBS verschiedene Optionen prüft, um diese Situation so rasch wie möglich zu korrigieren.» Von diesen Optionen hörte man bisher noch nichts.

Im Parlament und VBS diskutiert man über “Bestandsprobleme” in der Schweizer Armee, während diese einen illegalen Überbestand aufweist. Denn trotz dieses anhaltenden Überbestands, ist gemäss VBS “das Alimentierungsproblem” nach wie vor vorhanden. Wie gesagt war ein temporärer Überbestand bis 2022 auch dem VBS bewusst. Jedoch wird ein anhaltender Unterbestand ab 2030 prognostiziert. Hauptgrund dafür ist die Verkürzung der Dienstdauer von 12 auf 10 Jahre. Das bedeutet nämlich, dass 2028 und 2029 je zwei Jahrgänge aufs Mal aus der Armee entlassen werden, gemäss VBS sind das in beiden Jahren 12’000 Personen mehr als üblich. Das ergäbe insgesamt einen «Verlust» von 24’000 Angehörigen in den beiden Jahren. Dies soll dazu führen, dass der Effektivbestand ab 2030 nicht mehr erreicht wird und dann unerfüllt bleibt. Hier ergibt sich bereits ein Widerspruch: Das VBS schreibt im 1. Teil des Alimentierungsberichts «Mit der Unterschreitung des Effektivbestandes, die Ende des laufenden Jahrzehnts eintreten wird, können im Fall einer allgemeinen Mobilmachung der Sollbestand nicht mehr erreicht und nicht mehr alle Aufgaben erfüllt werden.» Mit dem Erreichen des Effektivbestandes sind 140’000 Angehörige gemeint. Das heisst, es wird auf einen Effektivbestand von 140’000 oder mehr abgezielt, wobei aber jede Person über 140’000 einen illegalen Bestand bedeuten würde. Offenbar scheint sich die Armee als staatliche Institution der Schweiz nicht um die Einhaltung der Gesetze scheren zu müssen. Zu diesem Umstand kommt hinzu, dass die Berechnungen und Prognosen des VBS schleierhaft und nicht nachvollziehbar sind. Wagen wir uns deshalb an die Zahlenbeigerei des VBS. 

Prognose VBS

Gemäss den Zahlen, welche die Republik vom VBS erhielt, wächst der Armeebestand weiter und beträgt bereits nächstes Jahr ca. 157’000 Angehörige. Dann wird mit einem Gleichgewicht zwischen Zu- und Abgängen bis 2028 gerechnet. Wie oben geschrieben, nimmt der Bestand laut VBS dann aufgrund von mehreren Jahrgängen, die die Armee gleichzeitig verlassen, drastisch ab. Das bedeutet Folgendes: 

Effektivbestand aktuell: 151’000
Effektivbestand 2024-2028: 157’000
Abnahme 2028 und 2029: -24’000

Im Alimentierungsbericht ist von einem Effektivbestand von 117’000 Angehörigen im Jahr 2030 die Rede. Dies würde gegenüber Beginn 2028 eine Abnahme von 40’000 Angehörigen bedeuten. Offenbar wurde die Prognose gegenüber der Republik erneuert und man geht mittlerweile von 123’000 im Jahr 2030 aus. Das bedeutet aber immer noch eine Abnahme von 34’000 Angehörigen gegenüber der Prognose 2028, obwohl eigentlich von je 12’000, also insgesamt 24’000 die Rede ist. Es bleibt eine Differenz von 10’000 Angehörigen, die nicht begründet wird (orange gekennzeichnet). Generell lässt das VBS bei vielen Angaben nachvollziehbare Begründungen vermissen, wie zum Beispiel:

