Die Armee wollte sich elektronisch vernetzen. Sechs Jahre und 700 Millionen Franken später ist klar: Ausser Spesen nichts gewesen.
Das «Führungsinformationssystem Heer» (FIS Heer) der Schweizer Armee ist ein IT-Debakel sondergleichen. Am Anfang des finanziellen Desasters standen VBS-Planer, die von einer modernen Einsatzarmee träumten. So sollte das IT-Projekt ermöglichen, dass auch in einer entfernten Einsatzzentrale der Armee sichtbar wird, wo sich Soldaten und Fahrzeuge genau befinden. Diese wollten die Generäle dann aus der Ferne kommandieren. Das Parlament bewilligte mit den Rüstungsprogrammen 2006 und 2007 über 700 Millionen Franken für FIS Heer. Mit dem Geld wurden Sensoren, Computer und Software gekauft.
Innere Einsätze
Mit FIS Heer sollte bei Einsätzen im Inland die Koordination mit den zivilen Behörden verbessert werden. Im Klartext heisst das: Die Armee sollte effizienter Funktionen der Polizei übernehmen können. Auch deshalb sprach sich die GSoA vehement gegen FIS Heer aus. Heute zeigt sich, dass die Bedenken der GSoA berechtigt waren. Doch die Armee kann FIS Heer nicht in Betrieb nehmen. Die Neue Zürcher Zeitung enthüllte vor einigen Wochen, dass auch heute noch ganze Hallen in Thun mit originalverpackten elektronischen Geräten für FIS Heer gefüllt sind. Das System funktioniert nicht. Die Armee ist unfähig die Geräte miteinander zu vernetzen und auch das militärische Übermittlungssystem ist nicht operabel. Um die Mängel zu beheben, wären Dutzende weitere Millionen nötig. Sollte Bundesrat Ueli Maurer diese bewilligen, wäre das System frühestens Mitte des Jahrzehnts einsatzfähig. Und dann sind die ersten Computer bereits wieder so veraltet, dass neue gekauft werden müssten. Deshalb liegt das Projekt vorläufig auf Eis.
Millionen für Rüstungsfirmen, keine unabhängige Untersuchung
700 Millionen Franken hat die Armee verschleudert. Nur für die Rüstungsfirmen wie Ascom, Thales Schweiz und Ruag hat sich das ganze Projekt gelohnt. Das IT-Desaster führte zu internen Untersuchungsberichten des VBS-Inspektorats und der Armasuisse. Beide Prüfungsinstitutionen sind armeefreundlich gesinnt. Doch die Missstände scheinen so gravierend zu sein, dass selbst die armeenahe Arbeitsgruppe FIS Heer der Rüstungskommission im März 2011 deutlich Worte fand. Sie schreibt, dass «das Bewusstsein für Interessenkonflikte wenig ausgeprägt ist und in der Projektaufsicht sich projektverantwortliche Stellen selber kontrollieren, was unzulässig ist». Dennoch sah Bundesrat Ueli Maurer von einer wirklichen Untersuchung ab. Zwar kündigte er im Oktober 2010 noch an, dass eine Administrativuntersuchung klären soll, wie 700 Millionen Franken verschleudert werden konnten. Doch im November 2011 blies er die Untersuchung wieder ab.
Der scheinheilige Bundesrat
Bundesrat Ueli Maurer agiert bei Problemen immer gleich. Aktiv kommuniziert er Missstände, schiebt diese seinem Vorgänger in die Schuhe und kündigt rigorose Massnahmen an. Doch dann überlegt er es sich anders und hofft, dass Medien und Öffentlichkeit sich nicht mehr an seine Versprechen erinnern können. Mit seiner Strategie kommt er bislang ziemlich ungeschoren davon. So erstaunt es nicht, dass er im März diesen Jahres angekündigt hat, anhand einer neuen Analyse dem Parlament eine Entscheidungsgrundlage zu präsentieren, wie mit FIS Heer weiterverfahren werden soll. Ueli Maurer ist Meister darin, sich vor Verantwortung zu drücken und andere für sich entscheiden zu lassen. So versucht er sich immun zu machen gegenüber armeeinternen und -externen KritikerInnen.