Zumutung II:
LeserInnenforum
Nach den vornehmlich negativen Reaktionen auf die vorletzte Zeitung folgen
nun die positiven. Erstaunlich eigentlich, dass Lob scheinbar nur auf
Kritik folgt. Ein paar negative Reaktionen gabs auch diesmal, doch nicht
in Form von LeserInnenbriefen, so dass wir diese hier nicht veröffentlichen.
Die Diskussion darf ñ zustimmend, ablehnend ñ weitergehen: Weitere Zuschriften
sind willkommen!
´Hier vielleicht die erste positive Rückmeldung: Ich finde Eure
Zeitung ñ inhaltlich und graphisch ñ ãmegageilõ und freue mich immer wieder
auf die neue Ausgabe. Mit den letzten beiden Artikeln über dieses
ãleidigeõ Thema bin ich 100% einverstanden.ª
Adrian Gerber, Dällikon.
´Liebe GSoAten!
Zuerst herzlichen Glückwunsch für die grafische Gestaltung
der Zitig! Obwohl ich nicht gerade ein Japanfan bin, finde ich sie super!
Dass einige Gruftis den Text nicht mehr wie gewohnt ãreinziehenõ konnten,
sagt höchstens etwas über deren geistige Beweglichkeit aus (Ich
bin übrigens 54). Die Armee mit dem Kostenargument zu bekämpfen,
mag zwar positiv sein, trifft aber den Kern nicht. Gerade weil die Armee
für einige wenige mit guter Lobby buchstäblich ein Bombengeschäft
ist, wird soviel Geld hineingesteckt. Solange sich mit Friedensaktivität
niemand eine goldene Nase verdienen kann, wird diese immer eine Randexistenz
fristen! Ich wünsche Euch einen langen Atem, ãnöd lugg laa gwünnt!õª
Werner Läubli, St. Michael/Gurkle, Österreich
´Dass sich Leute über Eure kreativen, gewagten, provokativen Erscheinungsbilder
aufgeregt haben, hat mich erstaunt. In der Annahme, dass es sich dabei
um die Nummer mit den ãasiatischenõ Schriftzeichen handelte, möchte
ich dazu sagen, dass ich von diesem Erscheinungsbild fasziniert war. Plötzlich
mit Zeichen konfrontiert zu sein, die man eigentlich verstehen sollte
ñ und doch hat man die grösste Mühe, sie zu verstehenÖ Für
mich hatte das etwas Symbolhaftes: Sich mit Fremdem, Ungewohntem auseinanderzusetzen,
sich zu fragen, ob die Bilder, die wir uns von der Welt machen, so immer
noch stimmen, oder ob wir nicht gezwungen sind anzuerkennen, dass sich
alles in einer ständigen Veränderung befindet und wir gezwungen
sind, diese Veränderungen mitzudenken, um nicht irgendwann zu den
Gestrigen zu gehören. Um sich diesen Fragen zu stellen, brauchen
wir manchmal auch eine Provokation - warum nicht eine bildliche? So gesehen
mag ich das Layout der GSoA und erhoffe noch viele mögliche Abweichungen
vom Gewohnten! In diesem SinneÖ Provoziert uns weiter!ª
Beni Gnos, Laufen
In Erinnerung an Hellers Artikel [Martin Heller anlässlich der Plakatausstellung
´Hoffnung und Widerstandª am Zürcher Museum für Gestaltung,
September 1998, die Red.] fand ich Eure japanische Ausgabe eine wirklich
amüsante Erscheinung. Dass sie gleich eine ãästhetischeõ Kontroverse
und heftige Reaktionen ausgelöst hat, erstaunt mich ein bisschen.
Es wurde vermerkt, dass ñ wenn die Form zum Inhalt werde ñ das Blatt nicht
mehr lesbar sei. Aber eine inhaltliche Intervention findet seit jeher
spärlich statt.