  • 2024-2028 soll der Effektivbestand bei ca. 157’000 bleiben. Warum das so ist, wird nicht erklärt. Alle verfügbaren Parameter sprechen für ein weiteres Wachstum. Weshalb dies 2024 aufhören soll, kann weder aus den Alimentierungsberichten, noch aus der 100-seitigen Armeeauszählung 2022 nachvollzogen werden.
  • Betreffend die Entlassung der beiden zusätzlichen Jahrgänge rechnet das VBS mit je 12’000 Angehörigen, also insgesamt 24’000. Auch diese Zahl wird nirgends begründet. Letztes Jahr betraf der entlassene Jahrgang 7181 Angehörige, 2021 waren es deren 7997. Das VBS irechnet also mit durchschnittlich 5000 Abgänger*innen mehr als üblich , wenn es von 12’000 pro Jahrgang ausgeht.
Prognose des VBS für den Effektivbestand 2024-2028 (ca. 157’000)
Prognose des VBS für den Effektivbestand 2030, inkl. unbegründeter Differenz (orange)

Prognose mit Nachrechnen

Seit 2018 wuchs der Effektivbestand jährlich um durchschnittlich 4’123 Angehörige. Ein längerer Rückblick lohnt sich nicht, da seit 2018 die «Weiterentwicklung der Armee» in Kraft ist und die Armee zuvor einem anderen Modell folgte, welches ganz andere Bestandsvorgaben hatte. Dieses Wachstum ergab sich aus einem simplen Überschuss von Zugängen gegenüber Abgängen. Diese sind in den Armeeauszählungen 2022 und 2021 schön dargestellt. Für die vorherigen Jahre gibt es die Bilanz leider nicht in dieser Form, dürfte aber sehr ähnlich ausgesehen haben.

Nun müsste irgendwo beschrieben sein, weshalb das Wachstum sich ab 2024 einstellen soll. Denn alle Zeichen stehen so, dass sich das durchschnittliche Wachstum von 4000 Angehörigen jährlich auch die nächsten Jahre weiterzieht. Die Tauglichkeitsquote erreichte ab 2020 die 70% Marke und ist damit in den letzten Jahren so hoch wie seit 2004 nicht mehr. Auch die demografische Entwicklung mit den Anzahl Stellungspflichtigen deutet auf weiteres Wachstum hin. Nach diesen Parametern wäre eher noch mit einem stärkeren Wachstum als 4000 Angehörige im Jahr zu rechnen, während das VBS ohne Erklärung von gar keinem Wachstum ab 2024 mehr ausgeht. Da dies nicht begründet ist und alle Daten dafür sprechen, spielen wir das Ganze mit 4000 Soldat*innen Zuwachs im Jahr mal durch – was sogar eine eher konservative Berechnung ist. Der nachgewiesene Bestand 2022 beträgt rund 151’000. Bis 2029 wäre er nach diesem Wachstum bei 179’000 (7 Jahre x 4000 addiert). Ziehen wir nun die beiden Jahrgänge ab (-24’000), kommen wir auf 154’000 (Differenz orange dargestellt). Mit realistischeren und immer noch grosszügigen Prognosen mit einem Abzug von 10’000 pro Jahrgang statt 12’000, wären wir bei 159’000 (Differenz blau dargestellt). So oder so wäre die Armee auch 2030 nach wie vor widerrechtlich zu gross – und zwar deutlich. Selbst wenn die Armee nur halb so stark wachsen würde (+2000 jährlich), wäre mit den grosszügigen 24’000 Abgänger*innen gerechnet 2030 immer noch ein Effektivbestand von 141’000 vorhanden – nach wie vor über dem gesetzlichen Maximum.

Prognose des Effektivbestands 2029, mit jährlichem Wachstum von 4000 Angehörigen. Differenz zum VBS ist orange dargestellt: 157’000, 179’000
Prognose des Effektivbestands 2030, mit jährlichem Wachstum von 4000 Angehörigen, nach Abzug der beiden zusätzlich entlassenen Jahrgänge (12’000 Angehörige pro Jahrgang).
Differenz zum VBS ist orange dargestellt: 123’000, 154’000
Blau = Effektivbestand 2030, wenn pro entlassenem Jahrgang mit 10’000 Angehörigen gerechnet wird: 159’000

