Trump ist US-Amerikaner, der Trumpismus ist etwas Globales. Deshalb muss der Widerstand ein universeller sein.
Der Trumpismus ist nicht bloss die Fortsetzung des Rechtspopulismus mit schärferen Tönen, deftigeren Lügen, autoritäreren Methoden, höheren Einsätzen und härteren Eingriffen gegen innere und äussere Feinde. Er ist auch kein Faschismus, der die Demokratie völlig beseitigt und mit alltäglicher Staats- und Partei-Gewalt, Konzentrationslagern und ewigen Kriegen seine Herrschaft ausübt. Der Trumpismus ist etwas dazwischen.
Herrenvolk-Logik
Was ihn mit dem Rechtspopulismus und dem Faschismus verbindet, ist die Herrenvolk-Logik. Der US-Trumpismus ist in seinem Kern ein Aufbegehren weisser Männer gegen den Verlust ihrer uralten Vorherrschaft. Dies spielt bei Menschen, die ausser ihrem Nationalstolz alles verloren haben oder verlieren könnten, besonders stark. Das wiederum erklärt, warum Arbeitende und Arbeitslose, die durch den Neoliberalismus abgehängt wurden, eine Partei wählen, die den Interessen von Milliardären verpflichtet ist.
Zur Herrenvolk-Logik gehört das permanente Hetzen gegen Minderheiten, Migrant:innen, Feministinnen. Diese Verbal-Radikalität dürfte am schnellsten zu Gewaltakten – und Gewaltexzessen führen. Ultranationalismus, Xenophobie, Rassismus, Islamophobie, Antisemitismus haben die meisten Populismen und Faschismen mit dem Trumpismus gemeinsam.
Zwischen Populismus und Faschismus
Der Trumpismus lässt Wahlen zu, was ihn vom Faschismus unterscheidet, aber er anerkennt deren Ergebnisse nur, wenn sie ihm passen, was ihn vom Rechtspopulismus unterscheidet. Wäre Trump ein blosser Populist, hätte er im Januar 2006 den Mob nicht zum Sturm aufs Kapitol angestachelt. Wäre er Faschist, hätte er es besser organisiert und wäre selber mitgegangen – wie Mussolini 1922 beim Marsch auf Rom.
Der Trumpismus schafft die Gewaltenteilung nicht ab, aber er versucht sie auszuhebeln, wenn das nötig ist, und sich gefügig zu machen, wie ihm das beim Obersten Gericht nachhaltig gelang. Zu dieser Schwächung der 3. Gewalt gehört auch ein höchst saloppes Verhältnis zum Rechtsstaat. Gälte er in den USA wäre Trump im Gefängnis und nicht auf dem Präsidentenstuhl.
Der Trumpismus verbietet die kritischen Medien nicht, aber er baut mit Hilfe von Tech-Milliardären eine rechte Hetz- und Hass-Blase auf, die mehr Followers hat, als jene Leser:innen haben. Zudem sorgen andere Tech-Milliardäre dafür, dass liberale Zeitungen wie die Los Angeles Times oder Washington Post diszipliniert werden.
Der Trumpismus systematisiert das Verbreiten von Fakenews, das weit über das übliche Mass des Populismus hinausgeht. Aber im Unterschied zum Faschismus ist es nicht schwergewichtig Staatsprogpaganda, sondern baut stärker auf rechtsextremen Privatkapitalien.
Recht des Stärkeren gegen Stärke des Rechts
Der Trumpismus verbietet keine Gewerkschaften und Linksparteien, aber er wird jede Gelegenheit wahrnehmen, ihnen rechtlich und finanziell das Leben schwer zu machen. Wie weit er die Drohung umsetzt, gegen „den Feind im Innern“ mit militärischer Gewalt vorzugehen, ist eine offene Frage.
Der Trumpismus bedeutet nicht wie der Faschismus ewiger Krieg. Aber er bedeutet permanentes Drohen damit und die Militarisierung alles Politischen. Gegen gerechten Frieden, zum Beispiel in der Ukraine oder in Israel/Palästina, zieht er das Recht des Stärkeren vor.
Ein Kernthema des Trumpismus ist das Lügen des Klimawandels – bei einigen in Wort und Tatlosigkeit, bei anderen „nur“ in der Tatlosigkeit. Dabei spricht er – ähnlich wie bei der Herrenvolk-Ideologie – gezielt einfache Leute an, denen das Erdöl oder das Gas im Alltag unersetzlich scheint.
Der Trumpismus ist wie der Populismus und der Faschismus antiuniversalistisch und antihumanistisch. Er ist es offensiver als der Populismus, aber weniger aggressiv als der Faschismus. Das gemeinsame Feindbild praktisch alle globalen Rechten ist die kantianische Trinität: Menschenrechte-Völkerrecht-UNO. Trump mit seinem Militär und Musk mit seinen Milliarden zelebrieren die Respektlosigkeit gegenüber internationalen Regelwerken und zivilisatorischen Errungenschaften.
