90 Personen folgten am 4. September in Hausen a.A. dem Vortrag von Jo Lang über Aufrüstung, Frieden, Demokratie. Der von der SP Hausen organisierte Anlass wurde aufgrund der zahlreichen Anmeldungen kurzfristig in die katholische Kirche verlegt.
Aus Europa, nicht zuletzt der Schweiz wurde und wird Putin massiv aufgerüstet. Auch die jetzige Aufrüstung gegen Putin gereicht diesem zum Vorteil. Die Kombination von Rüstungswahn und Kürzungswahn stärkt die rechten Kräfte, die ihm nahestehen.
Militärisch ist Nato-Europa Putin überlegen

Wissenschaftliche Studie im Auftrag von Greenpeace 11.02.2025 (https://www.greenpeace.de/frieden/kraeftevergleich-nato-russland)
Greenpeace-Studie 2025
Westeuropa ist – auch ohne USA – Russland militärisch im konventionellen Bereich deutlich überlegen. In den Jahren 2014 bis 2023 betrugen die Rüstungs- und Militärausgaben von Nato-Europa jedes Jahr mindestens das Vierfache der russischen Ausgaben. Im letzten Jahr standen den 149 russischen Milliarden 500 Nato-Europa-Milliarden gegenüber.
Was die Truppenstärke betrifft, verfügt die Nato gesamthaft über 3,3 Mio Soldaten. 1,4 Mio sind aus den USA und Kanada, von ihnen sind 100‘000 in Europa. Die Europa-Nato hat 2 Millionen Soldaten, Russland 1,3 Mio. Zudem gelten die russischen Soldaten als wenig kampfstark. Warum macht Putin keine allgemeine Mobilmachung? Weil er Angst vor Unruhen oder gar einen Volksaufstand hat!
Ein Angriff Russlands auf den Westen wäre zudem erst nach einem Sieg in der Ukraine überhaupt denkbar. Gemäss Erfahrungswerten für die Anzahl benötigter Besatzungstruppen müsste Russland rund eine Million Soldaten in der Ukraine stationieren, um Guerilla- und Aufstands-Aktivitäten unter Kontrolle zu halten.
Zudem ist Russland Westeuropa technologisch massiv unterlegen. Und die demographische Entwicklung gehört weltweit zu den negativsten. Wirtschaftlich ist es extrem vom Export von fossilen Energieträgern abhängig.
Putin ist eine reale Gefahr für das ukrainische und natürlich das russische Volk. Er dürfte die russischen Minderheiten in den Baltischen Staaten benützen, um Unruhe und Unsicherheit zu schaffen. Er wird den Cyber-War ausbauen. Und die Desinformation intensivieren – mit Hilfe seiner zahlreichen rechtskonservativen und linksstalinoiden Komplizen wie Trump & Orban, Weidel & Wagenknecht, Köppel & Konsorten. Aber es ist ausgeschlossen, dass er einen Frontalangriff gegen die Nato wagt. Putin ist nicht einmal fähig, Kiew oder das in seiner direkten Nähe liegende Charkiw zu erobern.
Europa füllt weiterhin Putins Kriegskasse

Ostermarsch 2025
Die grösste Schwachstelle Putins ist die Kriegskasse. Aber genau hier versagt Westeuropa – allen voran die Schweiz! Im ersten Halbjahr 2025 wurden Rohstoffe und Waren im Wert von 20 Milliarden aus Russland in die EU exportiert. Im letzten Jahr spülte allein die Zuger Flüssiggas-Firma Novatek 8 Milliarden in Putins Kriegskasse. Das entspricht dem 900fachen Gegenwert der 12’400 Schuss FLAK-Munition, über die wir seit drei Jahren reden (um nicht über das eidgenössische Füllen Putins Kriegskasse reden zu müssen). Dass Flüssiggas nicht sanktioniert ist, hat entscheidend mit Macron zu tun. Total ist an der LNG-Ausbeutung auf der ostsibirischen Halbinsel Yamal beteiligt.
