«Die Schweizer Armee hat zurzeit ein Imageproblem.» So äusserte sich Armeechef Christophe Keckeis im Mai 2004 zum Zustand der Schweizer Armee. Gelingt dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) die Imagekorrektur oder wird das «Imageproblem» der Armee zur Chance für eine glaubwürdige Friedenspolitik der Schweiz?
Die Schweizer Armeeführung ist nicht zu beneiden. Denn, wie auch der Oberst im Generalstab Bigler in der Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift (ASMZ, 4.2004) schreibt, «ist die Armee XXI, kaum gestartet, bereits bedrohlich in Schieflage geraten.» Als Gründe sieht Bigler einerseits die zahlreichen Pannen (unklare Einteilungen, kurzfristige Marschbefehle, überzählige Unteroffiziere, etc.) bei der Einführung der Armee XXI, andererseits aber die immer direkter gestellten Forderungen der Schweizer Wirtschaft, die kaum mehr bereit ist, ihre Angestellten für subsidiäre Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Die Startschwierigkeiten der Armee XXI sind aber nicht der einzige Grund, warum die Schweizer Armee in den letzten Monaten in die Schlagzeilen geraten ist: So machte etwa auch die Meldung, dass sich heute im VBS 250 Kommunikationsfachleute um die Kommunikation streiten (NZZ, 26.1.2004), deutlich, dass bisher im VBS trotz allem Gejammer kaum Sparanstrengungen erfolgt sind.
Die inneren Einsätze gaben nicht nur darum zu reden, weil bekannt wurde, dass in mehreren Fällen von den Soldaten Waffen und Munition unbewacht in Wohnquartieren herumliegen gelassen wurden (NZZ a.S., 11.4.2004), sondern auch, weil der Protest der Polizei gegen die Militarisierung der inneren Sicherheit beständig blieb (NZZ, 7.2.2004) und sich vermehrt auch Milizoffiziere gegen die Einsätze stellten (NZZ a.S., 30.5.2004). Dass die gleichen Drohnen, die in Palästina zum Aufspüren der Exekutionsopfer gebraucht werden, in der Schweiz mithalfen, kiffende Spaziergänger festzunehmen (NZZ a.S., 23.5.2004), warf zudem Fragen nach den weiteren Plänen der Armee im Innern der Schweiz auf: Wir sind gespannt, ob KifferInnen reichen werden, um den Plänen von Bundesrat Schmid (Tagesanzeiger, 16.12.2003) zum Aufbau eines Sicherheitsdepartements zum Erfolg zu verhelfen.
Chronik der Verwirrtheit
Was die «Produktion» (Christophe Keckeis) von Frieden im Ausland angeht, so deckte die Basler Zeitung (BAZ, 27.4.2004) auf, dass die Schweizer Armee im «Pool of forces» der NATO u.a. Infanterieeinheiten registrieren liess. Dass zudem Planungspapiere des VBS den Weg an die Öffentlichkeit fanden, die Überlegungen zu einem Obligatorium für Auslandeinsätze offen legten (La Liberté, 8.4.2004), sowie Pläne für Truppenmanöver mit bis zu 10’000 Soldaten im Ausland vorgelegt wurden (NZZ a.S., 15.2.2004), zeigt, dass auch in diesem Bereich momentan alles in Frage gestellt wird. Dazu passt auch, dass der Bund noch im Frühjahr des Jahres laut über einen Rückzug der Swisscoy-Truppe aus dem Kosovo nachdachte, im Juni 2004 dann aber sogar eine Beteiligung an der EU-Truppe in Bosnien vorschlug.
Der Eindruck, dass im VBS momentan nicht alles mit rechten Dingen zugeht, wurde durch die Aufdeckungen des Magazins Facts (Facts, 12.5.2004) und des Schweizer Fernsehens (SF DRS, 30.4.2004) noch untermauert: Erheblichen Erklärungsbedarf gab es da für das VBS und dessen Beschaffungszentrum «Armasuisse» zur Frage, warum die Schweiz zugelassen hatte, dass während des Bürgerkrieges in Angola 2000 alte Armeefahrzeuge der Schweizer Armee in das Land geliefert worden waren. Und ebenfalls, warum auch der im Sommer 2004 geplante Verkauf von mehreren hundert Panzern nach Thailand, in dessen Innern ein Konflikt zwischen der Zentralregierung und muslimischen Gruppierungen im Gange ist, keine Skrupel hervorbrachte.
