Eine Strafe gerät ins Wanken

Ein Ende April gefällter Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellt die Legitimation der Schweizer Wehrpflichtersatzsteuer grundlegend in Frage. Endlich.

Wer keine oder zu wenige Militär- oder Zivildiensttage leistet, muss eine finanzielle Abgabe entrichten – die sogenannte Wehrpflichtersatz-Steuer. Unabhängig davon, aus welchem Grund der Betroffene den Pflichtdienst nicht leistet, ist diese Steuer geschuldet. Offiziell soll sie einen Ausgleich schaffen zwischen solchen, welche die Dienststrapazen auf sich nehmen müssen und solchen, die das «Privileg » haben, nicht beansprucht zu werden. Praktisch heisst das: Der Staat verlangt Zwangs arbeit – wer diese nicht leisten will oder kann, wird zur Kasse gebeten.

Diskriminierung

Sven Glor wurde 1997 für dienstuntauglich erklärt und konnte weder Militär noch Zivilschutz leisten. Ersatzsteuern hingegen sollte er bezahlen. Das empfand er als ungerecht und prozessierte bis vor Bundesgericht, wo seine Beschwerde aber abgelehnt wurde. Danach klagte er beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg und bekam Recht. Die Richter fanden, er werde diskriminiert und solle rückwirkend eine Entschädigung bekommen. Zudem verurteilten sie die Steuer als prinzipiell nicht vertretbar. Die Schweiz will dieses Urteil anfechten.

Strassburger Urteil rüttelt an Wehrpflicht

Das Urteil wird zur Konsequenz haben, dass entweder die Wehrpflichtersatzsteuer abgeschafft werden muss, oder dass allen ein zumutbarer Dienst zur Verfügung stehen muss. Das Militär will sich aber weiter verkleinern und der Zivilschutz ist überfüllt. Wohin also mit den Wehrpflichtigen?

Eine Konsequenz könnte die Neudefinition des Wortes Diensttauglichkeit sein, wobei das Militär nicht mehr das Mass aller Dinge sein würde. Dadurch könnte der Zivildienst für den Staat als nützliches Auffangbecken in Betracht gezogen werden und schliesslich das Ende der Wehrpflicht eingeleitet werden.