Aus den Reaktionen wird ersichtlich, dass das Bedürfnis nach klaren
Messages offensichtlich gross ist. Zum Beispiel beim Betrachten von Plakaten
des linken Widerstandes fällt ihre Deutlichkeit auf, und ich erahne
eine ausgeprägte Abhängigkeit der Linken von klar erkennbaren
Botschaften. Das hat vielleicht mit dem hehren, moralischen Ziel zu tun,
das sie verfolgt. Solch eine Überdeutlichkeit des wahrheitsverkündenden
Mediums hat für meinen Geschmack eine leicht entmündigende Wirkung.
In diesem Sinne fällt mir eine Gegensätzlichkeit auf zwischen
dem progressiven Projekt Eurer Gruppe und dem eher konservativ anmutenden
Geist der Leserschaft. Das Projekt, als Zeitung gestalterisch aufzuregen,
finde ich gut. Ich denke nicht, dass Ihr Euch mit den AbonnentInnen und
SpenderInnen vergrault, es gibt einen Austausch zwischen MacherInnnen
und LeserInnen.ª
Eva Ramseier, Zürich
´Leider musste ich in den letzten zwei Ausgaben der GSoA-Zitig feststellen,
dass das neue Layout von der Redaktion mit Händen und Füssen
gegen scheinbar unzählige Kritiker verteidigt werden musste. Es schien
dabei aber fast unterzugehen, dass es auch eine Minderheit (oder ist es
unter Umständen gar eine Mehrheit, die einfach schweigt?) gibt, die
seit dem Layoutwechsel im letzten Jahr dem Erscheinen der jeweils neuen
GSoA-Zitig mit Freuden entgegensieht.
Als die GSoA-Zitig das erste Mal im neuen Look erschien, konnte ich meine
Begeisterung kaum im Zaum halten. Für mich war die Neuerung ein grosser
Schritt nach vorne; endlich gab es eine Zeitung, die wagte, das Alltägliche
und Traditionelle zu belassen und zu neuen Wegen aufzubrechen. Und der
Wurf gelang vollumfänglich: Die GSoA-Zitig ist nun auch von der äusseren
Erscheinung her zur Avantgarde gestossen und hat damit renommierte Zeitungen
um Meilen überholt. Das Zeitungslesen erhielt eine neue Dimension;
nebst der Aufnahme von Information (welche natürlich immer noch erste
Priorität hat) wurde es nun auch zu einem tollen Erlebnis fürs
Auge, denn auf jeder Seite und in jeder neuen Zeitung stösst der
Leser immer wieder auf Überraschungen. Die Zeitung lässt sich
mit einem guten Film vergleichen, der selbst nach dem zehnten Mal Anschauen
stets mit einigen bisher unentdeckten Details begeistert.
Ganz abgesehen davon bin ich der Meinung, dass sich ein wenig Abwechslung
sehr positiv auswirken kann: Sie hält den Geist wach und flexibel
und kann vor Rückfällen in den oft nur allzu tristen Alltagstrott
bewahren. Geistige Agilität soll sich nicht nur bei der Armeeabschaffung
zeigen, sondern darf sich durchaus auch im Erscheinungsbild einer Zeitung
widerspiegeln.
Darum, liebe Layouter, lasst Euch nicht entmutigen, wenn Ihr einige Kritik
einstecken müsst, denn Vordenker wurden von ihren Zeitgenossen leider
nur zu selten verstanden und oft erst mal als Ketzer verschrien. In genau
dieser Situation befand sich schliesslich die GSoA vor nur zehn Jahren
ebenfalls.
Und, liebe Mitleserinnen und Mitleser: Zeigt etwas mehr Verständnis
(ich fordere ja keine Begeisterung) und hinterfragt nicht nur die Redaktion,
sondern auch Euch selbst immer wieder.ª
Mathias Marti
´Ich sehe japaneske Schriftzeichen nicht als deliriend, dysfunktional,
überschüssig an. Nur schlicht schlecht lesbar.ª
Dieter Rooke, Oensingen
´Liebe Grafiker der GSoA-Zeitung
Ich bin zutiefst enttäuscht darüber, dass viele Leserinnen
und Leser die Zeitung mit den japanoiden Schriftzeichen als Spielerei
bezeichnet haben oder sich von der Zeitung sogar ãangeekeltõ fühlten.