Am meisten zum Eindruck vollständiger Verwirrtheit der Armeeplaner aber hat beigetragen, dass das VBS öffentlich über eine Aufgabenteilung innerhalb der Armee in einen Verteidigungsteil und eine Truppe für subsidiäre Aufgaben nachdachte und dabei selber auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Milizsystems aufwarf (Tagesanzeiger, 1.4.2004). Dass Boulevard-Medien diese Pläne zum Anlass nahmen, um die Gefahr einer «Zweiklassenarmee» heraufzubeschwören (Blick, 6.4.2004), konnte nicht erstaunen.
Schweizer Sicherheits- oder Friedenspolitik im Jahr 2010
Diese Chronik der Verwirrtheit der Armeeplaner lässt nur einen Schluss zu: Die Legitimitätskrise der Schweizer Armee wurde durch die Einführung der Armee XXI nicht behoben, sondern im Gegenteil verstärkt. Die im Juni 2004 eingereichten Botschaften des Bundesrates zur Zukunft der Schweizer Armee bestätigen dies: Mit der Ausdehnung der inneren Einsätze bis ins Jahr 2007, der Beteiligung an der EU-Truppe in Bosnien und dem Rüstungsbudget 2004, das auch Geniepanzer für die Landesverteidigung vorsah, wollte man – wie selbst die NZZ schrieb (NZZ, 27.5.2004) – «von allem etwas». Diese krasse Fehleinschätzung der (finanzpolitischen) Möglichkeiten des Bundes, die umgehend von allen Präsidenten der Bundesratsparteien zurückgewiesen wurde (NZZ a.S., 6.6.2004), zeigt, dass die Armee im Moment schlicht nicht weiss, wo ihre Zukunft liegt – und sich aus diesem Grund alle Optionen offen halten will. Dass selbst die altgediente Hinweis auf die «benötigte Verteidigungsfähigkeit der Schweiz» wieder aus der Truhe geholt werden könnte, lassen die Vorbereitungen für den Kauf neuer Kampfflugzeuge vermuten: Dieser wird vom VBS auch damit begründet, dass nur mit neuen Flugzeugen Terroranschläge à la 11. September 2001 verhindert werden könnten (Air Power Revue, 1/2004).
Schadenfreude ist angesichts der Legitimationssuche der Armee fehl am Platz. Denn auch eine angeschlagene Armee kann verhindern, dass sich die Schweiz einer wirklichen und zivilen Friedenspolitik zuwendet. Im Gegenteil ist zu befürchten, dass die heutigen Anstrengungen der Armee, sich in allen Bereichen alle Optionen offen zu halten, zu einer Verschleuderung von Staatsausgaben für absurde Projekte führen werden. Daher ist es für die GSoA dringend, klare Forderungen an die Schweizer Politik zu richten. Dies könnte in den nächsten Jahren ein Engagement für ein Ende der inneren Militarisierung der Schweiz und für ein Moratorium von Auslandseinsätzen in Konfliktgebieten, in denen eine politische Lösung von Konflikten nicht angegangen und der Konflikt stattdessen mit einem Protektorat nur eingefroren wird (wie im Kosov@), bedeuten. Wir müssen wieder aufzeigen, wie sich die Schweiz stattdessen zivil und sinnvoller für einen Abbau von Konfliktursachen einsetzen kann. Zudem scheint die Opposition gegen den Kauf von neuen Kampfflugzeugen sowie den Export von Schweizer Waffen in Konfliktgebiete dringend notwendig. Mit dem Ziel, dass die Schweiz im Jahr 2010 eine Friedenspolitik betreibt, die sich an den Bedürfnissen der weltweit von Konflikten betroffenen Menschen orientiert – statt an den Verwirrungen der Schweizer Armeeplaner.