Zivile Lösungen!

Keine Ausreden mehr – sondern zivile Lösungen!

Die GSoA hat bewegte Monate hinter sich. Die Auseinandersetzung um die militärische Neuordnung der Welt, wie sie von den USA und ihren Alliierten im Irak vorexerziert worden ist, hat auch ein anderes Licht auf die sicherheitspolitische Diskussion in der Schweiz geworfen.

«Richtige Frage, schwieriges Umfeld». Mit diesen Worten betitelten wir in der GSoA-Zeitung vom Juni 2002 eine Analyse der Abstimmungen über die bewaffneten Einsätze von Schweizer Soldaten im Ausland und über die beiden GSoA-Initiativen «Für eine Schweiz ohne Armee» bzw. «Für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst ZFD». Die Analyse kam zum Schluss, dass die GSoA in den Auseinandersetzungen um diese Abstimmungsvorlagen die richtigen Fragen gestellt hatte («Soll die Schweiz ihren neuen Platz nach dem Ende des Kalten Krieges wirklich in einer Allianz reicher, mächtiger und hochgerüsteter Länder suchen, die eine neokoloniale Globalisierungspolitik von Fall zu Fall auch mit militärischen Mitteln absichert?»), die Öffentlichkeit und die Medien – bedingt auch durch ein gestiegenes «Sicherheitsbedürfnis» nach den Anschlägen vom 11. September in den USA – aber nicht bereit waren, sich diese Fragen stellen zu lassen. Daran hat sich, nachdem die Welt in Afghanistan und im Irak zwei Mal Zeuge geworden ist, wie westliche Länder ihre Globalisierungspolitik «von Fall zu Fall auch mit militärischen Mitteln absichern», nicht alles geändert. Aber einiges.

Krieg ist kein Märchen

Wenn die Zeitung «Blick» – mit einem (opportunistischen) Gespühr für die Mehrheitsverhältnisse in der Schweizer Bevölkerung ausgestattet – einen Antikriegs-Kurs schreibt und sich mit der Redaktion in Regenbogenfahnen verhüllt auf der Titelseite des Blattes zeigt, dann ist einiges passiert in diesem Land. Und wenn in der Schweiz, in der normalerweise nur rotweisse Fahnen aus den Fenstern gehängt werden, über 50 000 regenbogenfarbene Fahnen «Frieden», «Peace», «Pace» und «Paix» verlangen, dann zeigt dies, dass sich unzählige SchweizerInnen in den letzten Monaten mit Fragen über Krieg und Frieden auseinandergesetzt haben. Man mag dies auf einen regelrechten «Countdown» einiger Medien zurückführen, die den Krieg bereits ein halbes Jahr lang als ein unabwendbares Ereignis angekündigt haben. Diese Erklärung greift aber zu kurz. Wahrscheinlicher ist, dass in der Schweiz in den letzten Monaten ein Bewusstsein um die Notwendigkeit nichtmilitärischer Lösung von Konflikten gewachsen ist. Dieses Bewusstsein hat sich an den Grosskundgebungen und Aktivitäten gegen den Krieg im Irak deutlich manifestiert. Die zahlreichen Aktivitäten und das breit abgestützte Bündnis gegen Krieg wären kaum denkbar gewesen, ohne die beharrliche und kontinuierliche Kritik an der Sicherheits- und Militärpolitik, wie sie die GSoA gemeinsam mit anderen Organisationen im Rahmen des Referendums gegen militärische Auslandeinsätze oder auch mit den Initiativen für eine Schweiz ohne Armee sowie für einen freiwilligen zivilen Friedensdienst in den letzten Jahren entwickelt hat. Heute stellen wir fest, dass unsere Kritik an der militärischen Interventionspolitik im Kern noch immer dieselbe ist, wie wir sie gegen die Bombardierungen in Kosovo geübt haben. Der Unterschied ist aber, dass eine Mehrheit der BürgerInnen nicht mehr an das Märchen vom humanitären Krieg glaubt, sondern diese Kriege als das wahrnehmen, was sie sind: die militärische Absicherung von Interessen und Ressourcen durch die westlichen Staaten. Vor diesem Hintergrund ist auch Misstrauen gegenüber denjenigen westlichen Staaten geboten, die sich in den letzten Monaten als Friedensmächte zu positionieren versuchten. Wenn beispielsweise die deutsche Regierung während dem Irak-Krieg mit harschen Worten für die Einhaltung völkerrechtlicher Grundlagen eintritt, während ihre Truppen ohne Autorisierung durch die Uno in Mazedonien rummarschieren, so ist das nicht sehr glaubwürdig.

