Chiasso: Militarisierung der Grenze

Angstmacherei und Hetze gegen Geflüchtete ebnen den Weg für die Militarisierung des Grenzraums. Seit diesem Frühling fordern rechte PolitikerInnen die Armeepräsenz an der Südgrenze und nutzen so die hausgemachte Angst für ihre Abschottungspolitik.

Seit diesem Juli stranden im italienischen Grenzort Como täglich hunderte Geflüchtete. Sie wollen Italien verlassen, doch die offizielle Schweiz verwehrt ihnen die Einreise mit der Begründung, die Geflüchteten wollten kein Asyl beantragen, sondern die Schweiz durchreisen, um nach Deutschland oder in andere Staaten zu gelangen. Schutzsuchende Menschen, welche über die Schweizer Grenze wollen, werden so in Chiasso systematisch abgewiesen. In Como lebten deshalb diesen Sommer über 600 Personen, darunter viele Minderjährige, in einem Park beim Bahnhof San Giovanni. Eine GSoA-Aktivistin war vor Ort und berichtete über die Handhabung mit den Menschen, welche über die Grenze wollen: «Steigst du in Chiasso aus dem Zug, der von Italien kommt, wird – ohne es irgendwie verbergen zu wollen – nach Hautfarbe sortiert. «Racial Profiling» par exellence: Bist du weiss, wirst du nicht kontrolliert und kannst ohne Weiteres durchlaufen. Als Person of Colour wirst du jedoch sofort anghalten, kontrolliert und je nachdem, was deine Papiere sagen, mitgenommen und wieder nach Como oder weiter in den Süden Italiens verschleppt.»

Noch nicht genug der Abschottung

Geflüchtete werden kaum je als Hilfesuchende, sondern als SozialschmarotzerInnen, Störenfriede und potenzielle Kriminelle dargestellt. Das soll die Rückweisungen rechtfertigen. Doch die Rechte fordert noch mehr. Die Grenzen «nur» rund um die Uhr mit Drohnen zu überwachen und vom Grenzwachtkorps «schützen» zu lassen, genügt ihr nicht. Guy Parmelin zeigte sich bereits im Frühling dazu bereit, das Militär an die Grenze zu stellen und liess so viele WKs verschieben, dass SoldatInnen jederzeit bereit waren, an die Grenze einzurücken. Der Tessiner Lega-Sicherheitsdirektor Norman Gobbi forderte bei jeder Gelegenheit die Grenzschliessung und betonte dabei immer wieder: «Jeder illegale Immigrant kann kriminell werden.» SVP-Nationalrat Andreas Glarner schlug in einer dringlichen Anfrage an den Bundesrat diesen September sogar «bauliche Abschottungs- massnahmen», also Stacheldrahtzäune, vor und verwies dabei auf Österreich als Vorbild.

Menschenfeindliche Zäune in
 ganz Europa

In der Schweiz beschränkt sich die Militarisierung der Grenzen bisher auf Drohnenüberwachung und Forderungen nach Armeeeinsätzen. Die europaweite Tendenz lässt aber nichts Gutes hoffen. Am Brennerpass, welcher Italien mit Österreich verbindet, wurden im Frühjahr Soldaten stationiert. Sie sollen Schutzsuchenden den Weg versperren, die nach der Schliessung der Balkanroute eine Alternative suchen. Auch Slowenien beauftragte seine Armee mit der Grenzsicherung und erweiterte deren Befugnisse um Festnahmen von Geflüchteten und Gewaltanwendung gegen ebendiese. In Ungarn erliess der rechtsextreme Ministerpräsident Viktor Orban 2015 sogar ein Gesetz, das der Armee erlaubt, Waffen gegen Geflüchtete einzusetzen. Weiter wurden in Spanien, Griechenland, Kroatien, Slowenien und Frankreich Grenzzäune aufgestellt und gleichzeitig immer wieder Grenzen ganz geschlossen, was gegen das Schengener Abkommen verstösst.

Bei der Betrachtung dieser europaweiten Tendenz der Militarisierung der Migrationspolitik werden zwei Dinge deutlich: Erstens, dass eine Politik der Abschottung keineswegs Probleme löst. Sie nimmt den Geflüchteten dringend benötigten Raum und stoppt dabei die Migrationsbewegungen nicht, sondern leitet sie lediglich um. Die Routen werden damit noch gefährlicher und kostspieliger für Geflüchtete. Zweitens zeigt sich, welche Aufgabe eine Armee tatsächlich hat: Es geht nicht um den Schutz von Menschen, sondern um den Schutz von Reichtum, Privilegien und Staatskonstrukten wie nationalen Grenzen.

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