Die Logik des Generalverdachts

Wie es zur Logik des Generalverdachts kam – ein Rückblick auf die Ausweitung der inneren Sicherheit in den letzten vier Jahren.

Am 26. Januar 2008 fand in Basel eine unbewilligte Demonstration gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos statt. Die Polizei nahm zahlreiche Personen vorübergehend fest. Unter den Verhafteten: Eine Gruppe tschechischer Touristen. Mittlerweile ist in den Augen der Polizei während einer Demonstration offenbar jeder verdächtig, ein militanter Aktivist zu sein.

Von der Einkesselung…

Alles begann am 24. Januar 2004, als im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen das Weltwirtschaftsforum 1’082 Personen in Landquart von der Polizei festgehalten und kontrolliert wurden. Die Betroffenen mussten unter widrigsten Bedingungen stundenlang in der Kälte ausharren. Gründe für die Festnahmen wurden keine angegeben.

Noch im gleichen Jahr, am 5. Dezember 2004, traf es Fussballfans des FC Basel, die in einem Extrazug angereist waren, um das Meisterschaftsspiel GC gegen Basel zu sehen. Im Bahnhof Zürich Altstetten war Endstation. Nachdem die Fans den Zug verlassen hatten, kam es zu 427 vorübergehenden Festnahmen. Darunter viele Minderjährige. Auch hier wurden die Verhafteten über Stunden festgehalten. Gerechtfertigt wurde diese Aktion mit der Angst vor gewalttätigen FC Basel-Fans. Begründet werden konnten die einzelnen Festnahmen aber nicht.

… zum Generalverdacht

Drei Jahre später bekamen Kulturschaffende in Luzern die Polizeiwillkür zu spüren, als sie am 1. Dezember 2007 gegen die Schliessung des Kulturzentrums Boa demonstrieren wollten. Für einen solchen Protest gab es am Abend vor der Euro-Auslosung im KKL keinen Platz. Es kam zu 245 vorübergehenden Festnahmen. Unter unmenschlichen Bedingungen mussten die Betroffenen stundenlang in einer Zivilschutzanlage ausharren. Die Festnahmen erfolgten völlig grundlos und willkürlich, ohne Verdacht auf strafbare Handlungen.

An der Anti-WEF-Demonstration vom 18. Januar 2008 in Bern wurden schliesslich über 200 Personen vorläufig festgenommen. Auch hier fehlte für die Festnahmen jegliche Grundlage. Es ging für die Polizei in erster Linie um eine Wiederherstellung der Ehre, nachdem sie nach den Ausschreitungen vom 6. Oktober 2007 viel Kritik hatte einstecken müssen. So wurde aus der Demonstration gegen das WEF eine Demonstration der Polizei. Unter den Verhafteten waren auch zwei Journalisten, die über die Demonstration berichten wollten. Damit erreichte die Einschränkung der verfassungsmässigen Rechte ihren vorläufigen Höhepunkt. Neben der Versammlungsfreiheit, der Meinungsäusserungsfreiheit und der persönlichen Freiheit wurde hier auch die Pressefreiheit beschnitten.

Nach den Politaktivisten die Fussballfans, nach den Fussballfans die Kulturschaffenden, nach den Kulturschaffenden die Journalisten, nach den Journalisten die Touristen. Irgendwann nehmen sich die Polizisten noch gegenseitig fest.