Zivile Lösungen im Irak

Ein Jahr nach Kriegsbeginn zieht Aso Jabbar von der Kommunistischen Arbeiterpartei Iraks (WCPI) Bilanz. Die WCPI stand in Opposition zum Saddamregime, lehnt den Krieg und die Besatzung ab und engagiert sich in der schweizerischen Antikriegsbewegung.

Samuel Durrer stellte die Fragen.

 

Welche Bilanz ziehst du nach einem Jahr der Besetzung des Iraks?

Die momentane Situation im Irak stellt eine politische Niederlage der USA dar. Die Besatzungsmacht konnte sich nicht installieren, im Irak herrscht keine Stabilität. Das Kriegsziel der USA, aus dem Irak ihr Modell einer neuen Weltordnung zu machen ist (noch) nicht erreicht.

Wie hat sich die Situation für die irakische Bevölkerung nach dem Sturz Saddams verändert?

Die meisten IrakerInnen waren – wie ich auch – glücklich über den Sturz Saddams. Sein Sturz stellt einen schweren Rückschlag für die militanten arabischen NationalistInnen dar. Für die Bevölkerung des Iraks führte sein Sturz zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation. Als Folge des Krieges wurden grosse Teile der Infrastruktur zerstört. Vor allem die Versorgung mit Elektrizität, Trinkwasser und Medizin ist heute nicht mehr gewährleistet. Zudem führte die Besatzung zu einer hohen Arbeitslosigkeit. Die politischen Freiheiten, die durch Saddam mit Füssen getreten wurden, haben auch die Besatzungsmächte nicht gebracht. Auch heute wird die Opposition noch unterdrückt, werden Demonstrationen verhindert. Der Krieg hat auch ethnische und religiöse Konflikte hervorgebracht und die Bevölkerung leidet unter dem islamistischen Terrorismus.

Welche politischen Kräfte stehen sich heue im Irak gegenüber?

Im Irak gibt es heute drei grosse Fronten: Die erste Front sind die USA und der mit ihnen verbündete Regierungsrat. Dieser dient nur zur Legitimierung der Besatzungsmacht. Er wurde nach ethnisch-religiösen Kriterien zusammengesetzt und steht unter starkem Einfluss des politischen Islams sowie der verschiedenen Nationalismen. Die zweite Front stellen die Reste der Baathpartei und die militanten IslamistInnen dar. Sie bringen der irakischen Bevölkerung nur Elend und Terrorismus. Mit ihren Aktionen dienen sie nur den US-Zielen, weil die Situation verschärft wird. Die dritte Front stellt die irakische Zivilbevölkerung dar. Ihre Forderungen sind: Ende der Besatzung, keine Rückkehr der Baathpartei, ein Ende der ethnischen und religiösen Konflikte, eine moderne Verfassung, Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirtschaftliche Sicherheit. Die Zivilgesellschaft beginnt sich zu organisieren. Es entstehen neue Gewerkschaften, Frauenorganisationen und Studierendenorganisationen. Die Auseinandersetzung mit den anderen beiden Fronten ist schwierig, da diese über weit höhere finanzielle Mittel verfügen.

Was hältst du von der Forderung nach freien Wahlen?

Diese Forderung ist in erster Linie Propaganda des politischen Islams, es geht nur darum Macht zu demonstrieren. Unter der US-Besatzung sind freie Wahlen undenkbar. Die wichtigste Frage im Irak ist nicht die nach den freien Wahlen, sondern der Abzug der Besatzungsmächte. Erst danach können Wahlen unter internationaler Beobachtung, eventuell durch die UNO, durchgeführt werden.
Die Voraussetzung für den Wahlen nach meiner Sicht sind: Abzug der US Truppen, Entwaffnung der Milizen der Nationalisten und politischen islamischen Gruppierungen, politische Freiheiten und eine sechsmonatige Frist für alle politischen Kräfte im Irak um sich für die Wahlen vorzubereiten.

Welche Ziele verfolgt die WCPI?

Das Hauptziel der WCPI ist eine sozialistische Republik Irak. Im Moment geht es für uns aber vor allem darum, die Bevölkerung zu ermutigen, sich zu organisieren. Sie muss ihren Protest gegen die Besatzung und für einen nicht ethnisch oder religiös dominierten Irak fortsetzen. Die 25 Millionen IrakerInnen können zusammen viel erreichen. Sie brauchen aber eine Perspektive. Die WCPI kämpft für wirtschaftlichen Fortschritt, soziale Arbeitsgesetze, moderne Zivilgesetze und die Gleichstellung von Frauen und Männern.

Welche Erfolge konntet ihr dabei erreichen?

Wir denken nicht kurzfristig, die Situation im Irak ist sehr schwierig. Nach 35 Jahren Diktatur und unter Besetzung ist der Irak eine geschlossene Gesellschaft. Konkrete Erfolge hatten wir unter anderem in Kirkuk. Es ist uns gelungen mit anderen Parteien zusammenzuarbeiten mit dem Ziel, dass die KirkukerInnen über ihre Zukunft selber entscheiden können und nicht auf Grund religiöser oder ethnischer Zugehörigkeiten behandelt werden. Wir haben dabei eine grosse Zustimmung unter der Bevölkerung. Es ist uns gelungen beim Aufbau einer Frauenbewegung mitzuarbeiten. Die von uns mitgetragenen Gewerkschaften verzeichnen ein schnelles Wachstum. Es kommt zu überregionalen Streiks und Protesten. Unsere Arbeit ist jedoch erst am Anfang. Das Jahr 2004 wird ein sehr wichtiges Jahr für die Zukunft des Iraks werden. Die Front der Zivilbevölkerung muss unbedingt gestärkt werden, damit der Irak eine Zukunftsperspektive hat. Wir hoffen auf die internationale Solidarität der Antikriegsbewegung.

Aso, vielen Dank für dieses Gespräch

, ,