In 50 Jahren nichts gelernt

Vor gut 50 Jahren, am 11. September 1973, putschte das chilenische Militär mit Hilfe der USA gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende. Was folgte, war eine blutige Militärdiktatur unter Augusto Pinochet. Tausende von Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet. Die Schweizer-Rüstungsindustrie war Teil von diesem Staatsterror.

Zwischen 1964 und 1970 war in Chile Eduardo Frei Montalva an der Macht. Er war es, der erste tiefe soziale und ökonomische Reformen einleitete, wie beispielsweise die teilweise Verstaatlichung von Kupferbergwerken. Montalva wurde in einer demokratischen Wahl 1970 durch Allende abgelöst. Allendes Ziel war es, auf demokratischem Weg eine sozialistische Gesellschaft zu etablieren. Erste einschneidende Massnahmen waren umfassende Agrarreformen, die Verstaatlichung von grossen Banken und Industriebetrieben. Es war die Zeit des kalten Kriegs. Die USA sah in Allende eine Gefahr, die es zu stoppen galt. Mit Hilfe der CIA kam es am 11. September 1973 zum Putsch. Die chilenische Militärjunta stürmte den Präsidentenpalast, Allende nahm sich noch am selben Tag das Leben. Es war der Start von Pinochets Gewaltregime, welches das Land in den kommenden Jahren im Würgegriff halten sollte. 

Töten mit Schweizer-Lizenz

Durch die blutige Machtübernahme von Pinochet sah sich die Schweiz gezwungen, Kriegsmaterialexporte nach Chile zu verbieten. Dieses Verbot stand allerdings in diametralem Gegensatz zu den Interessen, welche die Schweizer-Rüstungsindustrie verfolgte. Sie sah in Pinochet einen potenten Abnehmer ihrer Rüstungsgüter und wollte sich dieses Geschäft durch ein Verbot nicht entgehen lassen. Dass Pinochet grosses Interesse an Schweizer-Rüstungsgütern hatte, stellte er mit Millionenbestellungen kurz nach seiner Machtübernahme unter Beweis. Es war dann die in Kreuzlingen beheimatete Mowag, die als erste einen Weg fand, um trotz Export-Verbot mit Pinochet Geschäfte zu machen. Sie erteilte der chilenischen Armee die Lizenz, die Schweizer Panzer selbst zu bauen. Wenig später zog die Schaffhauser Firma SIG nach und lieferte neben einer Lizenz zum Gewehrbau auch die dazu nötigen Produktionsmaschinen. Regelmässig reisten zudem hohe chilenische Militärs zur SIG nach Neuhausen, um sich in der Produktion der Maschinengewehre fortbilden zu lassen. Der Bundesrat intervenierte nicht, sondern schützte diese Umgehung des Exportverbotes unter Verweis auf die Handelsfreiheit. Für die Schweizer Rüstungsunternehmen brachte die Auslagerung einen lukrativen Vorteil: Via Chile konnten sie nun auch mit anderen rechten Diktaturen Waffengeschäfte abwickeln. So produzierten die unter der Diktatur ausgebauten Waffenschmieden Sodeco, Cardoen und Famae auch Schweizer Kriegsgeräte in Lizenz. 

Dass Schweizer-Rüstungsgüter mit dem Tod von Augusto Pinochet im Jahr 2006 nicht aus der chilenischen Geschichte verschwunden sind, zeigte sich als im Jahr 2019 Millionen Bürger gegen das rechte Regime vom damaligen Präsidenten Sebastián Piñera demonstrierten. Die Armee rollte auf Panzern des Typs «Piranha» (Mowag) an, geschossen wurde unter anderem mit dem Sturmgewehr SG 540 der Firma SIG. Und so schliesst sich der Kreis zur Schweiz und dem Geschäft mit den Lizenzen zu Zeiten der Pinochet-Diktatur. 

Es geht weiter

Wer nun beschämt auf diese blutigen Verbandelungen der Schweizer-Rüstungsindustrie mit Pinochet zurückschaut und davon ausgeht, dass es sich um eine Verfehlung der damaligen Zeit handelt, die sich heute kaum wiederholen könnte, der irrt. Die Schweizer-Rüstungsindustrie exportierte im Jahr 2022 Rüstungsgüter für 955 Millionen Franken. Hauptabnehmer war Katar, Saudi-Arabien rangiert auf Platz 4. Mit Schweizer Rüstungsgütern wurde und wird seit Jahren auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt getötet (Syrien, Irak, Jemen etc.). Aus der Geschichte hat man nichts, aber auch gar nichts gelernt. Die Schweiz hat bis vor wenigen Jahren auch Russland mit Waffen beliefert. Putin war damals schon an der Macht. Und es geht weiter.

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