Wesensverwandte Kumpels
Trump hat weltweit viele Kumpels – und zusätzlich wesensverwandte Freunde und ein paar ebenso autoritäre Feinde. Die wichtigsten Vertreter des Trumpismus ausserhalb der USA sind Putin, Netanyahu, Orban, Kaczynski, Erdogan, Bolsonaro, Modi, Milei. Dazu kommen ihm nahestehende Rechtsaussen-Kräfte wie die AFD, der Lepenismus, die FPÖ, die Fratelli und Lega in unserer Nachbarschaft, Vox, Reform UK usw. sowie im Inland der Weltwoche-Flügel der SVP. Alle vereinigen sie die oben aufgezählten Eigenschaften – in unterschiedlicher Ausprägung und Gemengelage.
Trump ist aufgrund der Sklaverei-Geschichte der USA rassistischer, Putin als Doppelerbe von Stalinismus&Zarismus diktatorischer als die meisten anderen. Was Trump die Techno-Milliardäre sind, sind Putin die Oligarchen. Was die Gewaltanwendung betrifft, stechen die beiden grössten heutigen Kriegsverbrecher, Putin und Netanyahu, besonders hervor. Bezüglich Nichtanerkennung von Wahlergebnissen fällt besonders der Brasilianer Bolsonaro auf. Den heftigsten Kampf gegen die Dritte Gewalt führen Orban, Netanyahu und die postfaschistischen Fratelli. Die härteste Verfolgung von Andersgläubigen betreibt der Hindunationalist Modi, die von Andersdenkenden der Stalinozarist Putin, die der LGBTQ-Community der Evangelikale Bolsonaro und der Katholik Kaczynski. Ein an die Zwischenkriegs- und Kriegszeit erinnerndes Phänonem ist der Wiederaufstieg des Rechtkatholizismus, der damals dem Faschismus und heute dem Trumpismus zur Seite steht.
Neben den beiden globalen Hauptfeinden des Trumpismus, des politisch-kulturellen Liberalismus und der humanistischen Linken, hat er noch ein paar Gegner, die ihm methodisch nahstehen: die KP-Diktatur in China, die Mullah-Herrschaft im Iran, die Familien-Tyranneien in Saudiarabien, Nikaragua, Nordkorea, das Maduro-Regime in Venezuela. Sie haben ihre eigenen: konfuzianischen oder muslimischen oder stalinoiden Geschichten und passen deshalb trotz etlicher Gemeinsamkeiten nicht ins trumpistische Muster.
Block-Denken und Denk-Blockaden
Die wichtigste Lehre, die eine auf der revolutionären Trinität Freiheit – Gleichheit – Solidarität bauende Linke aus dem Aufstieg des globalen Trumpismus ziehen muss, lautet: Es gibt keinen Fortschritt, wenn er nicht sozial abgesichert ist. Ohne soziale Fundamente und Leitplanken führen die Zumutungen des Klimaschutzes, der Diversität, der Migration, der Moderne überhaupt zu einer Stärkung der freiheits- und gleichheitsfeindlichen Nationalpopulismen.
Der Kampf gegen den Trumpismus ist nur glaubwürdig, wenn er kohärent humanistisch-universalistisch ist. Wer die Kriegsverbrechen eines Putin lautstark verurteilt und die Netanyahus höchstens kleinlaut kritisiert oder wer gegen die israelischen Kriegsverbrechen auf die Strasse geht, aber zu den russischen schweigt, kann schwerlich überzeugen.
Die richtige Strategie gegen den globalen Populismus liegt weder in nationalen Rückzügen noch in einem neuen Block-Denken. Zusätzlich zum Kalten-Kriegs-Blockdenken, das Putins Kriegsverbrechen (gegen Tschetschenien, Syrien, Ukraine) verharmlost, ist ein neues aufgetaucht, das das Heil im abendländischen „Westen“ und in der NATO sieht. Im West-Blockdenken fallen die Geringschätzung der UNO, die Geringachtung des Völkerrechts, insbesondere die Verharmlosung, wenn nicht Schweigen über den Massenmord in Gaza und die Repression im Westjordanland auf. Der Grund liegt nicht in einer rassistischen Geringschätzung arabischer Menschenleben, sondern in einer Denk-Blockade, wie sie für das Blockdenken typisch ist. Wir kennen sie aus dem Kalten Krieg, wo rechte Sozialdemokraten im Interesse der „freien Welt“ das südafrikanische Apartheid-Regime unterstützten und die US-Intervention gegen Vietnam verteidigten.
Humanismus und Universalismus
Der Kampf für Demokratie und Frieden ist landes- und weltweit nur zu gewinnen, wenn er alle Autoritarismen wie auch alle Kriegsverbrechen verurteilt und wenn er sich mit allen Freiheits-Bestrebungen wie auch allen zivilen Kriegs- und Repressionsopfern solidarisiert. Die Leitlinien sind die Menschenrechte und das Völkerrecht sowie der soziale Kampf gegen die Ausbeutung, insbesondere durch die Rohstoff- und anderen Multis. Die universelle Referenz ist die UNO mit ihrem Kriegsverbot und ihrer Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Sie ist der grösste Stein des Anstosses für den globalen Trumpismus.