Die Antwort des VBS, wie man auf 123’000 Angehörige im Jahr 2030 kommt, ist, dass all diese Zahlungen Schwankungen unterliegen und man sich aufgrund der unbekannten Anzahl Abgänger*innen nicht sicher sein kann. Das stimmt ja sogar. Dennoch muss ein Modell vorhanden sein, nach dem man sich bei diesen Berechnungen richtet. Entweder gibt es das nicht, oder das VBS will dieses nicht veröffentlichen. Was auch immer der Grund ist, es bleibt nichts anderes übrig, als selbst zu rechnen. Wir haben gezeigt, dass mit dem Szenario des VBS (keinen Zuwachs mehr bei 157’000 Effektivbestand, Entlassung von 2x 12’000 Personen) 2030 der Effektivbestand mindestens 133’000 betragen müsste. Dies ist sehr unwahrscheinlich. Wir bleiben jedoch zweckshalber bei den Zahlen des VBS. Selbst wenn wir mit diesen Zahlen rechnen, kommen wir auf eine Differenz von 10’000 Angehörigen. Wir haben auch gezeigt, dass die Personalbilanz der Armee in den letzten Jahren stets positiv war. Mit den zusätzlich entlassenen Jahrgängen wird sich dies ändern. Um aber auf die vom VBS prognostizierten 123’000 zu kommen, müsste Folgendes geschehen:

  • Es gibt ab jetzt bis 2028 im Total keinen Zuwachs beim Effektivbestand (was es seit 2018 immer gab)
  • Es werden pro Jahrgang tatsächlich 12’000 Personen entlassen (2022 waren es weniger als 8000)
  • 2028 und 2029 springen je ca. 5000 Personen mehr (zusätzlich zu den üblichen jährlichen Abgängen) vorzeitig aus medizinischen Gründen oder in den Zivildienst ab. Die ordentlichen Entlassungen sind in dieser Berechnung bereits enthalten.

Für die ersten beiden Punkte haben wir dargelegt, weshalb diese unwahrscheinlich sind. Auch vom letzten Punkt ist nicht auszugehen. Seit dem WEA-Modell haben sich die Abgänge in den Zivildienst in der Grundausbildung zwischen 4% und 5% eingependelt, die Abgänge nach der RS zwischen 1% und 2%. Aufgrund der politisch geforderten Massnahmen zur Verschlechterung des Zivildienstes und den massiven Mitteln der Armee, die in die Anwerbung investiert werden, gibt es keinen Grund, beim Zivildienst von einem grossen Anstieg auszugehen. Bei Austritten aus medizinischen Gründen ist es schwierig, Prognosen anzustellen, jedoch sehen wir auch dort ziemlich klare konstante Werte über mehrere Jahre. Zudem haben wir ja bereits dargelegt, dass die Tauglichkeitsquote auf einem sehr hohen Niveau ist. Es lässt sich also schlicht nicht nachvollziehen, weshalb das VBS so pessimistisch rechnet.

Ergänzungen zur Aktualität

Kurz vor der Veröffentlichung dieses Beitrags erschien der Bericht des Bundesrats zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee. Das Thema der Alimentierung ist prominent vertreten. Jedoch fanden die dort enthaltenen Aspekte noch keinen Eingang in diesen Beitrag, dies wird hier nachgeholt.

Interessant ist, dass auch in diesem Bericht der widerrechtliche Überstand eigentlich nicht thematisiert wird. Weder der Überbestand noch die Widerrechtlichkeit finden explizite Erwähnung. Das VBS geht auch hier kommunikativ höchst intransparent vor. Zudem fehlt nach wie vor ein Eingeständnis, dass das VBS die gesetzliche Frist für den Überbestand verschlafen hat. Ohne das wirklich verständlich und klar und deutlich zu kommunizieren, werden aber trotzdem Massnahmen ergriffen: Die Entlassung der beiden zusätzlichen Jahrgänge, die 2028 und 2029 vorgenommen werden sollten, werden nun vorgezogen, wann genau ist unklar.
Wenn wir annehmen, dass diese Entlassung bereits 2024/25 vorgenommen wird, ändert dies die Situation, die Kernaussage unserer Analyse bleibt allerdings gleich. Denn dann würde der Bestand bis 2025 um maximal 24’000 Angehörige sinken – realistischer eher 20’000 oder 15’000 (siehe Ausführungen zu den Entlassungen weiter oben). Dies würde 2025 zu einem Effektivbestand von 127’000 (bzw. 131’000 oder136’000) Angehörigen führen, jedoch ohne Einrechnen des wahrscheinlichen Wachstums von 4’000 pro Jahr. Damit wäre der Effektivbestand bei 131’000 (bzw. 135’000 oder 140’000) und somit der illegale Überbestand korrigieren. Jedoch würde es auch so maximal 2-3 Jahre dauern, bis der Effektivbestand wieder über 140’000 Angehörigen liegen würde und damit wieder illegal wäre.


