Zukunftsgedanken

Ein halbes Jahr nach der Abstimmung über die GSoA-Initiativen fasst Martin Parpan die wesentlichen Fragen zusammen, mit deren Beantwortung viele GSoAtInnen im Moment beschäftigt sind. Einige Antworten wurden auch schon gefunden…

Das Abstimmungswochenende vom 2. Dezember liegt bereits ein halbes Jahr hinter uns. Während die ersten Tage Zeit und Raum boten, sich – je nach den persönlichen Erwartungen – von der Ernüchterung, oder auch vom Eintreten des erwarteten Ergebnisses zu erholen, so können wir heute bereits auf eine erste Phase der Reflexion zurückblicken. Viele von uns haben in dieser Phase analysiert, diskutiert, kritisiert, gelobt oder ganz einfach geschwiegen. Mitte Februar veranstalteten wir ein Fitamin-Wochenende auf dem Herzberg und im März fand eine gut besuchte GSoA-Vollversammlung statt. Was nun aber sind die ersten Resultate dieses Reflexionsprozesses? Wissen wir nun, wo wir stehen und wie wir in Zukunft politisieren wollen? Wie wollen wir als politisch handelndes Kollektiv weiterarbeiten? Ist der Name und die politische Positionierung als «Gruppe für eine Schweiz ohne Armee GSoA» nach wie vor richtig oder eher eine Belastung? Hat das schlechtere Ergebnis im (sehr problematischen) Vergleich zu 1989 mehr mit uns oder dem Umfeld zu tun?
Wenn sich in einer von all diesen Fragen in der bisher kurzen Diskussionszeit eine einstimmige Meinung herauskristallisiert hat, dann sicherlich in der Frage des politischen Grundsatzes: Wir sind uns einig, dass es eine Bewegung braucht, die die aktuelle Sicherheitspolitik der Schweiz kritisiert, die Armee in Frage stellt und einen radikalen friedenspolitischen Richtungswechsel einfordert. Auch nach diesem Abstimmungswochenende wollen wir unsere Position nicht dem Mainstream anpassen, sondern mit kohärenten Argumenten weiter überzeugen. Diese grundsätzliche GSoA-interne Übereinstimmung dürfte einige in diesem Land verärgern und andere – so hoffe ich wenigstens – beruhigen. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass nach den Kampagnen gegen das Militärgesetz, für die ZFD-Initiative, die Armeeabschaffungs-Initiative und für den Uno-Beitritt, die Motivation, gleich wieder in eine Initiativ- oder Referendumskampagne einzusteigen, gering ist. Wir können eine ruhigere Phase durchaus “verkraften” und haben diese auch verdient.
Wie und in welcher Art sich die GSoA mittelfristig wieder in die sicherheitspolitische Diskussion in der Schweiz einmischen will, wollen wir in den nächsten Monaten diskutieren. Liegt unser Schwergewicht weiterhin in der «antimilitaristischen» Arbeit? Wollen wir die Nutzlosigkeit der Schweizer Armee im Verteidigungsfall kritisieren? Oder wollen wir uns schwergewichtig gegen deren Orientierung auf die Nato hin engagieren? Welchen Stellenwert wird die Forderung nach «Zivilen Lösungen» in unserer Arbeit haben? Diskutieren wir über die Schweizerische Militär- und Aussenpolitik oder über Friedens- und Sicherheitspolitik auf internationaler Ebene?
Die GSoA wird sich aber auch in Zukunft nicht ausschliesslich auf eine dieser Fragestellungen festlegen lassen. So war beispielsweise das Militärgesetz-Refrendum eine “innenpolitisch” antimilitaristische Vorlage, welche sich gegen die Beteiligung an internationalen Kriegen richtete. Der zivile Gedanke der ZFD-Initiative war logischerweise auch antimilitaristisch und sollte seine Wirkung sowohl im In- wie auch im Ausland entfalten. Mit unserer Forderung, die Schweizer-Armee abzuschaffen, wehrten wir uns auch gegen eine Armee, die sich schrittweise an ein repressives US- bzw. Nato-Konfliktmanagement anzunähern droht.
Zudem werden wir auch in Zukunft damit leben müssen, dass unsere Agenda massgebend durch die nationale und internationale Konflikt- und Kriegspolitik bestimmt sein wird.
Bemerkenswert, und dies muss hier erwähnt sein, sind neben den Gedanken zu Vergangenheit und Zukunft sicherlich unsere Aktivitäten in der Gegenwart. Die von der GSoA mitorganisierte Kundgebung in Bern zum Israel-Palästina-Konflikt mobilisierte 10000 Leute. Unsere Veranstaltungen zu der zivilen Palästina-Mission oder auch die symbolische Aktion gegen die Rüstungszusammenarbeit Schweiz – Israel haben gezeigt, dass uns kaum Langweile droht. Mit diesen Aktionen haben wir viele Kritiker, welche die GSoA nach dem 2. Dezember bereits aufgelöst glaubten, Lügen gestraft. Wir wissen zu gut: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Max Frisch).