«Es leiden immer die schwächsten Per – sonen». Diese Analyse von Verteidigungsminister Guy Parmelin ist je nach Kontext richtig. Nur, Parmelin wirbt damit für den Kauf von Kampfjets. Willkommen in Absurdistan. Von Martin Parpan
Es war eine schmerzliche Niederlage für die Waffenlobby und die Militaristen, als die Mehrheit der Bevölkerung vor gut vier Jahren den Gripen abstürzen liess. Es war eingetroffen, was sie für unmöglich oder zumindest für sehr unwahrscheinlich gehalten hatten. Zweifellos hatte Ueli Maurer im seinerzeitigen Abstimmungskampf so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte, und somit mitgeholfen, den Gripen vom Himmel zu holen. Er agierte konzeptlos und launisch und es wurde deutlich, dass ihm, als es brenzlig wurde, ganz einfach das Format fehlte, um das Steuer in seine Richtung herum zu reissen. Umso deutlicher dürften in den kommenden Kampfjet-Diskussionen die Augen auf seinen Nachfolger, Guy Parmelin, gerichtet sein. Allerdings wirkt auch er meist etwas verloren, nicht sehr charismatisch und macht oft einen etwas biederen Eindruck. Klar ist für Parmelin, dass eine erneute Ablehnung der Fliegerbeschaffung für ihn und das VBS das totale Desaster wäre. Schliesslich hatte man schon beim Gripen gewarnt, dass ein Nein die Schweiz zu einem «Haus ohne Dach» macht. Die Armee wäre verteidigungsunfähig, das Volk entsprechend verunsichert, die Luftpolizei am Ende und die Wirtschaft am Boden. Eingetroffen ist – welch Überraschung – nichts von alldem. Trotzdem werden Militärvertreter auch dieses Mal versuchen, der Bevölkerung weis zu machen, dass die Kampfjets eine existenzielle Frage für uns alle sind. Guy Parmelin hat in einem Interview im vergangenen Jahr bereits den Auftakt zur «Allesoder- Nichts-Debatte» gemacht. Er stellte dafür folgenden Dreisatz auf: Wenn die Schweiz keine Kampfjets beschafft, dann haben wir eine Sicherheitslücke. Ohne Sicherheit wird die Wirtschaft gebremst. Ohne funktionierende Wirtschaft können wir die Sozialleistungen nicht mehr finanzieren. Dieser Dreisatz ist – mit Verlaub Herr Parmelin – in etwa auf Primarschulniveau.
Wirtschaftsfeindliche Investition
Fakt ist, dass Investitionen in Kampfjets und Rüstungsgesch.fte volkswirtschaftlich generell praktisch wertlos sind. Im Gegenteil: an Rüstungsgesch.ften verdienen wenige Menschen sehr viel und viele Menschen bezahlen dafür. Nachweislich funktionieren auch die sogenannten Kompensationsgeschäfte nicht, mit welchen die Rüstungslobby die Stimmbevölkerung jeweils zu ködern versucht. Klar ist aber, dass die Milliardeninvestitionen an anderen Orten fehlen. Innovation, Bildung, Altersvorsorge, Energieeffizienz etc. leiden darunter. Wenn ein Startup-Unternehmen heute gefragt wird, weshalb es in der Schweiz investiere, dann sagt es mit bestimmter Sicherheit nicht, dass es dies tut, weil die Schweiz eine hochgerüstete Armee besitze. Entscheidend sind politische Stabilität, wirtschaftliche Rah – men bedingungen, Infrastruktur, Lebensqualität und der Ausbildungsstand von ArbeitnehmerInnen. Würde man mit dem Dreisatz von Parmelin argumentieren, so müsste dieser bedeuten, dass die sinnlose Verschwendung von Volksvermögen nachhaltige Investitionen erschwert und somit den Sozialstaat tatsächlich gefährdet. Dann leiden, in den Worten des Verteidigungsministers, durchaus die «schwächsten Personen».
Im besagten Interview hat Parmelin immerhin eine Aussage gemacht, die dem Faktencheck standhält. «Das Geld fällt schliesslich nicht vom Himmel», war seine erhellende Erkenntnis. Leider hat Parmelin diese Aussage aber nicht auf den Kampfjet bezogen, sondern auf das Thema Vaterschaftsurlaub. Bei Parmelins Argumentation hat man oft den Eindruck, dass er zuerst die Schlussfolgerungen definiert, und dann krampfhaft versucht, den Kampfjet in der Argumentationskette positiv einzuflechten. Das klappt dann meist nicht richtig und führt zu weitgehend sinnfreien Aussagen. Willkommen in Absurdistan.