An den Ausführungen zum Wachstum ändert dieser Umstand nichts. Doch das wird auch im Bericht zur WEA verschwiegen. Wie oben ausgeführt, wies die Armee in der personellen Bilanz seit Einführung der WEA ein Wachstum von 4’000 Angehörigen aus und es gibt keine Anzeichen, dass sich dies ändern würde. Diese Anzeichen kann auch das VBS nicht nennen und ist in seinen Berechnungen unbegründet pessimistisch. Das zieht sich auch in diesem aktuellen Bericht weiter. Die Abgänge in den Zivildienst stellen für die Alimentierung der Armee ein grosses Problem dar, so das altbekannte Narrativ. Dass der Effektivbestand jährlich um 4’000 Personen wächst, wird gar nicht erst erwähnt. Diese Darstellung ist nicht nur unseriös, dadurch, dass im Bericht steht «Die Alimentierung bleibt auch nach Abschluss der WEA herausfordernd. Trotz der bereits ergriffenen und umgesetzten Massnahmen zur Verbesserung der Alimentierung blieben die Abgänge aus der Armee auf einem hohen Niveau.», muss die Schwarzmalerei des VBS als Propaganda bezeichnet werden.

Fazit

Das Fazit ist relativ einfach: Wenn die Armee nichts unternimmt, wird sie zu gross bleiben. Sie wird sich Gedanken machen müssen, wie der widerrechtliche Bestand über die nächsten Jahre zu rechtfertigen ist und sich ab 2030 überlegen, wie ein weiterer illegaler Überbestand zu verhindern ist. Die Armee hat weder jetzt noch in absehbarer Zeit ein Alimentierungsproblem. In Anbetracht dessen ist es höchst bedenklich, wie die aktuelle politische Debatte läuft. Der Zivildienst wird pausenlos torpediert und muss für ein inexistentes Alimentierungsproblem hinhalten. In all diesen Berechnungen ist noch gar nicht erwähnt, dass Viola Amherd sich hohe Ziele betreffend des Frauenanteils gesetzt hat. Wenn ihr das gelingt – schliesslich verdoppelte sich der  Frauenanteil seit ihrer Amtszeit – sind das weitere Zuwächse, die aktuell in keiner Berechnung berücksichtigt werden.

Viele dürften sich nun denken: «Es kann doch nicht sein, dass die Armee solche Zahlen einfach unbegründet verwendet». Aber genau das tut sie. Im VBS spricht man schon seit Jahren von einem “Alimentierungsproblem”, ohne dass dieses jemals mit erklärten und nachvollziehbaren Prognosen belegt worden wäre. Man macht das natürlich geschickt: In sämtlichen Dokumenten wie der Armeeauszählung oder den beiden Alimentierungsberichten werden die drohenden Unterbestände beklagt und mit einzelnen Prognosen unterlegt. Aber die Herleitung dieser Zahlen fehlt gänzlich. Die Armeeauszählung besteht aus hunderten von Tabellen und Zusammenzügen von Zahlen. Sehr viele dieser Tabellen sind für die Alimentierung irrelevant. Dennoch macht die Form den Anschein, dass dort sauber und exakt mathematisch gearbeitet wird. Das ist bei der Bestandesaufnahme auch sicherlich der Fall. Aber eine in der Einleitung versprochene Prognose fehlt in diesen hundert Seiten praktisch gänzlich.

