Syrien und die Schweiz

Nach dem Sturz einer der blutigsten Tyranneien der letzten Jahrzehnte ist die Schweiz gegenüber Syrien besonders zur Solidarität verpflichtet.

Kurz nach dem Ende der Assad-Diktatur äusserte der freisinnige Aussenminister Ignazio Cassis die Befürchtung, das neue Regime könnte noch schlimmer werden. Diese Aussage ist doppelt fragwürdig. Erstens ist härtere Repression als die Synergie von irrationalem Despotismus und rationaler Stasi-Systematik, wie sie die syrische Clan-Tyrannei praktizierte, schwer vorstellbar. So liess diese laut Amnesty International zwischen September 2011 und Dezember 2012, also während des Höhepunkts des Volksaufstandes, gegen 13‘000 Menschen, grossmehrheitlich zivile Aktivist*innen, erhängen. Von aussergewöhnlicher Brutalität gegen die eigene Zivilbevölkerung  zeugten auch die Giftgaseinsätze wie die in Khan Shaykun (Provinz Idlib). Die unter Schweizer Beteiligung gemachte Untersuchung konnte nachweisen, dass Assads Luftwaffe am 4. April 2017 das Nervengas Sarin freigesetzt hatte. Danach hatten russische Kampfflugzeuge das örtliche Spital bombardiert, wahrscheinlich um Beweise zu zerstören. 

Freisinniges Powerplay für Putin und Assad

Damit wären wir beim zweiten Grund, warum Cassis‘ Bemerkung daneben ist. Die russische Luftwaffe, die zwischen 2015 bis 2021 über 20‘000 Syrer*innen umbrachte, flog mit Triebwerken, die auch mit Schweizer Spezialmaschinen hergestellt worden waren. Die Chronologie der helvetischen Komplizenschaft ist höchst skandalös: Am 30. September 2015 beschloss Russland, in Syrien einen Luftkrieg zu führen, um die Assad-Tyrannei zu retten. Am 16. Dezember 2015 reichte die FDP-Ständerätin Karin Keller Suter eine Interpellation zur Lockerung der Bewilligungspraxis für Dual-Use-Güter gegenüber Russland ein. Am 10. März 2016 desavouierte der FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann die restriktive Praxis des Seco mit der Aussage: „Und es darf keine ideologischen Prüfkriterien geben“. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hatte nach der Krim-Annexion im März 2014 die richtige Haltung vertreten, dass zivil-militärische Spezialmaschinen für Russland vor allem dem Krieg dienen. 

„Christliche“ und „linke“ Komplizenschaften

Auch bei anderen Reaktionen auf den Sturz des Assad-Regimes fällt auf, dass jene Kreise, die gegenüber der Diktatur besonders zuvorkommend gewesen sind, vor der neuen islamistischen Regierung besonders deutlich warnen. Dieselben, die sich zuvor gehütet haben, die Tyrannei terroristisch zu nennen, weisen nun darauf hin, dass der Aufstandsführer Ahmad al-Sharaa und seine HTS-Bewegung bei westlichen und östlichen Regierungen als „Terroristen“ gelten. Einerseits handelt es sich um „christliche“ Kreise, die mit assadtreuen Christen engen Kontakt unterhalten und in schweizerischen Kirchgemeinden Propaganda-Veranstaltungen für den Despoten durchgeführt haben. Andererseits haben sich „linke“ Kreise für das „antiimperialistische“ Syrien stark gemacht. So widmete die PdA-Jugend praktisch ihr ganzes Organ „Njet“ Ende 2012 der GSoA, weil sich diese mit den Assad-Opfern solidarisierte. So wurde eine Mahnwache, die die GSoA in Bern organisiert hatte, als „grauenhafter PR-Anlass“ ganz im Sinne der „Kriegsminister Europas und Amerikas“ bezeichnet. Eine bedenkliche Rolle spielt auch das im Blockdenken gefangene Online-Magazin Infosperber, das während der langen Zeit der Assad-Tyrannei mit auffällig unkritischen Texten und seit deren Ende mit besonders kritischen Texten gegenüber der syrischen Gegenwart auffällt. 

Solidarität mit dem syrischen Volk

In ihrem Vorstoss „Dual-Use-Güter aus der Schweiz für Putins Luftkrieg in Syrien“ (9.12.24) stellte die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt fest, dass die Schweiz besonders in der Pflicht steht, Syrien massive Hilfe für den Wiederaufbau zu leisten. In einer Medienmitteilung forderte die GSoA von der Schweiz zusätzlich, sich für den Schutz der Zivilbevölkerung, die Achtung der Minderheitenrechte und den demokratischen Aufbau einzusetzen. Und sich im Rahmen der UNO für das demokratische Selbstbestimmungsrecht und gegen die militärischen Interventionen zu engagieren.

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