Tatort Einsiedeln

Die militärische ‹Intelligenzija› kennt ihren Feind von heute, wie tolle und originelle Übungsszenarien zeigen…

Wieder einmal kam ich in den Genuss, die bemerkenswerten Führungsleistungen unserer Armee hautnah zu erfahren Der Tatort war Einsiedeln. Alles überragend thronte das Kloster über dem Städtchen. In dem Gewimmel von PilgerInnen erspähte mensch ab und zu grün-braun gekleidete Leute. Diese Sonderlinge, zu denen auch ich gehörte, waren Teil eines Militärspitals.

Nachdem in der ersten Woche sich die psychische und physische Belastung sehr in Grenzen hielt, wurde in der zweiten Woche vor allem eines hart trainiert: warten. Aber alles konzentrierte sich schliesslich auf die «Übung», die in der letzten Woche einen fulminanten Abschluss bilden sollte.

In dieser Übung konnten wir umfassend anwenden, was wir uns in den zwei Wochen zuvor angeeignet hatten: die Kunst des Verharrens an einem Ort – kurz: warten. Einzig das Übungsszenario, das irgendwelche Offiziere ausgeknobelt hatten, war interessant. Da war die Rede von vielen Leuten, die in die Schweiz strömten. Aha, es sind wohl Flüchtlinge gemeint. Diese Flüchtlinge kamen vom «Süden». Um das ganze realistischer zu gestalten, wurde angenommen, dass einige dieser vom Süden kommenden Menschen irgendwelche Anschläge in den Städten des Mittellandes verüben wollen. Und damit es noch realistischer wird, wurde verordnet, dass die ganze Zentralschweiz unter Wasser steht. Auf den Manöverkarten sah das auf alle Fälle sehr imposant aus…

Der Feind ist bekannt

Ich kann mich nur fragen: Welche Menschen denken sich so etwas aus? Welche Bilder haben denn diese Leute im Kopf? Es wird am neuen Feind rumgebastelt. Und der neue Feind sind Menschen, die aus Verzweiflung ihre Sachen packen. Und wie selbstverständlich nimmt unsere militärische ‹Intelligenzija› an, dass viele dieser ‹Gestalten› kriminell sind und einfach so in die Schweiz kommen, um Bomben zu legen. Es wird das Bild vermittelt, wir müssten uns gegen Flüchtlinge verteidigen, weil sie eine Gefahr darstellten. Diese Umkehr aller menschlichen Vernunft zeigt die Ignoranz des Militärkaders vor den realen Problemen und Herausforderungen, die wir haben. Solche Übungsszenarien sind Ausdruck einer Gesinnung, die alles zu Feind erhebt, damit man schliesslich irgendeinen Feind hat.

Eines Abends ‹verschoben› wir uns zu einem Bier. Wir wurden von zwei jungen Einheimischen angesprochen. Sie fragten, welchen Rang wir hätten und ob es interessant sei hier im «Dienst». Nach einigen ausgetauschten Nettigkeiten wurden wir gefragt, ob wir die rechte Szene kennen. Mein Kollege erwiderte «Nein, ich bin Türke», womit dann die Diskussion abrupt beendet war.

Ich dachte mir, jener Jüngling wird dereinst auch irgendwelche irrwitzigen Szenarios «üben» wollen. Geben wir ihm dazu keine Gelegenheit und schaffen die Armee ab!