Kollateralschaden Menschenrechte: 10 Jahre Irakkrieg

Am 20. März vor zehn Jahren begann der zweite Irakkrieg. Nach der Vorstellung von George W. Bush und seinen Beratern sollte dem mittleren Osten die Demokratie mit dem Schwert gebracht werden. Nach absurden Planspielen glaubten die Generäle in den USA ernsthaft, sie würden im Irak mit Blumen empfangen werden. Als unmittelbaren Kriegsgrund zogen die Kriegstreiber obskure Geheimdienst-Berichte über Massenvernichtungswaffen heran: Massenvernichtungswaffen wurden aber bis heute im Irak keine gefunden. Mehr als 100’000 Menschen mussten für die absurden Vorstellungen der Neocons in den USA mit dem Leben bezahlen. Im Irak geht das Sterben bis heute weiter. Unter anderem gibt es verstörende Berichte über die grässlichen Folgen des Einsatzes von Uranmunition. Stellenweise soll jedes fünfte Kind missgebildet zur Welt kommen. In den USA fehlen hunderte Milliarden Dollar, die damals wie heute weit sinnvoller hätten ausgegeben werden könnten. Auch in den USA geht das Sterben weiter: Zahlreiche Veteranen nehmen sich jeden Tag aufgrund von posttraumatischen Störungen das Leben. Hunderttausende Menschen im Irak und in den USA sowie in den verbündeten Staaten haben Angehörige und Freunde durch diesen Krieg verloren. Zehntausende wurden verletzt und sind für den Rest ihres Lebens behindert.

Der Irakkrieg gab dem ohnehin ramponierten Image der USA auch in bürgerlichen Kreisen definitiv den Rest. Die USA werden heute nicht mehr als „Befreier“ (wie nach dem 2. Weltkrieg) oder gar als „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ wahrgenommen, sondern als Land der schmutzigen politischen Hinterzimmerdeals. Menschenrechte und Völkerrecht werden in diesen Deals im besseren Fall als Kollateralschäden in Betracht gezogen, im schlechteren Fall als blosses. Guantanamo und Abu Ghuraib haben die USA in düstere Zeiten zurückgeworfen. George W. Bush hat nach eigenen Angaben persönlich die Folterung eines Verdächtigen angeordnet. Erst in diesem Monat kam heraus, dass die Bush-Administration sogar wahre Experten im Brechen von Menschenrechten im Irak auf die Bevölkerung losliess: James Steele ist seit den achtziger Jahren und seiner Tätigkeit in El Salvador berüchtigt. Seine Umtriebe im Irak sollen zum Ausbruch des Bürgerkrieges im Irak beigetragen haben, weil er gezielt die Schiiten gegen die Sunniten aufhetzte. Zusammen mit seinem Mitarbeiter James H. Coffman soll er ein eigentliches Folternetzwerk im Irak aufgebaut haben.

All diese Verbrechen konnten nichts an der Tatsache ändern, dass der Energiehunger der USA immer noch viel zu gross ist und dass dieser immer noch über den Abbau von Ölreserven gestillt wird. Dieser Abbau erfolgt entweder in Ländern, die auch ohne Kriege eine misserable Menschenrechtsbilanz aufweisen oder dann in schützenswerten Gebieten wie der Antarktis oder unter zu hohen technischem Risiko wie im Golf von Mexiko. Ein Umdenken setzt leider erst in diesen Tagen ein. Die Milliarden, die für den Irakkrieg vergeudet wurden, stehen aber nicht mehr zur Verfügung. 

Profitiert vom Krieg hat einmal mehr die Rüstungsindustrie. Auch die Schweizer Waffenfirmen haben Hunderte Millionen mit Teilen von Waffen für den Irakkrieg verdient. Mit dem Irakfeldzug setzte auch die Privatisierung des Krieges ein: Die USA gaben und geben Milliarden aus, um bei Privatfirmen Kriegsdienste einzukaufen. Eine dieser Firmen, AEGIS, hat ihren Sitz bis heute in der Schweiz. Der Bundesrat kann sich leider nicht dazu durchringen, ein Gesetz vorzuschlagen, dass der verwerflichen Tätigkeit dieser Firma endlich einen Riegel schieben würde.

Schriftsteller haben den 20. März zum Tag der politischen Lüge erklärt. Auch in der Schweiz war die Empörung damals gross. Der Irakkrieg hat zu einer deutlichen Stärkung der Friedensbewegung geführt. Die GSoA organisierte zahlreiche Demonstrationen mit und koordinierte unzählige Aktionen. Wir haben Zehntausende Pace-Fahnen unter die Leute gebracht, und auch heute noch werden sie regelmässig bestellt.

In der Schweiz führte der Krieg im Irak und der “Krieg gegen den Terror” auch zu einer erneuten Diskussion über Waffenexporte. Schweizer Firmen wie die damalige Mowag, heute Teil des General Dynamics-Konzerns, machen immer noch Geschäfte mit dem Tod. Mehrere Europäische Länder rüsteten sich für die Kriege in Afghanistan und im Irak mit Panzern aus Kreuzlingen aus. Die Rüstungslobby war sich nicht zu schade, diese tödlichen Geschäfte mit dem Erhalt von wenigen Arbeitsplätzen zu rechtfertigen. Ein paar Stahlhelm-Organisationen fantasierten ernsthaft über die Wichtigkeit einer “wehrtechnischen Industrie” für den Ernstfall. Gegen die Millionen der Rüstungslobby hatte die GSoA-Initiative „Ja zum Verbot von Kriegsmaterialexporten“ wenig Chancen und wurde am 29. November 2009 abgelehnt. Immerhin: Im Juni 2012 gab die Mowag einen Abbau von 270 Stellen bekannt, die Firma wurde damit um einen Drittel verkleinert. Die GSoA hatte der Mowag schon im Abstimmungskampf vorgeschlagen, wieder auf zivile Produkte wie Krankenwagen und Feuerwehrfahrzeuge zu setzen – denn es war absehbar, dass der Waffenboom, den der Irakkrieg auslöste, nicht ewig anhalten würde. Die Rüstungslobby wies unsere Vorschläge empört zurück. Doch auch die Gewerkschaft Unia warf dem Mowag-Management vor, nicht rechtzeitig auf veränderte Rahmenbedingungen reagiert zu haben und zu lange auf veraltete Technologien gesetzt zu haben.

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