Für einen gerechten Frieden in Israel / Palästina

Der jüngste Gazakrieg löste auch in der GSoA Entsetzen und Diskussionen aus. Der Autor erhielt deshalb den Auftrag, unsere bisherige Position darzulegen. Dieser Text ist die von Vorstandsmitgliedern in einzelnen Punkten korrigierte Zusammenfassung.

Wie lässt sich auf dem einstigen «Mandatsgebiet Palästina» zwischen den beiden Nationen, der mit und der ohne Staat, ein gerechter Frieden durchsetzen? Die Beantwortung dieser Frage erheischt die Beachtung von drei Hintergründen.

DREI HINTERGRÜNDE

Beide Völker sind traumatisiert durch Katastrophen. Das jüdisch-israelische ist geprägt durch die Shoa (1941-45), die auf abendländischem Boden sechs Millionen Menschen das Leben kostete. Hätte Nazideutschland die
Schlacht im ägyptischen El Alamein vom Herbst 1942 gegen Grossbritannien gewonnen, wäre ihnen auch «Die Siebte Million» (Tom Segev) zum Opfer gefallen. Die Palästinenser*innen sind geprägt durch die Nakba von 1948. Im Zusammenhang mit der israelischen Staatsgründung wurden 730’000 Palästinenser*innen aus ihren Häusern vertrieben und 500 Dörfer zerstört.

Damals bekamen die Palästinenser*innen 22 Prozent des «Mandatsgebiets», und zwar dessen kargeren Teil. Nach dem Sechs-Tage-Krieg wurde dieses auch noch besetzt. Heute leben im Westjordanland und in Ostjerusalem etwa 700’000 jüdische Siedler*innen. In Israel stellt die arabische Minderheit etwa einen Fünftel
der Bevölkerung. Deren vielfältige Diskriminierung wurde durch das Nationalstaatsgesetz 2018 zusätzlich verschärft.

Das Völkerrecht (UNO-Teilungsplan von 1947, UNO-Resolutionen 242 von 1967 und 338 von 1973) verlangt das Ende der Besatzung und verbietet die Siedlungspolitik. Zudem fordert es die gegenseitige Anerkennung, was auf eine doppelte Staatlichkeit hinaus läuft. Die UNO-Resolution 478 (1980) verurteilt das israelische Hauptstadtgesetz, um Jerusalem für beide Völker offen zu halten. Weiter verbieten die Genfer Konventionen Angriffe auf die Zivilbevölkerung.
Deshalb untersucht der Internationale Strafgerichtshof Kriegsverbrechen auf beiden Seiten.

Wenn die palästinensischen Behörden kooperativer sind als die israelischen, hat das auch mit den unterschiedlichen Opferzahlen zu tun. Im jüngsten Gaza-Krieg gab es 232 palästinensische und 12 israelische Opfer. Im vorletzten Waffengang vom Sommer 2014 waren auf palästinensischer Seite über 2200 und auf israelischer 73 Personen getötet worden.

In der palästinensischen Stadt Hebron
sind im Stadtzentrum israelische Siedlungen
errichtet worden. Foto: Judith Schmid
ASYMMETRIE UND RECHTSRUTSCH

Diese Asymetrie bei den Opferzahlen ist Ausdruck und Folge einer Asymmetrie bei den Machtverhältnissen, insbesondere im Militärund Rüstungsbereich. Sie hat auch damit zu tun, dass der Grossmacht USA wenig liegt an der Durchsetzung des Völkerrechts. Unter Trump begann sie, dieses zu zerstören. Die inzwischen 54-jährige Besatzungspolitik hat die israelische Gesellschaft stark nach rechts verschoben. Während 77 Prozent der jüdischen US-Bürger*innen Biden wählten, hätten 77% der jüdischen Israelis Trump gewählt. Gleichzeitig wurde in der palästinensischen Gesellschaft die religiös-konservative Hamas gegenüber der säkular-fortschrittlichen PLO gestärkt, auch weil diese autoritärer und korrupter wurde.

