Mehr Öl aus Aserbaidschan ist keine Lösung

Die meisten europäischen Länder gerieten in den 2000er Jahren in eine immer stärkere Abhängigkeit von Energieimporten ausserhalb Europas. 2020 wurden fast 90 Prozent des Ölbedarfs und 70 Prozent des Gases der EU durch Importe gedeckt.

Mit dem Export von Kohle, Öl und Gas finanzierte Putin einen erheblichen Anteil des russischen Staatshaushaltes und somit auch den Krieg in der Ukraine. Bei Kriegsausbruch wurden zahlreiche Stimmen laut, die eine Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas forderten. 

Kuscheln mit Öl-Diktaturen
Der Import von russischem Öl in europäische Staaten ist heute offiziell verboten. Doch die Abhängigkeit blieb. Wo holen die westlichen Staaten ihr Öl und Gas heute her? 2022 importierte die Schweiz 175’000 Tonnen Rohöl aus Aserbaidschan. Der Anteil an aserbaidschanischem Rohöl an der gesamten Importmenge schwankte lange zwischen 0 und 0.1 Prozent. 2022 schoss dieser auf 6 Prozent der Importe. Auch für die EU spielt Aserbaidschan seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs eine grosse Rolle. Im Bestreben, sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen, schloss EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vergangenen August eine Energiepartnerschaft mit Aserbaidschan.

In der Zwischenzeit zeigte sich aber, wie Aserbaidschan vorgeht, um den Europäern angesichts des steigenden Bedarfs zusätzliches Erdgas zu liefern. Das Land schloss Ende 2022 mit dem russischen Staatskonzern Gazprom einen Vertrag über vermehrte Gaslieferungen ab. Diese russischen Gas-Zustüpfe ermöglichen es somit Aserbaidschan, mehr eigenes Erdgas nach Europa zu liefern. Von Unabhängigkeit von Russland zu sprechen, ist angesichts dieser Tatsachen schwierig.

Kampf den Kriegskassen
Aserbaidschan ist eine mit Erdöl und Erdgas reich gewordene Diktatur unter Präsident Ilham Alijew. Seine Regierung hetzte in den vergangenen Monaten und Jahren systematisch gegen Armenier:innen. Vor wenigen Wochen hat Aserbaidschan die mehrheitlich von Armenier:innen bewohnte Region Bergkarabach nun militärisch überfallen und tausende Menschen vertrieben. Auch wenn Bergkarabach völkerrechtlich zu Aserbaidschan gezählt wird, besitzt letzteres kein Recht dazu, Ansprüche auf das Gebiet militärisch durchzusetzen. Zwar hatten zu Beginn des Überfalls die EU und die USA Aserbaidschan zur Einstellung der Kampfhandlungen aufgefordert. Doch bei Redaktionsschluss dieser Zeitung (14.10) muss das Regime Alijews kaum Sanktionen des Westens fürchten. Denn mit den weiterhin ausfallenden Gaslieferungen aus Russland, verfügt es über ein gewichtiges politisches Pfand. Somit stehen die europäischen Länder vor einem Dilemma, wenn sie auf die aggressive Haltung Aserbaidschans reagieren sollen. Dieses Beispiel zeigt in aller Deutlichkeit: Für eine nachhaltige Friedenspolitik müssen wir aufhören, die Kriegskassen von Autokraten und Kriegsherren zu füllen. Dazu müssen wir so schnell wie möglich von fossilen Rohstoffen wegkommen.

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