Illegale Kriegsmaterialexporte gehen fröhlich weiter

Wenn die Waffenexporte im zweiten Halbjahr genauso weitergehen wie im ersten wird 2022 das erste Jahr sein, in dem die Schweiz mehr als eine Milliarde Franken mit Tötungswerkzeugen einnimmt. Dank der Korrektur-Initiative sind viele dieser Exporte seit dem ersten Mai sogar auf Gesetzesstufe statt auf Verordnungsstufe illegal.

Wie immer kann man die Exporte grob in zwei Kategorien teilen: Solche an mehr oder weniger demokratische Länder, die aber trotzdem zum Teil militärische Konflikte anzetteln oder verlängern. Und solche Länder, bei denen einen die Haare zu Berge stehen, wenn man sich überlegt was für gefährliche Unrechtsregimes von der Schweiz mit Mordwaffen versorgt werden.

In der ersten Kategorie ist in diesem Halbjahr vor allem brisant, dass viele dieser Länder ihre Bestellungen in der Schweiz wohl tätigen, um die Ukraine mit Kriegswaffen versorgen zu können: Es ist zwar verboten, Schweizer Kriegsmaterial direkt an die kriegsführende Ukraine weiterzugeben. Aber es ist natürlich möglich, in anderen Ländern gekauftes Kriegsmaterial an die Ukraine weiterzugeben und stattdessen den eigenen Bedarf mit Schweizer Kriegsmaterial zu decken. So profitiert auch die Schweizer Kriegsindustrie ziemlich direkt von Putins Angriffskrieg.

Weiterhin besteht sogar die Gefahr, dass in der Schweiz gekaufte Baugruppen von Kriegsmaterial im Ausland in anderes Kriegsmaterial eingebaut und dann direkt an Länder geliefert werden, an die der direkt Export verboten wäre. Zum Beispiel könnte eine Schweizer Kanone in einen Deutschen Panzer eingebaut und dann

in die Ukraine geliefert werden – ob dieses Beispiel tatsächlich so passiert, ist unklar. Aber Artikel 18, Absatz 2 des Kriegsmaterialgesetzes erlaubt ausdrücklich, ohne jegliche Kontrolle oder auch nur Aufsicht Kriegsmaterial an jeden beliebigen Endempfänger zu exportieren, solange es vorher in ein anderes Produkt eingebaut wird. In den Exportstatistiken taucht dann nur das Land auf, das das Kriegsmaterial weiterverarbeitet hat – also in der Regel reiche Demokratien, sodass diese Exporte auf viele Menschen harmlos wirken.

Bei der zweiten Kategorie, also den gefährlichen Unrechtsregimes, stechen vor allem Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate hervor. Solche Länder waren der Fokus der Korrektur-Initiative, die in der Form eines Gegenvorschlags auf den 1. Mai in Kraft tritt. Beide Länder sind autoritär, haben keine Meinungs- oder Pressefreiheit, beuten Frauen und Arbeitsmigrant*innen unter sklavereiähnlichen Bedingungen aus, oder einfach zusammengefasst: Bei- de Länder verletzen die Menschenrechte systematisch und schwerwiegend. An Länder die das tun darf bis April laut Kriegsmaterialverordnung kein Kriegsmaterial exportiert werden, ab Mai laut Kriegsmaterialgesetz. Beide Länder sind am Bürgerkrieg in Yemen beteiligt und auch die Beteiligung an einem internen oder internationalen bewaffneten Konflikt ist ein zwingender Grund, jegliche Kriegsmaterialexporte an ein Land zu stoppen. Auch dieser Grund war bis April in der Kriegsmaterialverordnung verankert und ab Mai dank der Korrektur-Initiative im Kriegsmaterialgesetz. Zusätzlich zu den expliziten Ausschlusskriterien steht auch der ganze Gesetzesabsatz zu den Bewilligungskriterien unter dem Grundsatz, dass «die Aufrechterhaltung des Friedens, der internationalen Sicherheit

und der regionalen Stabilität» zu berücksichtigen sind. Auch da ist es klar, dass dies bei Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ignoriert wird. Es wird sich im nächsten Quartal zeigen, ob die hohen Exporte an Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate Umgehungsgeschäfte waren, die noch vor Inkrafttreten der Korrektur-Initiative getätigt wurden, oder ob das Seco auf Anweisung des Bundesrates auch weiterhin solche illegalen Exporte bewilligt.

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