Der Hauptgrund für die Unfähigkeit Westeuropas, strategische Autonomie zu erringen, liegt nicht in fehlenden Mitteln. Er liegt an einer national beschränkten Rüstungs- und Verteidigungspolitik. Frankreich will seine Force de Frappe als strategische Hauptoption durchsetzen. Deutschlands Militärbürokratie wird die zusätzlichen Milliarden administrativ neutralisieren. Dazu kommt die Konkurrenz zwischen Raffale und Eurofighter. Die britische Nuklearstrategie frisst den anderen Armeebereichen fast alles Geld weg.
Die einzige sinnvolle Rüstungserhöhung ist die direkte Militärhilfe an die Ukraine. Aber die Aufrüstung, auch die westeuropäische, hat zur Folge, dass auf Kosten der Ukraine Rüstungsgüter verknappt und verteuert werden. Beinahe hätte die Schweizer Armee der Ukrainischen Armee Munition im Wert einer Milliarde weggenommen….
Die westliche Aufrüstung stärkt die Pro-Putin-Kräfte

Demo gegen Sozialabbau in London 2025
Die direkte Aufrüstung Putins ist nicht die einzige zu seinen Gunsten. Auch die militärische Aufrüstung Westeuropas gereicht Putin letztlich zum Vorteil. Die massiven Mehrausgaben für Rüstung und Armeen führen gezwungenermassen zu Sozial-, Bildungs-, Kultur-, ÖV-Abbau und zur Vernachlässigung der grössten sicherheitspolitischen Herausforderung: der Klimaerwärmung. Und sie führt zur Militarisierung vieler (nicht aller!) Köpfe. Und Militarisierung bedeutet immer Stärkung des Nationalismus, des Autoritarismus und des Machismus. All das zusammen kommt politisch den Rechtskonservativen, Rechtspopulisten, Rechtsextremen zu Gute. Und die stehen grossmehrheitlich auf der Seite Putins – wie auch Trumps.
Das französische Sparprogramm, das nächste Woche die Regierung stürzen könnte, hat viel zu tun mit der massiven Steigerung der Rüstungsausgaben. Wer von den politischen Wirren mehr profitieren wird, die Linke oder der Front National, hängt auch damit zusammen, ob die Linke den Mut findet, zu sagen: Butter statt Bomben!
In Grossbritannien, wo die Labour-Regierung ebenfalls massiv aufrüsten will, konnte sie vor den Ferien ihren Sturz nur vermeiden, indem sie eine besonders heikle Sparmassnahme, den Heizzuschuss für Rentnerinnen und Rentner, wieder zurücknahm. Ihre Kombination von Rüstungs-Ausbau und Sozial-Abbau führte bereits zu einer wichtigen Links-Abspaltung. Aber die Hauptprofiteurin der tiefen Labour-Krise ist die rechtsextreme «Reform»-Partei und damit neben Trump auch Putin.
In Spanien vermochte der Sozialistische Premierminister Sanchez mit seiner Trotz-Haltung gegen «Daddy» Trumps Aufrüstungs-Befehl an der Nato-Tagung seine Regierung in letzter Not zu retten. Die PSOE stand wegen einem grossen Korruptions-Skandal am Abgrund. Die grosse Mehrheit der Bevölkerung, erst recht der Linken, ist gegen Aufrüstung. Hauptgewinnerin bei einem Regierungswechsel wäre die rechtsextreme Vox – und damit auch Trump und vor allem Putin.
Übrigens ist auch in der Schweiz eine klare Mehrheit gegen die Aufrüstung. Bei der jüngsten Umfrage durch die MILAK (Militärakademie) fanden nur 24% der Befragten, die Militärausgaben seien zu erhöhen. Die Medien unterschlagen diese Zahl, dafür machen sie die Aussage, noch nie seien so viele Leute für Mehrausgaben gewesen. Was für eine Zahl geht da den Leuten durch den Kopf? Tatsächlich ist sie seit 2024 um vier Prozent gestiegen. Aber auch die Zahl derjenigen, die finden, es würde zu viel ausgegeben, ist um vier Prozent gestiegen: von 30 auf 34%. Zwischen veröffentlichter und öffentlicher Meinung gibt es einen grossen Graben.