Es ist schlichtweg beschämend, welch unsaubere Arbeit sich das VBS hier erlauben kann und dennoch grosse Ansprüche äussert. Keine andere Institution des Bundes könnte sich erlauben, solche unklaren Prognosen zu machen und dennoch eine massive Budgeterhöhung durch das Parlament zu erhalten und so grundlegende Veränderungen wie jene beim Dienstpflichtsystem in die Wege zu leiten. Nirgendwo sonst würde man ohne genaue Berechnungen, Angaben und Bedarfsausweise so viel gewähren lassen wie bei der Armee. Dies erklärt auch der schludrige Umgang mit Zahlen seitens VBS. Die Zahlen widersprechen sich teilweise in verschiedenen Dokumenten oder sind unübersichtlich dargestellt. Man ist auch stümperhaft mit der Verwendung der Begriffe «Armeebestand», «Sollbestand» und «Effektivbestand» umgegangen bzw. wird von befürchteten Abgängen gesprochen, ohne zu nennen, wo sich diese genau auswirken. So spricht die Armee von 10’000 bis 11’000 vorzeitigen Abgängen jährlich, ohne dabei zu erwähnen, dass dies auch Abgänger vor der RS beinhaltet, die aber gar nicht zum Effektivbestand zählen. Hinzu kommt, dass sämtliche Personen im Durchdienermodell nicht zum Effektivbestand zählen, obwohl diese Leute im Ernstfall ebenfalls aufgeboten werden können – und genau dieser Faktor ist ja die Grundlage für den Effektivbestand von 140’000 Angehörigen. Würde dies richtigerweise dazu zählen, hätte die Armee einen Effektivbestand von 175’633.

Aktueller Effektivbestand, wenn Angehörige im Durchdiener-Modell dazuzählen würden.

Alle diese Umstände machen es schwer, die Zahlen nachzuvollziehen. Genau das ist vermutlich auch Ziel des VBS. Übrigens haben wir die hier angestellten Berechnungen und Prognosen beim VBS deponiert und um eine Stellungnahme bzw. allfällige Korrekturen gebeten. Wir erhielten keine Antwort.

Dienstpflicht

Trotz all dem steht die Haltung des VBS. Die Armee wird ein Bestandsproblem haben und es braucht deshalb Massnahmen – drastische sogar. Eine Überarbeitung des gesamten Dienstpflichtsystems soll die Bestandsprobleme der Armee und im besten Fall auch des Zivilschutzes lösen. Von vier möglichen Varianten werden im VBS nun zwei weiterverfolgt.

Bei einer Variante handelt es sich um die «bedarfsorientierte Dienstpflicht». Hierbei würden künftig alle Bürger*innen der Schweiz dienstpflichtig. Jedoch würden nur so viele Personen rekrutiert, wie die Armee und Zivilschutz benötigen. Man erhofft sich also durch eine Vergrösserung des Pools, um für den Zwangsdienst genügend Leute zu finden. Es gibt noch zahlreiche Fragen zu klären. Zum einen stellt sich die Frage nach der ohnehin unsäglichen Wehrpflichtersatzabgabe. Müssen Personen, die keinen Dienst leisten dürfen, nun eine Ersatzabgabe zahlen? Auch wenn sie unter Umständen sogar Dienst leisten wollen, aber nicht auserwählt wurden? Solche Fragen werden in der genauen Ausarbeitung nun geklärt.

Das zweite Modell ist die sogenannte «Sicherheitsdienstpflicht». Dabei wären weiterhin nur die männlichen Staatsbürger verpflichtet Dienst zu leisten. Der Zivilschutz und der Zivildienst würden zum «Katastrophenschutz» zusammengelegt. Der zivile Ersatzdienst wäre demnach anders organisiert und er würde an Wahlfreiheit und Flexibilität einbüssen – genau jene Faktoren, die den Zivildienst so erfolgreich machen. Bei der Zuteilung der Dienstpflichtigen würde die Armee prioritär behandelt, um den Bestand zu sichern. Das Bestandsproblem des Zivilschutzes würde sich insofern lösen, als dass er in der heutigen Form verschwinden und in einer Neuorganisation gemeinsam mit Aufgaben des Zivildienstes aufgehen würde. Offen bleibt die Frage, ob dies überhaupt die angeblichen Alimentierungsprobleme der Armee lösen würde. Der Bestand wäre weiterhin von Faktoren wie den Übertritten in den  Katastrophenschutz oder dem Wegfallen aus medizinischen Gründen abhängig – aus Sicht des VBS die Hauptgründe des drohenden Unterbestands. Es gibt also keinen Anhaltspunkt, weshalb diese Variante das angebliche Problem lösen könnte. Ausserdem stellen sich wichtige rechtliche Fragen wie die Vereinbarkeit mit dem Zwangsarbeitsverbot oder der «Dienstgerechtigkeit». Da Leute im zivilen Ersatzdienst 1,5-mal länger Dienst leisten müssen, würde Person 1, die im Katastrophenschutz zugeteilt wird, deutlich weniger Diensttage leisten müssen, als Person 2, die aus Gewissensgründen dort ihren Dienst absolviert. Das wäre rechtlich mindestens heikel. Auch hier gilt, dass die genaue Ausgestaltung nun vorgenommen wird.