Der Rechtsrutsch in Israel erleichtert der abendländischen Rechten, der historischen Hauptträgerin des modernen Antisemitismus, die Unterstützung dessen Politik. Gerade der Trumpismus und der Sturm auf das Kapitol zeigen, dass sich Judenfeindlichkeit und Israelfreundlichkeit nicht ausschliessen. Auf der Gegenseite sind beispielsweise in Frankreich die Nachfahren der Dreyfusards und der Résistance gegenüber Israel kritischer als die früher juden- und heute muslimfeindlichen Erb*innen der Antidreyfusards und des Vichy Regimes. In der Schweiz wird die israelische Politik von jenen Kräften besonders stark unterstützt, die die antisemitische Boot-ist-voll Politik verharmlosen. Diese hat 1942 bis 1945
Tausenden von jüdischen Menschen den sicheren Tod bedeutet.

VÖLKERRECHT, MENSCHENRECHTE, VERHALTENSKODEX

Die GSoA, die in den 80er und 90er Jahren für die Aufarbeitung der Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg einen wichtigen Beitrag geleistet hat, setzte sich schon immer für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina ein. So war sie Mitinitiantin der Berner Grossdemonstrationengegen die Libanon- und Gazakriege zwischen 2006 und 2014. Im Parlament reichte der Schreibende mehrere Vorstösse ein, unter anderem 2004 das von 91 Nationalrats-Mitgliedern unterzeichnete Postulat «Sistierung der Käufe und Verkäufe von Militärgütern und der militärisch-technischen Zusammenarbeit mit allen Ländern des Nahen Ostens».

Deren Logik geht aus vom Völkerrecht und den Menschenrechten. Sie verlangt deren Einhaltung von allen Seiten und verurteilt alle Verletzungen. Aufgrund der erwähnten Asymmetrie und der engen Beziehungen der schweizerischen
und israelischen Luftwaffen wurde mehrheitlich, aber nicht ausschliesslich Israel kritisiert. Es wäre höchst ungerecht, angesichts der ungleichen Machtverhältnisse und Opferzahlen die israelische und palästinensische Verantwortung gleichzusetzen. Im Demonstrationsaufruf für die Gaza-Demo vom 10. Januar 2009 stand der Satz: «Statt das Recht des Stärkeren zu stützen, muss die internationale Gemeinschaft die Stärke des Rechts durchsetzen.»

Der Aufruf war verknüpft mit einem Verhaltenskodex, den alle Organisationen unterschreiben mussten und der in acht Sprachen verbreitet wurde: «Wir fordern Respekt und Toleranz gegenüber allen Konfessionen und Nationalitäten. Auch aus diesen Gründen wollen wir jede Form von Rassismus und Antisemitismus von der Demo verbannen und das Verbrennen von Fahnen unterbinden.»

Kern des Völkerrechts im Nahen Osten ist die Anerkennung von zwei gleichberechtigten Nationen: einer jüdisch-israelischen und einer arabisch-palästinensischen. Ob angesichts der hohen Zahl von Siedlungen in den besetzten Gebieten eine Zweistaatenlösung noch gangbar ist oder ob eine binationale Föderation zweier Gemeinwesen nicht sinnvoller wäre, ist eine offene Frage. Was der Weltgemeinschaft klar sein muss, ist die Lehre der letzten Jahrzehnte: Das Ende der Besatzung ist der Schlüssel für einen gerechten Frieden.

Für die Schweiz bedeutet das, ihre Verantwortung als Depositärstaat der Genfer Konventionen ernster zu nehmen, alle Kriegsverbrechen zu verurteilen, jegliche Rüstungs- und Militärkooperation mit Israel und den anderen Nahost-Staaten einzustellen und ihre Guten Dienste für einen gerechten Frieden aktiver einzusetzen.