Militärisch-Industrieller BlackRock-Komplex

BlackRock – Rheinmetall – Kanzler – Komplex
Habt ihr je einen Artikel über den Militärisch-Industriellen Komplex gelesen? Ein Begriff, der vom Ex-General und Präsident Eisenhower in seiner Abschiedsrede 1961 – mitten im Kalten Krieg – geprägt wurde, und zwar mit warnender Absicht. Bei der aktuellen Aufrüstung spielen Rüstungskonzerne eine noch wichtigere Rolle. Das Budget deren Lobby in Brüssel ist zwischen 2022 und 2023 um 40 Prozent gestiegen.
Heute haben wir einen militärisch-industriell-finanziellen Komplex. So hat die Investmentgesellschaft BlackRock Anteile an Airbus, Leonardo, Thales, Indra Sistemas, Dassault, Rheinmetall in Europa sowie Boeing, Lockheed Martin, Raytheon, Northrop und General Dynamics in den USA. Acht Tage, nachdem BlackRock seinen Anteil bei Rheinmetall im Juni 2024 auf 5,25 Prozent erhöht hatte, erhielt der Rüstungskonzern einen Grossauftrag. Konkret geht es um eine Bestellung der Bundeswehr, die Artilleriemunition bis zu rund 8,5 Milliarden Euro erwerben will.
Übrigens war der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz 2016 bis 2020 zuständig für die Expansion von BlackRock in Deutschland. Und der Vizekanzler Lars Klingbeil, der im Schröder-Umfeld aufgestiegen ist, gehörte der Moskau-Connection an. Macron, Merz, Klingbeil – sie verkörpern das ethische Niveau des europäischen Aufrüstungs-Woke!
Auch das demokratische Niveau der Aufrüstung ist prekär. Die Meinung der Bürgerinnen und Bürger spielt eine sehr geringe Rolle. Zudem gibt es vielerorts eine Verschiebung von der parlamentarischen Volksvertretung zu den Exekutiven.
Und in der Schweiz zeigt die F-35-Geschichte, wie Aufrüstung zur Aushebelung der direkten Demokratie führt. Zuerst wurde bei der Kredit-Abstimmung nicht die konkrete Frage 6 Mia für F-35 gestellt. Die Antwort des Souveräns wäre ein klares Nein gewesen. Trotz dieser Offensichtlichkeit wurde der F-35 ausgewählt. Darauf wurde die Stop-F/35-Initiative nach ihrer Einreichung ausgehebelt. Und jetzt soll es keine Abstimmung über eine allfällige Erhöhung des Kredits geben.
Die Aufrüstung Putins aus der Schweiz

Moskau 25. Januar 2017
Es gibt – abgesehen vom Zweiten Weltkrieg – keinen Krieg seit dem Untergang der Alten Eidgenossenschaft, mit dem die Schweiz derart verhangen war und ist wie mit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine. Allein aus den beiden wichtigsten Geldquellen, den Rohstoffhandelszentren Zug und Genf, sind Hunderte von Milliarden nach Russland geflossen. Es wird die Aufgabe eines zukünftigen Bergier-Berichts sein, das Ausmass zu berechnen.
Sowohl für den Rohstoffhandel wie auch die Oligarchen spielten die Zürcher Grossbanken eine unersetzliche Rolle. Zu leicht vergessen geht, dass Putin seine Bomber, Raketen, Butscha-Munition mit St. Galler und Berner Spezialmaschinen baute und baut. Das Seco hatte nach der Krim-Annexion 2014 richtigerweise Sanktionen gegen Dual-Use-Güter beschlossen. Ein freisinniges Pro-Putin-Powerplay, angeführt von der damaligen St. Galler Ständerätin Karin Keller Sutter hat sie wieder aufgehoben. Der FDP-Volkswirtschaftsminister hatte im März 2016 dem Seco den Tarif der Geldsack-Neutralität durchgegeben: „Keine ideologische Prüfkriterien“.
Die Bürgerlichen, insbesondere die Zuger, steckten nach Putins Überfall vom 24. Februar 2022 in der Bredouille. Zwei Tage später kamen Cédric Wermuth und ich an der Berner Anti-Kriegs-Kundgebung auf das Schweigen des Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister zu sprechen. Wir waren uns einig: Er macht auf low profile, um sich vor dem zugerischen high profile zu schützen.
