Waffen für den Frieden?

Zwar waren die Meinungen kontrovers, die Diskussion am GSoA-Seminar verlief jedoch sehr konstruktiv. Die Schweiz braucht keine Armee – aber braucht die Welt eventuell Schweizer Blauhelme? Diese Frage beantwortet der Initiativentwurf für ‹Sicherheit statt Verteidigung› verhalten positiv. Viele GSoAtInnen protestierten, rund 30 Personen nahmen an der Diskussion in Bern teil. Marco Tackenberg und Paolo Gilardi stellten dort die kontroversen Positionen vor.

Welche Antwort geben wir auf Völkermord, wenn friedliche Konfliktlösung versagt hat? So klar stellte Marco Tackenberg die Frage, deren Antwort der Punkt 4 im Initiativ-Entwurf für eine Schweiz ohne Armee ist: Auch nach einer Armeeabschaffung soll die Schweiz die Möglichkeit haben, maximal 800 Blauhelme auszubilden und einzusetzen. Seine Position bezeichnet Marco als anti-fundamentalistisch; er wolle nicht so tun, als wüsste er auf alle künftigen Ereignisse schon die richtige Antwort. Will man einen Wirtschaftsboykott gegen ein Land durchziehen, so braucht es Leute, welche die Grenzen sichern, gab er zu bedenken. Schickt man einen Hilfskonvoi durch ein Konfliktgebiet, müssen die humanitären HelferInnen unter Umständen geschützt werden.

Friedens-Arten

Wir können den Institutionen, die über Einsätze von Blauhelmen entscheiden, nicht vertrauen, erwiderte Paolo Gilardi. Sie vertreten Interessen, die nicht unsere sind, nämlich diejenigen der fünf Nuklear-Supermächte, die den Sicherheitsrat bilden. Die Frage ist, welche Arten der Konfliktbewältigung wir als FriedensaktivistInnen fördern wollen. Ausserdem müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Entstehung von Konflikten legen, denn diese tauchen ja nicht plötzlich auf, sondern sind beispielsweise die Folge der ökonomischen Umverteilung. Wir dürfen uns nicht auf die ultima ratio der Blauhelme verlassen, sondern müssen von Anfang an Alternativen vorschlagen.

Taktische Manöver?

Er habe keine Lust, mit den ArmeebefürworterInnen nur um die Frage «Und was schlagt ihr für Bosnien vor?» zu diskutieren, meinte ein Teilnehmer. Er wolle darauf verweisen können, dass die Initiative den Einsatz von Blauhelmen nicht verhindere. Vor solchen taktischen Manövern warnten andere. Menschen würden nur dann auf die Strasse gehen und Unterschriften sammeln, wenn sie von der Initiative überzeugt seien; ebenso sei es wichtiger, dass wir restlos von unserem Projekt überzeugt seien, als auf ein paar Abstimmungsprozente mehr zu spekulieren. Ausserdem müssten wir nicht den Anspruch haben, mit einer Volksinitiative in der Schweiz alle Probleme der Welt lösen zu können. Und überhaupt: Diese 800 Blauhelme würden einen Rattenschwanz von militärischer Infrastruktur nach sich ziehen. Schliesslich müssten sie rekrutiert, ausgebildet und in Schwung gehalten werden. Und wenn das wirklich neue in einer Abschaffungsinitiative die Duldung von Blauhelmen sei, dann werde die Diskussion völlig unnötig darauf fokussiert.

Gerechtigkeit vor Gewalt

Wenn wir aber eine internationale Rechtsordnung mit einer reformierten Uno als Legislative anstrebten, so wurde eingewandt, so müssten wir uns die Frage gefallen lassen, welches ihre Exekutive sein solle. Doch eine supranationale Institution, die mit demokratischer Legitimation den Willen der Völker ausdrückt, gibt es noch nicht – darüber waren sich alle einig. Unser Vorschlag sollte eine Alternative zur herrschenden militärischen Sicherheitspolitik sein: Sie soll Konflikte mit der Anwendung von Gerechtigkeit und nicht mit der Androhung von Gewalt bearbeiten. Ein Teilnehmer schlug als Kompromiss vor, der Schweiz zu erlauben, sich künftig subsidiär an Einsätzen einer internationalen Polizei zu beteiligen, sofern dieser Einsatz sich nach dem Völkerrecht und den Menschenrechten richte.

Gemeinsamkeit grösser als Differenzen

An der Diskussionsveranstaltung in Bern wurden aber nicht nur die Differenzen, sondern auch gemeinsame Einschätzungen deutlich: Die Forderung nach der Abschaffung des bewaffneten Alleingangs der Schweiz und die Diskussion um begrenzte bewaffnete Interventionsmöglichkeiten sind zwei verschiedene thematische Bereiche, die wir auseinanderhalten müssen. Auf die Frage, wann allenfalls auch der bewaffnete Schutz von Menschenrechten gerechtfertigt ist, gibt es keine einfache und pauschale Antwort. Voraussetzungen für diese Diskussion wären aber supranationale und demokratisch legitimierte Entscheidungsgremien, die nicht nationalen Interessen verpflichtet sind. Diese Gremien fehlen heute. Die GSoA soll also bereit sein, die Diskussion um bewaffnete Komponenten einer internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik zu führen, sie soll aber keinesfalls einen militärischen Beitrag der Schweiz aktiv fordern.
Unterdessen ist die Diskussion weitergegangen. Der Punkt 4 in der ersten Initiative wurde überarbeitet. Die Veranstaltung am 14. September hat wesentlich zu einer Klärung beigetragen. Die Entscheidung darüber liegt natürlich bei der Vollversammlung vom 24. November in Bern.

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