Die toten Flüchtlinge im Mittelmeer und an den anderen Aussengrenzen der EU interessieren nicht. Die Schweiz bereitet ihren Einstieg bei Frontex vor.
Ohne viel Aufhebens hat der Ständerat am 28. Mai 2008 die schweizerische Beteiligung an der EU-Grenzschutzagentur Frontex abgesegnet. Dass der Nationalrat in der nächsten Session diesem Votum folgt, gilt als sicher, denn Frontex ist Bestandteil des so genannten Schengen-Acquis und den muss die Schweiz übernehmen,wenn sie weiter bei dieser polizeilichen und migrationspolitischen Kooperation der EU-Staaten mitmischen will. Die grosse Schengen-Koalition, die von der bürgerlichen «Mitte» bis zur SP und der Mehrheit der Grünen reicht, wird’s richten. Der jetzt vom Ständerat genehmigte Bundesbeschluss setzt zwei EU-Verordnungen in schweizerisches Recht um und erlaubt es, schweizerische Grenzwächter im Rahmen «gemeinsamer Aktionen» der EU einzusetzen. Kosten: 2.3 Millionen Franken pro Jahr. Einen Antrag von SP und Grünen, der den Bundesrat zu einer regelmässigen Information über die schweizerischen Aktivitäten im Rahmen von Frontex verpflichten sollte, lehnte die bürgerliche Mehrheit ab.
Nur Koordination
Die «Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen» – so der offizielle Name – nahm im Oktober 2005 in Warschau ihre Arbeit auf und hat derzeit etwas mehr als hundert Beschäftigte, die sich aus den Grenzpolizeien der EU- und der assoziierten Staaten rekrutieren. Frontex hat keine eigenen exekutiven Befugnisse, sondern soll analysieren, unterstützen und «koordinieren». Koordiniert hat Frontex bisher schon gemeinsame Ausschaffungen per Charterflug, an denen sich auch die Schweiz schon beteiligte. 2006 und 2007 gab es dreizehn solche Flüge mit insgesamt 361 gezwungenen PassagierInnen. Weil das so gut geklappt hat, soll die Agentur nun gleich selbst Flugzeuge erhalten. Koordiniert hat Frontex 2006 und 2007 zudem 33 «gemeinsame Aktionen» und zehn «Pilotprojekte» an den Aussengrenzen, bei denen insgesamt 53’000 Personen an der «illegalen Einreise» in die EU gehindert wurden. Die Agentur organisierte bisher «Unterstützungsteams » aus anderen Schengen-Staaten. Neu sollen die Mitgliedstaaten feste Pools von Grenzwächtern für «Soforteinsatzteams » zusammenstellen, die für Fälle «des Zustroms einer grossen Anzahl von Drittstaatsangehörigen » aufgeboten werden können. Die Mitglieder dieser Teams haben nun unter der Leitung des Einsatzstaates auch Befugnisse zur Vernehmung, Durchsuchung und Gewaltanwendung.Wie gross der schweizerische Pool sein wird, weiss man beim Grenzwachtkorps (GWK) noch nicht. «Noch nicht abschliessend definiert» ist auch, welche Ausrüstungsgegenstände das GWK für «gemeinsame Aktionen» zur Verfügung stellen wird. GWK-Mediensprecher Thomas Schrämli hält es für «eher undenkbar», dass die Schweiz angesichts der «politischen Widerstände» im Innern Helikopter oder Flugzeuge anbieten könnte, wie das andere EU-Staaten tun. «Zurzeit beschränken wir uns darauf, Know-how in Form von Dokumentenspezialisten zur Verfügung zu stellen.»
Gemeinsam mit den Militärs
Im Südatlantik vor den Kanarischen Inseln und im Mittelmeer sind die «gemeinsamen Aktionen» – Code-Namen: Hera und Nautilus – mittlerweile feste Einrichtungen. Für das «Europäische Patrouillennetz» haben die Staaten der EU-Südschiene nationale Koordinationszentren eingerichtet, an denen nicht nur Grenzpolizeien, sondern auch Militärs und Geheimdienste beteiligt sind. Das Patrouillennetz ist der erste Baustein des EU-weiten Grenzüberwachungssystems «Eurosur», das bis 2013 fertig sein soll. Zur Überwachung aus der Luft will die EU die Bilder militärischer und kommerzieller Satelliten nutzen und Drohnen einsetzen. Mit letzterem kennt sich die Schweiz aus: Die Drohnen des Militärs kommen regelmässig bei Assistenzdiensten an der Grenze im Tessin zum Einsatz.Wen würde es wundern,wenn die von GWK-Sprecher Schrämli heute ins Feld geführten «politischen Widerstände» dahin schmelzen und schweizerische Drohnen dereinst an den Aussengrenzen des reichen Europas die «Illegalen» aufspüren.