Exkurs zur Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst

So oder so ist die Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz eine sehr gefährliche Idee. Und doch konnte es der SiK-N nicht schnell genug gehen. Im März 2023 reichte sie eine Motion ein, welche – unabhängig von der Entwicklung des Dienstpflichtmodells – die sofortige Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst fordert. Die Begründung ist der Unterbestand im Zivilschutz. Auf die Thematik dieses Unterbestands, wurde zu Beginn dieses Beitrags eingegangen. Die Dynamik ist hier die gleiche, nämlich dass der Zivildienst als Sündenbock herhalten müsste, denn eine solche Fusion wäre eine massive Schwächung für den Zivildienst. Es gibt aber zahlreiche weitere Gründe, gegen diesen Vorstoss zu sein. Zuerst einmal wird diese Fusion ja ohnehin durch das VBS geprüft. Unabhängig davon, was man von diesem Vorschlag hält, ist es besser diese Prüfung und deren Ergebnisse abzuwarten, als mit Schnellschüssen solche Reorganisationen zu fordern. Hinzu kommt, dass das VBS mit der ebenfalls zu Beginn dieses Beitrags erwähnten Vernehmlassung bereits daran arbeitet, das Bestandsproblem im Zivilschutz zu lösen. Das wusste die SiK-N zum Zeitpunkt der Einreichung ganz genau. Dieser Vorstoss ist ein Reingrätschen der Kommission in die Arbeit des VBS. Und das sagt sogar der Bundesrat in der Stellungnahme selbst, der die Motion im Übrigen ablehnt. Dennoch ist festzuhalten, dass solche Schnellschusshandlungen von einer Kommission besorgniserregend sind. Die Motion zeugt davon, dass die Kommissionsmehrheit, welche diese Motion befürwortete, sich nicht im Klaren ist, was sie damit genau forderten. Und damit sind wir auch beimPunkt, weshalb eine Fusion sowohl jetzt als auch zu einem späteren Zeitpunkt eine schlechte Idee wäre.

Die beiden Institutionen erfüllen ganz andere Zwecke und folgen trotz ähnlicher Namen unterschiedliche Logiken und Strukturen. Während der Zivildienst täglich zugunsten des Wohlergehens der Gesellschafft unterstützt, bereitet der Zivilschutz auf Extremfälle und Katastrophen vor. Beide Organisationen erfüllen wichtige Aufgaben und ergänzen sich dabei sehr gut. Weiter ist der Zivildienst national organisiert. Dies ermöglicht eine flexible und liberale Handhabung der Einsätze, man kann quasi im ganzen Land Dienst leisten. Unter einer Fusion müsste der Zivildienst enorm leiden. Denn der Zivilschutz ist kantonal organisiert. Anders als Armee und Zivilschutz, kennt der Zivildienst keinen Sollbestand. Da der Zivilschutz alimentiert werden muss, hätte er zu jedem Zeitpunkt den Vorrang. Mit einer kantonalen Organisation des Katastrophenschutzes besteht die Gefahr, dass Zivildienstplätze zugunsten von Zivilschutzplätzen abgebaut werden. Deshalb haben sich Institutionen wie Schulen, Kitas oder Pflegeheime bereits besorgt zu Wort gemeldet. Den Aufgaben des Zivilschutzes würde höhere Priorität gegeben als Aufgaben im Zivildienstbereich. Ausserdem würde ein zentrales Element des Zivildienstes wegfallen, nämlich die liberale und eigenverantwortliche Organisation. Der Katastrophenschutz würde die Leute einteilen, viele heutige Einsatzbetriebe müssten auf ihre Zivis verzichten oder stets damit rechnen, dass ihre Zivis abgezogen werden. Der Zivildienst wäre künftig dem VBS unterstellt, welches den Zivildienst per se als Gefahr und Dorn im Auge sieht. 

