Wer entscheidet, wann die Würfel fallen?

Christian Dussey, der Chef des Nachrichtendienst des Bundes NDB, stellt in mehreren Artikeln der Neuen Zürcher Zeitung die Behauptung auf, dass der hybride Krieg für seine Verwaltungseinheit die «tägliche Realität» sei. Doch was heisst das? Kann man einen hybriden Krieg mit Panzern gewinnen?

3 Jahre nach Kriegsbeginn leidet die ukrainische Bevölkerung tagein, tagaus unter den unmenschlichen Bedingungen der Invasion Russlands. Und noch immer hält sich die Rationalität der rechten Kräfte im Bundesparlament diesbezüglich in Grenzen. Die Köpfe, welche seit Tag eins des russischen Einfalls fordern, dass das Armeebudget innert kürzester Frist praktisch verdoppelt wird – und noch immer keine langfristige Finanzierungslösung gefunden haben –, sind dieselben, die nun versuchen, die Bevölkerung und flexible Linke mit fadenscheinigen Solidaritätsargumenten von einer Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes zu bezirzen. Enttäuschend, aber nicht überraschend daran ist, dass rechtsbürgerliche Kreise durch diese Rauchpetarden den Fokus weg von den wirklich drängenden Problemen verschieben. Wenn es um unsere Sicherheit geht, dann gibt es aktuell einen wesentlich zentraleren Raum: den Hybriden. Und hier helfen weder Kampfflugzeuge noch milliardenschwere «Hilfspakete» für die Armee.

«Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat ein neuer Zyklus begonnen für die Nachrichten- und Sicherheitsdienste. Seit zwei Jahren befinden wir uns in einem hybriden Krieg, von dem auch die Schweiz betroffen ist.»

So äussert sich Christian Dussey, der nebulöse Chef des Nachrichtendienstes, mehrfach in der Neuen Zürcher Zeitung. Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert die hybride Kriegsführung als «eine Kombination regulärer und irregulärer politischer, wirtschaftlicher, medialer, subversiver, geheimdienstlicher, cybertechnischer und militärischer Kampfformen.» Diese dienen dem Zweck, die rechtlichen, ethischen und rationalen Grenzen zwischen Krieg und Frieden zu verwischen. So versuchen hybride Kriegstreiber*innen beispielsweise mit all ihren Mitteln, die Massen davon zu überzeugen, dass Kriegshandlungen gerechtfertigt sind oder gar nicht erst stattfinden. Selbst in der Schweizer Medien- und Politlandschaft finden sich Stimmen, die versuchen, Täter zu Opfer zu machen oder die Verbreitung von Fake-News nicht den Schuldigen, sondern den politisch Ungenehmen in die Schuhe zu schieben – wer dem Hauptredner der Albisgüetli Tagung zugehört hat (Stichwort Roger Köppel), weiss wovon ich schreibe.

Dass die rechten Kriegsfans in den Rängen unseres Parlaments nun ihr absurdes Militärpäckli mit «Cybersicherheit» und «gesellschaftlicher Resilienz» rechtfertigen wollen, ist lachhaft. Schaut man nämlich die Zahlen genauer an, so stellt man fest, dass das Bundesamt für Cybersicherheit 0% des VBS-Budgets ausmacht, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz ca. 3%. Die Unsicherheitspolitiker*innen entgegnen, dass die Gelder für die Gruppe Verteidigung und die armasuisse ebenfalls in den Schutz des Cyberraums und die Stärkung der Resilienz in der Bevölkerung investiert werden. Lügen wir uns jedoch nicht selbst an: Während IT-, Kampfjet- und Drohnen-Projekte ungebremst in eine Wand gefahren werden, wird in den nächsten Jahren in ebendiese Projekte noch mehr Geld gestopft. Panzer, Mörser und F-35A Kampfjets werden uns nicht vor Roger Köppel schützen, der auf dem Albisgüetli behauptet, die grösste Gefahr für Unwahrheiten sei im Bundeshaus, während er gleichzeitig Putin und seine Freunde bei jeder Gelegenheit in Schutz nimmt.
Zu Beginn des Jahres ging ein Ruck durch die Gesellschaft: Der Kniefall des Meta-Chefs Zuckerberg vor Donald Trump erschütterte viele. In voreilendem Gehorsam schafft Zuck die sogenannten Fact Checkers auf seinen Plattformen ab. Was die Konsequenzen davon sind, hat Elon Musk mit Twitter gezeigt: Einzelne Accounts und Hashtags werden zu Echokammern, hetzerische Beiträge erhalten eine nie dagewesene Plattform, Hörensagen wird zu Faktenwissen – und zwar bis zum Punkt, an dem der reichste Mensch der Welt mit einem Dutzend Tweets fast eine Regierungskrise in Grossbritannien auslösen kann. In einer Zeit, in welcher es mittels künstlicher Intelligenz verblüffend, gar haarsträubend einfach geworden ist, authentisch wirkende Bilder und Texte mit journalistischer Qualität zu generieren, mutet die Abschaffung einer unabhängigen «Quelle der Wahrheit» dystopisch an. Das Zuckerberg’sche Ziel, die freie Rede zu stärken, kommt einer Waffenlieferung an jene Akteure gleich, die den medialen Raum mit verzerrten, gefälschten oder schlicht erfundenen Aussagen zu fluten trachten. In voller Absicht die Grenzen zwischen wahr und falsch, Recht und Unrecht, Vernunft und Unvernunft noch weiter zu verwischen und letztlich Stimmung für die eigene verlogene und selbstherrliche Sache zu machen. Wann dieser Stil auch in der Schweiz zu Trumpismus führt, ist ohne beherzte Gegenrede nur noch eine Frage der Zeit.

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