Im Dezember 2018, vor nicht ganz 5 Jahren, lancierte die Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer die «Korrekturinitiative». Was wollte die Korrekturinitiative und weshalb dieser Name?
Die Korrekturinitiative war eine Antwort auf eine inkonsequente Waffenexportpolitik des Bundesrats. Die Bestimmungen waren eigentlich klar: Die Schweiz exportiert kein Kriegsmaterial in Bürgerkriegsländer oder Länder, die Menschenrechte systematisch verletzen. So stand es in der Verordnung geschrieben und der Bundesrat versprach, diese Kriterien einzuhalten und nicht zu lockern. Auf Druck der Rüstungsindustrie hat er jedoch mehrere Male diese Bestimmung in eigener Kompetenz gelockert und ebensolche Exporte erlaubt. Um dies künftig zu verhindern und den Entscheid des Bundesrats zu korrigieren und Waffenexporte zu demokratisieren, bildete sich die Allianz gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer, eine breite Allianz aus Parteien, Organisationen und Verbänden und lancierte die Korrektur-Initiative. Das Anliegen war keine Verschärfung der Exportkontrolle, sondern eine Korrektur der Lockerungen, die der Bundesrat verfügte, sowie ein Festschreiben der Exportbestimmungen auf Gesetzesebene. Dieser sehr technische und formelle Schritt war extrem wichtig, denn auf Gesetzesstufe könnte der Bundesrat nicht mehr eigenständig Lockerungen vornehmen, ohne Zustimmung des Parlaments bzw. ohne Abwägung eines möglichen Referendums.
Das Parlament begrüsste die Kernanliegen der Korrekturinitiative und unterbreitete dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag. Der Bundesrat wollte sich dabei ein Schlupfloch offenhalten: Unter «besonderen Umständen» sollte er weiterhin die Exportbedingungen eigenständig lockern können. Glücklicherweise lehnten beide Kammern dieses Schlupfloch ab. Nur deswegen hat die Allianz dann entschieden, die Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückzuziehen. Denn ein solches Schlupfloch hätte den gesamten Aspekt der demokratischen Kontrolle über die Exportbestimmungen torpediert. Der Bundesrat hätte mit dem schwammigen Prädikat der «besonderen Umstände» weiterhin Waffen in Länder exportieren können, die Menschenrechte verletzen. Mit dieser Sonderregelung wäre auch die Initiative nicht zurückgezogen worden.
Am 01. Mai 2022, also vor etwas mehr als einem Jahr, trat die Änderung in Kraft. Seither steht im Kriegsmaterialgesetz, dass Waffenexporte in Bürgerkriegs- und menschenrechtsverletzende Länder verboten sind – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Eine Änderung braucht nun die Zustimmung des Parlaments und das Volk hat die Möglichkeit, ein Referendum zu ergreifen. Und jetzt sind wir beim heutigen Tag: Nach dem Ständerat hat nun auch der Nationalrat eine Motion der sicherheitspolitischen Kommission (SiK-S), welche das Schlupfloch für den Bundesrat, das damals bewusst vom Parlament gestrichen wurde, wieder einführen will. Die Motion ist im exakt selben Wortlaut verfasst, wie damals der Bundesrat seine Forderung nach diesem Schlupfloch formulierte. Halten wir also fest: Die SiK-S kopierte die Forderung des Bundesrats, welche erst noch vom Parlament abgelehnt wurde. Dieses Vorgehen ist nichts als Zwängerei und eine Missachtung eines parlamentarischen Entscheids, der keine fünf Jahre alt ist. Zudem wissen die Leute im National- und Ständerat ganz genau, dass es damals nur aufgrund des Verzichts dieses Schlupflochs keine Volksabstimmung gab. Es ist also auch schlicht ein undemokratisches Vorgehen.
Man könnte nun meinen, dass dieser Vorstoss in Zusammenhang mit Waffenlieferungen an die Ukraine steht. Doch würde eine Annahme dieser Motion der Ukraine keinen einzigen Schuss Munition bringen. Werner Salzmann, Präsident der SiK-S sagt selbst, es gehe um ein positives Zeichen an die Schweizer Rüstungsindustrie. Und auch der Bundesrat bestätigte in seiner Stellungnahme, dass die Motion keine Lieferungen an die Ukraine ermöglichen würde. Alles, was die SiK-S damit will, ist der Rüstungslobby einen Gefallen tun. Denn sie weiss genau, dass der Bundesrat von dieser Kompetenz nach eigenständigen Lockerungen auch Gebrauch macht, wenn er sie denn hat – das hat er in Vergangenheit mehrmals bewiesen. Wenn die Rüstungsindustrie klagt, gibt der Bundesrat sehr schnell nach. Und klagen kann die Rüstungsindustrie gut, obwohl es ihr offensichtlich blendend geht: 2022 wurde Schweizer Kriegsmaterial im Wert von 955 Millionen CHF exportiert: Das ist ein Allzeitrekord.
Ganz vorbei ist es allerdings noch nicht: Die Motion hat in beiden Kammern eine Mehrheit gefunden. Der Bundesrat wird nun eine Botschaft ausarbeiten, die wie jede andere auch in die Vernehmlassung geht. Danach muss die Botschaft nochmals beide Räte passieren, bevor die Gesetzesänderung in Kraft treten bzw. ein Referendum ergriffen würde.
Es ist beschämend, wie sich Parlament und Bundesrat von der Rüstungsindustrie unter Druck setzen lassen. Alles, was erreicht werden soll, ist, dass Golfstaaten wie Saudi-Arabien Schweizer Kriegsmaterial erhalten können. Es geht um nichts anderes. Es ist kein Geheimnis, dass der Handel mit Staaten, die sich in Bürgerkriegen befinden oder in solche verwickelt sind, ein lukratives Geschäft für die Rüstungsindustrie ist. Die Motion könnte also genauso gut Lex Saudi genannt werden. Die bürgerliche Mehrheit stellt einmal mehr Profite über Menschenrechte in vulnerablen Staaten. Wir fordern alle Mitglieder des Parlaments auf, bei der Beratung der kommenden Botschaft ihr humanitäres Bewusstsein zu beweisen und dafür zu sorgen, dass Schweizer Waffen nicht in Bürgerkriegen oder bei menschenrechtsverletzenden Regimes landen. Wir fordern sie auf, demokratisch gefällte Entscheide zu respektieren. Wir fordern sie auf, den Krieg in der Ukraine nicht schamlos auszunutzen, um ihre politischen Forderungen durchzudrücken. Wir fordern sie auf, diese Gesetzesänderung abzulehnen!