Aus Sicht der GSoA taugen beide Varianten wenig. Die GSoA setzt sich seit ihrem Bestehen gegen den Zwangsdienst in der Armee ein. Folglich sind jegliche Änderungen, bei der mehr Leute davon betroffen wäre, abzulehnen. Auch aus gleichstellungstechnischer Sicht wäre es zudem fatal, Frauen für den Dienst aufzubieten. Solange die Gleichstellung nicht Tatsache ist und Frauen nach wie vor Care-Arbeit in milliardenhohem Wert verrichten, gibt es keine Rechtfertigung, sie in den Zwangsdienst einzubinden. Für die GSoA bedeutet eine echte Gleichstellung im Armeekontext, die Männer vom Zwangsdienst zu befreien. Ausserdem wehrt sich die GSoA entschieden gegen die Fusion von Zivilschutz und Zivildienst und damit gegen die faktische Abschaffung von Letzterem. 

Die Art und Weise, wie das VBS sich ein Alimentierungsproblem konstruiert und daraus Massnahmen gegen den Zivildienst und ein Umkrempeln des Dienstpflichtsystems rechtfertigt, ist schon skandalös genug. Alleine schon durch den Umstand, dass die Armee illegal zu gross ist und es bisher noch keine bekannte Massnahmen gäbe, diesen Umstand zu beheben. Gemäss den eigenen Prognosen des VBS hält der Illegale Bestand bis 2030 an, gemäss unseren Berechnungen wird er gar nicht unterschritten. Das VBS muss entweder in den nächsten Jahren Verbesserungen vornehmen, ansonsten lässt es sich nicht anders ableiten, als dass sich die Armee nicht an die Gesetze halten muss. 

Hinzu kommt, dass das VBS es auf allen Linien verpasst, sich selbst zu hinterfragen. Dabei wäre dies das Naheliegendste. Selbst wenn die Abgänge so problematisch wären, wie die Armee sie darstellt, fehlt eine Analyse, wieso es diese Abgänge denn gibt. Man könnte hier widersprechen und sagen, dass durch die Flexibilisierungsmassnahmen Anstrengungen da sind, um den Militärdienst mit dem Alltagsleben (Studium, Beruf, etc.) zu vereinbaren. Dies ist das selbsterklärte Ziel des VBS und es stimmt auch, dass dort Massnahmen ergriffen wurden. Jedoch reicht es nicht, Rekruten und Soldaten zwei Jokertage und ein paar wenige Male frühere Abtreten zu ermöglichen. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind ein Witz, verglichen mit der Zeit, die einem durch das Militär geraubt wird. Durch die Soldatenberatung der GSoA erhalten wir zahlreiche Rückmeldungen von Angehörigen, wie den jungen Menschen Steine in den Weg gelegt werden. Dies reicht von verpassten, einmaligen Forschungsreisen bis zu verhinderten Sportkarrieren. Rekruten und Soldaten sitzen im Dienst stundenlang rum oder müssen Alibiaufgaben zur Selbstbeschäftigung erledigen. Kann man da den Leuten wirklich einen Vorwurf machen, wenn sie daraufhin in den Zivildienst wechseln oder sich so arrangieren, dass sie ihre Zeit sinnvoller nutzen können? Solche grundlegenden Überlegungen wären die erste logische Massnahme bei der Armee, diese werden aber nicht gemacht. Dieser Gedanke führt unweigerlich dazu, den Soll- und Effektivbestand der Armee von 100’000 bzw. 140’000 Angehörigen ebenfalls zu hinterfragen. Diese Zahlen sind gesetzt und es wurde niemals je davon gesprochen, ob man die Armee dementsprechend umbauen könnte, dass man mit weniger Angehörigen die wesentlichen Aufgaben erfüllen könnte. Stattdessen gelten diese Zahlen als fix und müssen um alles in der Welt erreicht werden. Warum das so ist, wird nirgends ausgeführt. Der Bestand wird nicht erklärt oder gerechtfertigt, weshalb er so hoch sein muss. Das VBS schreibt einzig, dass die Armee bei einem Bestand unter 140’000 ihre Kompetenzen nicht mehr wahrnehmen könne. Dies wird aber weder erläutert noch bewiesen, sondern einfach für bare Münze genommen. Auch hier müsste jede andere Institution für solche Änderungen dies ganz klar aufzeigen können, weshalb das so ist. Für die Armee gilt das nicht. Und gleichzeitig kennen alle die Erzählungen aus dem Militär, wo stundenlang gewartet und gesessen wird. Das kann es doch nicht sein. Hier muss man wieder einmal ergänzen, dass die Schweiz eines der grössten Heere Europas pro Kopf hat, ebenso eine der teuersten Armeen pro Kopf. Doch anstatt, dass man grundlegend ansetzt, will das VBS mit mehr Zwang seine willkürlich vorgegebenen Bestände sichern. 