Zivile Lösungen sind dringender denn je

Wenn sich die GSoA auch zu Gute halten kann, seit Jahren diejenigen Fragen gestellt zu haben, die vor der neuen Weltordnung und dem Bedeutungsverlust völkerrechtlicher Grundlagen heute brennender denn je erscheinen, so müssen wir auch bedauern, dass in der heutigen sicherheitspolitischen Debatte in der Schweiz die falschen Antworten diskutiert werden. Dies hat die Abstimmung über die Armee XXI gezeigt, als sich die notorischen Angstmacher im VPM- und AUNS-Umfeld und die Armeereformer gegenüber standen. Während die ersteren für einen bewaffneten Rückzug zur Igelmentalität plädierten, versuchten die letzteren, die internationale militärische Kooperation im Rahmen der westlichen Länder weiterhin als Antwort auf die Herausforderungen dieser Zeit zu präsentieren. Zwei Handlungsmöglichkeiten, die aus friedenspolitischer Sicht gleichermassen absurd erscheinen und die GSoA zur logischen Parole, einem «leer einlegen», führten. Die wirklich wichtige Debatte über die Reform der schweizerischen Sicherheitspolitik hin zu einer solidarischen Friedenspolitik und die damit verbundene Gewichtsverlagerung von militärischen hin zu zivilen Mitteln wurde nicht geführt. Darum konnte es auch nicht erstaunen, dass die Schweizer Regierung während des Irak-Krieges weiterhin munter Waffen an die Kriegs-führenden Länder exportieren wollte. Erst die Reaktionen von der Strasse haben den Politikern der Schweiz klar gemacht, wie entfernt ihre momentan geführte sicherheitspolitische Debatte von den Anliegen und Forderungen steht, die heute viele Menschen in der Schweiz beschäftigen.

Weitere Projekte der GSoA

Das Problem ist: Es hilft uns recht herzlich wenig, uns an falschen Diskussionen nicht zu beteiligen, wenn wir nicht gleichzeitig in der Lage sind, die richtigen Diskussionen breit zu führen. Es muss uns darum gehen, die Kritik an der rücksichtslosen Durchsetzung der westlichen Interessen in konkrete Kampagnen zu fassen, um die Sicherheits- und Aussenpolitik der Schweiz zu verändern. Doch der Widerstand gegen eine imperiale Politik alleine reicht nicht. Es muss auch darum gehen, weiterhin konkrete Anstrengungen für den Aufbau von Kapazitäten ziviler Konfliktbearbeitung zu unternehmen. Wir haben in den letzten Jahren, etwa mit der Initiative für einen freiwilligen Zivilen Friedensdienst ZFD, konkrete Diskussionsvorschläge gemacht, die auch dazu geführt haben, dass die Schweiz mittlerweile einen Expertenpool für zivile Friedensförderung geschaffen hat.

Wir werden weiterhin genau hinschauen. Mit dem Projekt «KeinKrieg» (ein von mehreren Organisationen getragenes Zeitungsprojekt) haben wir den Blick auch auf Konflikte gelenkt, die in Vergessenheit zu geraten drohten. Die Schweiz ist an vielen dieser Konflikte auch beteiligt – leider nicht immer in der Rolle einer konfliktentschärfenden Partei. Wir müssen unsere Regierung, die gerade wieder die Mittel für friedensfördernde Aufgaben gekürzt hat, unter Druck setzen, um von der egoistischen Wahrung nationaler Interessen zu einer solidarischen Aussenpolitik zu gelangen. Ausreden – dies haben die vielfältigen Aktionen in der Schweiz in den letzten Monaten gezeigt – wollen sich die Menschen in der Schweiz nicht mehr bieten lassen.