Dann passierten zwei Sachen, die sehr viel aussagen über den Zustand der helvetischen Kommerz-Politologie wie auch der bürgerlichen Medien. Zuerst adelte Michael Hermann Gerhard Pfister zum einzigen Parteipräsidenten mit «Wertedimension» und «Moralkompass» – weil er schwieg… Offenbar hatte Hermann noch nie von Gazprom, Nordstream, Glencore gehört!
Kurz darauf brach Pfister sein Schweigen mit dem im doppelten Sinne billigen Spruch: «Munition für Kiew». Wer nur ein bisschen Ahnung vom Zuger Rohstoffhandelsplatz und Pfisters Nibelungentreue zu diesem hatte, wusste, was der Mitte-Präsident damit meinte: Nebelpetarden für Zug und sich selbst. Aber die Medien, die offenbar auch noch nie vom massiven Putin-Verhängnis von Pfisters «Erfolgsmodell Zug» gehört hatten, feierten Pfister als Ukraine-Helden. Auch nachdem er die Milliardenkredit-Anträge für die Ukraine von Ständerat Zopfi und Nationalrat Molina abgelehnt hatte.
Seither redet die Schweiz über das, was sie nicht darf, um nicht zu reden, über das was sie tat (Putin-Aufrüstung), tut (Putin-Aufrüstung) und vor allem muss: Milliarden-Hilfe an die Ukraine als Kompensation für das Leid und die Zerstörung, die Putin mit Schweizer Geldern und Gütern anrichtet. Ich dokumentierte gleich nach Pfisters Nebelpetarde zahlreiche Medienschaffende über Pfisters Verteidigung auch der putinnahen Gesellschaften. So hatte er im März 2006 meine Abwahl gefordert hatte, nachdem ich mich im Januar 2006 von den beiden Zuger Pipeline-Gesellschaften distanziert hatte, die für Putin den damaligen Erdgaskrieg gegen die Ukraine führten.
Der Umgang der Medien mit der Mitverantwortung des Schweizer Kapitalismus und Bürgertums für Putins Krieg gehört zu den grösste Medienversagen der letzten fünfzig Jahre. 2016 rettete die Glencore Putin vor dem Staatsbankrott – eine Folge der Krim-Sanktionen, indem sie mit ihrem grössten Einzelaktionär, dem Katharischen Staatsfond, 11 Milliarden in die staatliche Rosneft steckte. Iwan Glasenberg erhielt dafür den Freundschaftspreis der Russischen Föderation. Die 12’400 Schuss FLAK-Munition, die Pfister im März 2022 lancierte haben den Gegenwert von 0,8 Promille der 11 Glencore-Milliarden. Früher war 0,8 Promille eine alkoholische Vernebelungsformel. Pfister machte aus ihr eine politische.
Einschub: Pazifismus und Ukrainekrieg
Der Präsident der SP Hausen Georges Köpfli hat mich gebeten, auf die Frage, was der Ukraine-Krieg für den Pazifismus bedeute einzugehen. Der Ukraine-Krieg machte etwas deutlich: Pazifismus in der Schweiz bedeutet zuallererst: Kampf der Fütterung von Kriegen – mit Geld, aber auch mit Gütern! Das sprengt die gängige Einengung des Begriffs Pazifismus auf die Frage der Gewaltanwendung. Für einen Pazifismus, der sich nicht primär als Mittel (Gewaltlosigkeit), sondern als Ziel (Weltfrieden) versteht, gehört der Kampf gegen Autoritarismus und Unterdrückung, erst recht gegen das Füllen von Kriegskassen, zu den Kernthemen. Dazu passt auch das 1901 von Émile Arnaud, dem Präsidenten der Ligue Internationale de la Paix et de la Liberté, geschaffene Kunstwort „pacifisme“. Es setzt sich zusammen aus den lateinischen Wörtern „pax“ (Frieden) und „facere“ (machen). Pazifismus heisst in seiner ursprünglichen Bedeutung „Frieden stiften“.