Die GSoA hätte eine ganz klare Lösung, um dieses «Problem» zu lösen: Die Armee auf ihre wesentlichen Funktionen reduzieren, den Sollbestand senken und die Wehrpflicht abschaffen. Oder noch besser: Die Armee abschaffen.

Zivildienst

Zum Schluss wollen wir es nicht unterlassen, kurz ein paar Worte zum Zivildienst zu verlieren. Der Zivildienst wird schon länger immer als Problemstifter und Sündenbock für Probleme in der Armee hingestellt. Im Gegensatz zum Zivilschutz und der Armee wird er in den Alimentierungsberichten mit keinem Wort gewürdigt. Dabei leisten Zivis jeden Tag so wichtige Arbeit auf alltäglicher Ebene. Aber auch bei der Bewältigung der Covid-Pandemie oder der Unterbringung ukrainischer Flüchtenden war der Zivildienst unverzichtbar.

Weil es beim Zivildienst nicht so etwas wie einen Sollbestand gibt – weil er offenbar als zu irrelevant dafür wahrgenommen wird – lag und liegt es an den Einsatzbetrieben, die Bedeutung des Zivildienstes hervorzuheben und seine Existenz zu rechtfertigen und verteidigen. Vom VBS hört man nichts in diese Richtung. Bei der erwähnten Vernehmlassung, nach der Zivildienstleistende für den Zivilschutz aufgeboten werden können sollen, meldeten sich einige zu Wort. Ein kürzlich erschienenes Bundesgerichtsurteil besagt, dass Zivildienstleistende, welche aus dem Durchdienermodell in den Zivildienst wechselten, eine Reduktion der zu leistenden Diensttage zu Gute haben. Auch da meldeten sich Einsatzbetriebe, weil sie auf den Zivildienst angewiesen sind und sich vor Unterbesetzungen fürchten. Man stelle sich vor was passiert, wenn die erneuten Massnahmen für die Verschlechterung des Zivildienstes kommen oder wenn er mit dem Zivilschutz fusioniert. Wir hätten dann weiterhin genügend Soldaten und Rekruten, die rumsitzen, jedoch hätten Schulen und Gesundheitseinrichtungen ein noch grösseres Problem. Dagegen wird sich die GSoA mit voller Kraft und mit allen Mitteln wehren.

Verwendete Dokumente und Links 

Armeeauszählung 2021

Armeeauszählung 2022

Artikel Republik «Die Schweizer Armee ist grösser als erlaubt»

Bericht des Bundesrats zur Umsetzung der Weiterentwicklung der Armee

Berichte des Bundesrates zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz (Teil 1 und 2)

Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung

Interpellation von Marionna Schlatter (Nationalrätin Grüne)

Interpellation von Priska Seiler Graf (Nationalrätin SP)

Interpellation von Franziska Roth (Nationalrätin SP)

Verordnung der Bundesversammlung über die Organisation der Armee

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