Ich habe mich nämlich über das anregende Erscheinungsbild gefreut.
Müssen wir jetzt Martin Heller Recht geben, der behauptete, die Linke
habe den Anschluss an die Entwicklungen der visuellen Kommunikation verpasst?
Nein, denn viele Leute haben sehr wohl den Anschluss an diese Entwicklungen
geschafft, nur bezeichnen sich diese wahrscheinlich nicht mehr so laut
als ãlinksõ, da diese Kategorien mehr und mehr an Bedeutung verlieren.
Doch nur mit neuen Sicht- und Denkweisen können wir eine bessere
Zukunft erschaffen, und um die geht es uns ja schliesslich.
Im übrigen sehe ich das Layout der Zeitung als Experiment, mit dem
in jeder Ausgabe neue Grenzen erforscht werden.ª
Gruss Markus
´Liebe Xoaten
Ihr fragt Eure LeserInnen, also auch mich, nach der Meinung zum neuen
Layout der Zytig. Neben die ziemlich ausfälligen Reaktionen möchte
ich ein kleines Gegengewichtchen stellen oder auch nur ein Fragezeichen
setzen.
Zugegeben, beim ersten Anblick der neuen Zytig durchzuckt auch mein Hirn
der Gedanke: ´Hoppla, jetzt sind sie ausgeflippt!ª Genaueres Hinsehen
zeigt, dass sich die vorerst schwer zu entschlüsselnden Zeichen und
Bildfragmente durch die ganze Zeitung durchziehen und einen optischen
Zusammenhang bilden oder mindestens suggerieren. Offensichtlich bin ich
aufs Erste zu faul, in diese Bilderwelt hineinzusehen, sie auch als Informationsträger
zu erkennen. Auch ich weiss also nur scheinbar ganz genau, wie geschriebene
Gedanken daherkommen müssen: sachlich-behäbig-fundiert-patronal
wie die NZZ oder
blickmässig-buntfarbig-sensationsgeil; dazwischen noch der TA????
ñ guet Nacht mitenandÖ
Provokative Gedanken provokativ darzustellen erweist sich als Provokation
unserer eigenen Trägheit ñ dem Layouter sei Dank! Da macht sich einer
daran, den innovativen Kick der GSoA bildlich umzusetzen; und dass es
nicht bloss eine Spielerei ist, entnehmen wir seiner ausführlichen
Selbstdarstellung (GSoA-Zytig Nr.77).
Sicher wäre es für ZeitungsmacherInnen sowie LeserInnen bequemer,
eine 0815-Zytig herauszugeben, anstatt sich auf ein darstellerisches Experiment
einzulassen, denn dieses braucht Energie und Mut. Doch ich denke, letztere
drei tun uns gut!ª
Hansueli Hausheer
´Hallo
Mit Befremden musste ich in der letzten GSoA-Zeitung von den ablehnenden
oder sogar ziemlich geharnischten Reaktionen auf das Layout der vorangegangenen
Nummer lesen. Ich möchte hiermit eine ãGegenstimmeõ abgeben ñ ich
selber, wie auch meine Freundin, fanden das Layout, die ãjapanoidenõ Titel
und all die kleinen Grafiken absolut RIESIG!
Auch alle Leute, denen ich die Zeitung zeigte, haben sehr positiv auf
das Layout reagiert. Für mich ist diese Ausgabe schon nur von der
Grafik her ein absolutes Sammerstück, das ich aufbewahren werde!
WEITER SO!
Eine andere Frage ist natürlich, was man aus den negativen Reaktionen
schliessen soll ñ sind dies Einzelfälle von grafisch konservativen
Mit-GSoAten oder ist es immer noch so, dass in der Schweiz immer noch
alles ablehnend bewertet wird, was ein moderneres Layout hat als der Bundesbrief?
Lasst euch nicht beindrucken, bleibt modern!
mit freundlichem Grussª
Markus Thierstein
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