Frontex rüstet zum Kampf gegen die illegalisierte Migration

Ohne illegalisierte MigrantInnen würden die Volkswirtschaften Europas zum Stillstand kommen. Dennoch bläst die EU zum Kampf gegen die “Illegalen”. Dazu wird die europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Aussengrenzen (Frontex) massiv aufgerüstet.

Mit der Frühjahrsoffensive der Frontex, die im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft besonders von Wolfgang Schäuble vorangetrieben wird, nimmt die Militarisierung der EU-Aussengrenzen neue Züge an. Eine gemeinsame europäische Schnelleingreiftruppe soll helfen, unerwünschte Gäste notfalls mit Gewalt fernzuhalten. «Diese Rapid Border Intervention Teams (sogenannte RABITs) könnten schon im Rahmen des zu erwartenden Flüchtlingsstroms in diesem Jahr zur wirksamen Unterstützung der Mitgliedstaaten eingesetzt werden», heisst es in einer Medienmitteilung.

Neu ist, dass die an den Frontex-Aktionen beteiligten Beamten auch ausserhalb ihres Staates über exekutive Befugnisse verfügen. Es ist zu befürchten, dass die rechtsstaatliche Kontrolle der Migrationsabwehr damit weiter geschwächt wird. In einem Register namens «Toolbox» sollen zudem Helikopter, Boote und anderes Material erfasst werden, das von den EU-Mitgliedstaaten für repressive Massnahmen an den Aussengrenzen zur Verfügung gestellt wird.

Via Kanaren nach Europa

Bereits im Februar lief die Frontex-Operation «Hera III» an. Schon «Hera I» und «Hera II» verfolgten das Ziel, afrikanische Flüchtlinge daran zu hindern, via die Kanarischen Inseln nach Europa zu gelangen. Der Fluchtweg über die Inseln wird immer häufiger gewählt, da die spanischen Enklaven Ceuta und Mellila unter Mithilfe Marokkos immer stärker abgeriegelt werden.

Trotz des Einsatzes rechtlich fragwürdiger Mittel wie der Ausschaffung von Flüchtlingen in Länder, die sie auf ihrer Reise noch nicht einmal passiert hatten, vermochte Frontex die Immigration bisher nicht zu verhindern. Zwar wurden im vergangenen Jahr fast 4’000 Menschen auf hoher See aufgegriffen und nach Afrika zurückgeschafft. In der gleichen Zeit gelangten aber rund 31’000 Menschen via die Kanaren nach Europa. Geschätzte 6’000 kamen auf dem Weg ums Leben.Diese Zahlen zeigen: Die Militarisierung der EU-Aussengrenzen verhindert nicht die Immigration, sondern veranlasst die Wirtschaftsflüchtlinge nur, nach neuen und noch gefährlicheren Wegen zu suchen, dem Elend in ihrer Heimat zu entkommen. Vor diesem Hintergrund muten die Worte auf der offiziellen Homepage zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft geradezu zynisch an: «Ein weiterer wichtiger Beitrag zur Bekämpfung illegaler Migration ist die konsequente Rückführung ausreisepflichtiger Drittstaatsangehöriger. Wir können damit ein deutliches Zeichen setzen, dass unerlaubte Einreisen nicht zu einem Bleiberecht in Europa führen. Dies wird auch dazu beitragen, Drittstaatsangehörige von den zum Teil lebensgefährlichen Versuchen, nach Europa zu gelangen, bereits im Vorfeld abzuhalten (…)»

Grenzzaun in Ceuta, einer spanischen Enklave in Nordafrika.

Durch Stacheldraht verletzter Flüchtling.

Schweizer Beteiligung an Frontex

Nach dem Willen des Bundesrates soll sich in Zukunft auch die Schweiz an Frontex beteiligen. Da es um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstandes gehe, müsse die Schweiz mitmachen, andernfalls könnte die EU die Beendigung der Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen veranlassen, heisst es im erläuternden Bericht zur Vorlage. Die Vernehmlassungsfrist ist Mitte März 2007 abgelaufen, als nächstes wird nun das Parlament darüber befinden. Der Bundesrat schreibt, dass «sich die Agentur als ein wichtiges Instrument für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und den Kampf gegen die illegale Einwanderung erweisen sollte; (…) Damit die Behörden im Krisenfall rasch handeln können, ermächtigt Artikel 92 Absatz 3 die Zollverwaltung, ihr operatives Material zur Überwachung der Grenze im Rahmen internationaler Massnahmen Frontex oder anderen Staaten zur Verfügung zu stellen.» Ob neben dem Schweizer Material auch zivile Beamte oder gar militärisches Personal zum Schutz der «Festung Europa» eingesetzt werden sollen, ist unklar.

Der Versuch, repressive Massnahmen gegen MigrantInnen als Massnahmen zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zu legitimieren, ist nicht neu. Schon im Monat nach dem 11. September 2001 hatte die NATO mit der Operation «Active Endeavour» im Mittelmeer begonnen. Offiziell geht es dabei um den Kampf gegen den Terrorismus. Faktisch steht die Kontrolle der zivilen Schifffahrt auf den internationalen Gewässern im Zentrum – und damit die Verhinderung der illegalen Einreise nach Europa.

Migration, Integration und Menschenrechte

Unter diesem Titel steht die aktuelle, 51. Ausgabe der halbjährlich erscheinenden Zeitschrift Widerspruch. Eine empfehlenswerte Lektüre, unter anderem mit einer eingehenden Analyse der Frontex von Christoph Marischka und Tobias Pflüger. Erhältlich im Buchhandel oder per Post: Widerspruch, Postfach, 8031 Zürich. Mehr Informationen: www.widerspruch.ch.