Aber das Stiften von Frieden kann in Extremfällen den Einsatz von Waffen erheischen. Es brauchte die Armeen der Alliierten, um die Welt von den Nazis zu befreien. Zu den grössten Niederlagen für den Pazifismus zählt der militärische Sieg eines Kriegsherrn. Das war in den 1960er Jahren, als sich Vietnam gegen die Invasion der USA zur Wehr setzte, den meisten Friedensbewegten klar. Praktisch alle anerkannten das Recht Vietnams, die Unabhängigkeit militärisch zu verteidigen und dafür von der Sowjetunion und von China Waffen zu beziehen. Die Niederlage des westlichen Aggressors erleichterte in den 1970er Jahren die Entspannungspolitik und die atomare Abrüstung.
Was für die USA galt, gilt heute für Russland. Ein Erfolg von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine wäre ein Rückschlag für den Frieden, und zwar weltweit. Um das zu verhindern, ist die Ukraine auf Nato-Waffen angewiesen.
Was bedeutet all das für die Schweiz? Erstens gebietet das Neutralitätsrecht, das ohne Volksabstimmung nicht verändert oder aufgegeben werden kann, die Gleichbehandlung beider Seiten in der Waffenfrage. Rüstungsmaterial darf also nur an beide oder an keine Seite weitergegeben oder vermittelt werden. Zudem: Hätte die Schweiz Waffen geliefert oder vermittelt, hätte es keine – von der Ukraine hoch geschätzte – Bürgenstock-Konferenz gegeben. Und Genf wäre jetzt völlig chancenlos.
Es wird immer klarer, wozu die angestrebte Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes dient: dem viel lukrativeren Golfstaaten-Geschäft der hiesigen Rüstungskonzerne. Wäre es den Bürgerlichen um eine beschränkte Lex Ukraine gegangen und hätten sie eine weitergehende Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes ausgeschlossen, wäre die Vorlage im National- und Ständerat durchgekommen und die GSoA hätte kein Referendum ergriffen.
Ich kehre zur allgemeinen Frage des Pazifismus zurück:
Der Kern des Pazifismus oder des Friedenstiftens ist wie im Standardlexikon „Geschichtliche Grundbegriffe“ von 1978 festgehalten wird: „die Schaffung einer auf Recht gegründeten Staaten- und Völkergemeinschaft“.
Und hier sind wir bei einer Fragestellung, die alle friedenspolitischen Überlegungen und Bestrebungen seit der Aufklärung prägt. Immanuel Kant schlug 1795 in seinem „philosophischen Entwurf“ mit dem Titel „Zum ewigen Frieden“ die Entwicklung eines universellen „Völkerrechts“ und die Gründung eines „Völkerbundes“ vor. Die im Juni 1945 von 50 Staaten unterzeichnete UNO-Charta war stark von Kant und seiner Philosophie geprägt.
Nur ein universeller Völkerbund, der auf dem Völkerrecht baut und dieses auch durchzusetzen vermag, kann den Weltfrieden, das Ziel aller Menschen guten Willens, erreichen. Dass die UNO, die in den frühen 1990er Jahren ein Revival erlebte, heute derart geschwächt dasteht, hat nicht nur mit Trump und Putin zu tun. So wurden Gorbatschow mit seinem Projekt „Gemeinsames Haus Europa“ und die UNO sowie das Völkerrecht ab 1995 von der NATO auf dem Balkan und in den Nuller Jahren durch die USA und Grossbritannien mit dem War on Terror richtig vorgeführt.
Zwitter-Armee in der Krise
Die Schweiz ist durch Putin militärisch nicht bedroht – auch dank der Nato. Sie ist allerdings betroffen von Cyber-War, Spionage, Desinformation. Dagegen braucht es durchaus mehr Mittel. Was die Luftpolizei betrifft, braucht es keine Tarnkappen-Systeme, sondern 12 Jets, die schnell fliegen und rasch aufsteigen können.
