Zwei Jahre nach dem Bestseller «Irak – Chronik eines gewollten Krieges» legt Uno-Korrespondent Andreas Zumach mit «Die kommenden Kriege» ein neues Buch vor. Zumach geht dabei auf die Folgen des Krieges im Nahen Osten ein, zeigt aber vor allem auf, was getan werden muss, um zukünftige Kriege zu verhindern.
«Sind (Welt-) Kriege um Öl noch vermeidbar? Gibt es noch Chancen für den friedlichen Ausgleich von Interessen und die gemeinsame Bewältigung der globalen Probleme im Rahmen der Uno?» Diese Fragen stellt Andreas Zumach an den Beginn seines neuen Buches. Um sie zu beantworten, zeigt der Autor in grosser Detailkenntnis auf, wie die Uno und das Völkerrecht in den letzten Jahren in den Konflikten um Kosovo, Afghanistan und Irak («der bislang schwerste Anschlag auf das Völkerrecht») von den Staaten des politischen Nordens systematisch hintergangen und missbraucht worden sind. Aus Zumachs Darstellung wird beispielsweise auch offensichtlich, dass das Versagen der Uno im «Öl für Nahrungsmittel-Programm» der Uno nicht ein Versagen der Uno war, sondern in erster Linie auf den mangelnden Willen der mächtigen Staaten zur Kontrolle der Geschäfte mit dem Irak zurückzuführen ist.
Als «gravierenden Einschnitt» in der Politik der Staaten bezeichnet Zumach den 11. September 2001, welcher als Startpunkt der offensiven Auslegung der Präventivkriegs-Strategie durch die USA betrachtet werden kann. Dies werde zunehmend auch, wie Zumach kritisiert, von der EU nachgeahmt. Zudem gaben die 191 Mitgliedsstaaten der Uno den USA nach den Attentaten auch einen Freipass für deren Aktivitäten im «Krieg gegen Terror», was sich zwar aus der Betroffenheit über die Terroranschläge erklären lässt, sich aber in der Folge als riesige Hypothek für die Stabilität der Uno-Normen erwiesen hat. Ebenfalls von Zumach kritisiert wird das Verhalten der Staaten (und auch der Friedensbewegung) vor dem Krieg gegen Irak: «Den Kriegsgegnern gelang es nicht, über die Ablehnung der angloamerikanischen Kriegsabsichten hinaus eine Alternative zu entwickeln, die es den Regierungen Bush und Blair vielleicht unmöglich gemacht hätte, diesen Krieg zu führen. Eine Chance hierzu hätte es nur gegeben, wenn die Kriegsgegner das unbestreitbar gravierende Problem der Diktatur in Bagdad und ihrer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nicht den Regierungen Bush und Blair zur Rechtfertigung für einen völkerrechtswidrigen Präventivkrieg überlassen und einen Vorschlag zur Überwindung dieses gravierenden Problems mit völkerrechtskonformen Mitteln unterbreitet hätte.» Natürlich ändert diese (Selbst-) Kritik aber nichts daran, dass Zumach den Krieg als riesigen Fehler bezeichnet und eine ausführliche Schilderung der verheerenden Kriegsbilanz vorlegt.
Drohen weitere Kriege um Öl?
Im zweiten Teil seines Buches formuliert Zumach die Annahme, dass das Versiegen des Rohstoffes Öl in den nächsten Jahrzehnten die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen vergrössern wird. Er zeigt, dass der Iran dabei für die USA und für Europa – das die Ziele der neugeschaffenen Armeestrukturen in ihren Strategiepapieren ebenfalls auf die Sicherung von Ressourcen ausrichtet – «von mindestens ebenso grossem geostrategischen Interesse ist wie der Irak.» Vor diesem Hintergrund ist der Versuch der EU, das (militärische) Machtgefälle zwischen Europa und Amerika auszubalancieren, aber der völlig falsche Ausweg: «Dieses Konzept erhöht das ohnehin bereits beträchtliche Risiko einer Zerstörung dieser Welt durch Kriege und Ressourcen-Raubbau noch einmal erheblich.»
Ein Ausweg aus dieser gefährlichen Sackgasse der versiegenden Ressourcen kann daher nur durch eine radikale Senkung unseres Energieverbrauchs sowie durch die Umstellung auf alternative Energiequellen erfolgen. Doch «angesichts der grossen Versäumnisse in den letzten 20 Jahren» lässt sich auch damit die Gefahr von Ressourcenkonflikten nicht ausschliessen. Diese können nur dann verhindert werden, wenn sich in der Uno eine «Koalition der willigen Multilateralisten» zusammenfindet, welche globale Herausforderungen gemeinsam angeht. Vorschläge, mit welchen Reformschritten diese Koalition von Staaten der Weltorganisationen zu neuem Leben verhelfen könnte, bilden den Abschluss dieses lesenswerten Buches.
Vorschläge der US-Friedensbewegung
(sl) Die Kritik von Andreas Zumach, dass die Kriegsgegner es sich mit der alleinigen Kritik am US-Krieg gegen Irak etwas zu einfach gemacht haben, rührt an eine der zentralen Fragen, welche sich Friedensbewegungen schon immer stellten mussten: Genügt es, Forderungen nach einem Ende von Konflikten zu stellen, oder ist es auch Aufgabe einer Friedensbewegung, Vorschläge zu machen, wie Konflikte alternativ gelöst werden könnten?
Vor diesem Hintergrund ist ein Blick auf die US-Friedensbewegung interessant: Dass die Opposition gegen den Krieg noch immer sehr gross ist, haben die über 300’000 Menschen (Angaben der Organisatoren) bewiesen, die am 24. September 2005 vor dem Weissen Haus für ein Ende der US-Besatzung im Irak demonstriert haben. Doch die Friedensbewegung hat auch Vorschläge gemacht, wie die Gewaltspirale im Irak beendet werden kann: Mit der «People’s Petition for an Iraq Peace Process» (www.peoplespetition.org) schlägt sie dazu eine Reihe von Massnahmen vor: Erstens sollen die USA gegenüber der irakischen Bevölkerung versichern, dass das Land keine Absichten für eine Einrichtung von Militärbasen oder die Kontrolle des irakischen Öls hat. Die USA müssen zweitens einen klaren Fahrplan für den Rückzug von Truppen vorlegen und dies mit einem Teilabzug Ende 2005 auch unterstreichen. Drittens müssen die USA die Kontrolle über den Prozess der Demilitarisierung an die Uno übergeben, Ausgleichszahlungen für Kriegsschäden leisten, eingeleitete Privatisierungen aufheben und die lukrativen Verträge mit US-Firmen für die Aufbauhilfe rückgängig machen. Schliesslich soll ein speziell einzusetzender «Friedens-Gesandter» («peace envoy»), der unabhängig von den US-Besatzungsstrukturen arbeiten kann, eigentliche «Friedens-Gespräche» mit denjenigen Gruppierungen aufnehmen, die sich gegen die Besatzung wehren.