Der F-35, in dessen Cockpit Trump sitzt, ist keine Sicherheits-Garantie, sondern ist ein Sicherheits-Risiko. Die Grundlage jeglicher Sicherheitspolitik, die diesen Namen verdient, ist ein Rückkommen auf diesen Mega-Fehlentscheid. Auch Linke, die bei der Aufrüstung nicht zum Voraus gegen Eintreten sind, bleiben nur konsequent, wenn sie für ein Mitmachen den Verzicht auf den F-35 zur Conditio sine qua non machen.
Allen, die in keiner finanziellen oder sentimentalen Abhängigkeit zur Armee stehen, und dazu gehören auch Teile der Militärführung, ist klar: Der Alleingang ist überholt. Die bewaffnete Neutralität ist ein Auslaufmodell. So hat auch der bisherige Chef der Armee Thomas Süssli erklärt, dass sich die Schweiz alleine nicht mehr nachhaltig verteidigen könne.
Politik und Militär versuchen nun, Alleingang und „Nato-Kooperation“ zu verbinden: Panzer für die SVP und F-35 für die FDP. Dieser Zwitter ist praktisch unsinnig und finanziell superteuer. In diesem Zwitter-Charakter liegt der Hauptgrund, warum die Schweizer Armee weiterhin in einer tiefen Krise steckt.
Dazu kommt: Hinter den Zauberwörtern «Nato-Kooperation» oder «Nato-Annäherung» steckt der „Bau von Luftschlössern“. Das Zitat stammt aus dem höchst lesenswerten Buch „Von Feld zu Feld“ von Bruno Lezzi, einem legendären NZZ-Militärredaktor, Nachrichtenoffizier und Generalstabsoberst, der leider vor zwei Jahren gestorben ist.
Zu den Problemen mit der Miliz schrieb Lezzi: „Im Rhythmus der Wiederholungskurse mit stets wechselnden Formationen lässt sich keine Tiefenwirkung erzielen. (…) Eine sporadische Übungsbeteiligung, die dem Ausbildungsrhythmus der Miliz folgt und damit zwangsläufig an der Oberfläche bleibt, bringt fachlich nichts.“ In anderen Worten: Die Schweizer Milizsoldaten stehen den Nato-Berufssoldaten bloss im Weg.
Noch grössere Probleme sah Lezzi im Zusammenhang mit der Neutralität. „Ohne Integration in das Luftverteidigungssystem der Allianz ist beispielsweise die Durchführung von Luft-Boden-Operationen über weite Distanzen nicht zu denken.“ Daraus schliesst Lezzi: „Keinesfalls darf die Illusion genährt werden, dass Neutralitätsrecht und Neutralitätsstatus eine Verteidigungskooperation erlauben, die einen wirklichen Sicherheitsgewinn brächte.“
Lezzi ist deshalb für den Beitritt zur Nato, der die Abschaffung der Neutralität erheischt. Seine Überlegungen sind Verstandes–rational, aber sie sind nicht zwingend. Es gibt eine andere Option, eine Vernunft-rationale: Die Schweiz verwandelt die heutige Geldsack-Neutralität in eine umfassende Friedens- und zivile Sicherheitspolitik im nationalen wie im internationalen Rahmen von UNO, OSZE und auch EU. Und schafft eine Armee ab, die nur im Rahmen der Nato militärisch Sinn macht. In der Republik hat Priscilla Imboden vor einem Jahr beide Optionen detailliert vorgestellt.
Meine Zeit reicht hier nicht, um die Option Umfassende zivile Friedens- und Sicherheitspolitik auszuführen. Nur so viel: Gemäss der erwähnten MILAK-Umfrage sind 86 Prozent für die Beibehaltung der Neutralität. Aber sie sind nicht für die SVP-Neutralität: 71 Prozent unterstützen die Sanktionen gegen Russland. 32 Prozent sind für den NATO-Beitritt (was bei jenen, die gleichzeitig für die Neutralität sind, nicht aufgeht), aber 57% wünschen einen aktiven Einsatz an vorderster Front für UNO-Anliegen. Ein Beispiel war der Erfolg von Micheline Calmy-Rey beim UNO-Beschluss für einen Atomwaffenverbots-Vertrag. Leider weigert sich der jetzige Bundesrat, den Vertrag zu ratifizieren.
Gegen das Recht des Stärkeren die Stärkung des Rechts

Libération 24.11.2024
Ich will zum Schluss vor dem Hintergrund der globalen Entwicklung skizzieren, was für eine positive Rolle die Schweiz spielen könnte.
Was wir heute erleben, ist eine globale Schwächung des Rechts zugunsten der Rechte der Stärkeren, wie wir es seit 1945 nie mehr erleben mussten, und zwar in militärischen wie politischen und ökonomischen Bereichen. Zum Ukrainekrieg kam der Gazakrieg. Netanyahu reagierte auf das verbrecherische Massaker vom 7. Oktober 2023 mit einer Kaskade von Kriegsverbrechen, die mindestens 60‘000 Menschen, ein Drittel davon Kinder, das Leben kosteten. Parallel dazu verschärft Israel die völkerrechtswidrige Besetzung des Westjordanlandes. All das, um einen Palästinenserstaat für immer zu verhindern.
Dann kam Trump, der die beiden Kriegsverbrecher und Völkerrechts-Feinde Putin und Netanyahu bestärkte und damit die UNO und das Völkerrecht noch mehr schwächte. Dazu kündigte er die Annexion von Gebieten anderer Staaten wie Grönland, Panama oder gar Kanadas an. Die drei Staaten Russland, USA, Israel sind die mächtigsten unter den 18, die am 24. Februar 2025 in der UNO-Vollversammlung die Ukraine-Resolution zugunsten Putins ablehnten.
Aber auch Länder, die sich bei dieser Abstimmung enthielten, beispielsweise China, ziehen notfalls das Recht des Stärkeren der Stärke des Rechts vor. Und selbst unter den europäischen nehmen sich einige das Recht heraus, ohne UNO-Mandat weltweit zu operieren: Grossbritannien beispielsweise im Irak-Krieg oder Frankreich in Afrika. Eine europäische Armee unter britisch-französischer Führung hätte ein arg koloniales Gschmäckle.
Wie wenig die menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Errungenschaften der UNO den EU-Staaten, aber auch der Schweiz wert sind, zeigt das Fehlen jeglicher griffiger Massnahmen gegen die Zerstörung und Aushungerung von Gaza durch die israelische Armee. Die Schweiz ist nicht einmal bereit zur – symbolisch wichtigen – Anerkennung Palästinas.
Weiter erleichtert die Schwächung der UNO und des Völkerrechts Kriege in anderen Regionen dieser Welt. Ich denke hier an den Sudan oder an Kongo/Ruanda. Besonders beunruhigend ist das Drohen mit der Atomwaffe, das während ein paar Jahrzehnten tabu war. Putin ist diesbezüglich am weitesten gegangen, aber auch israelische Minister haben mit Atomeinsätzen im Gaza gedroht. In den USA fordert das konservative „Projekt 2025“ den Vorrang der Atomwaffenprogramme vor allen anderen Sicherheitsprogrammen. Und das im 80. Jahr von Hiroshima und Nagasaki!
Das Sinnvollste, was die Schweiz heute tun kann, ist die Stärkung der UNO und des Völkerrechts. Dazu braucht es mehr Geld, eine mutige Diplomatie und eine Haltung, die keine Rücksichten auf fremde Mächte und eigene Gelder nimmt. Und die Ratifizierung des Atomwaffenverbots-Vertrags.
Aber die wichtigste Herausforderung für die Schweiz ist es, ihre Rolle als Rohstoffhandels-Grossmacht auch als sicherheitspolitische zu verstehen. Putin-Kriegskasse & Ukraine-Krieg sind nicht das einzige Beispiel: Welche Rolle spielen Schweizer Rohstoffkonzerne im Kongo-Ruanda-Krieg? Welche im Nahost-Konflikt? Welche im Sudan? Welche in der Trump-Offensive gegen Lateinamerika oder in die Tiefsee?
Die nächste Konzernverantwortungsinitiative wird eine friedenspolitische sein.
Gegen den medialen Mainstream, dem es – irgendwie nachvollziehbar – leichter fällt, auf den Pazifismus als auf den Kapitalismus zu zielen, halte ich fest:
Putin wurde und wird durch den Kapitalismus aufgerüstet, nicht durch den Pazifismus!


