Im Dezember hat die Mehrheit des Nationalrats mit der Abwahl von Christoph Blocher den Völkerrechtstest bestanden. Wird sie ihn auch beim Kosovo-Einsatz bestehen?
In der Frühjahrssession wird der Nationalrat ein weiteres Mal über die Verlängerung des Swisscoy-Einsatzes beraten. Bereits vor vier und vor zwei Jahren habe ich im Nationalrat das Nichteintreten auf das entsprechende Geschäft beantragt. Das Hauptargument war und bleibt: Die Schweiz soll sich auf ihre Stärke, das zivile Friedenshandwerk, konzentrieren. Deshalb werde ich in einem Vorstoss verlangen, dass die Schweiz die knapp 40 Millionen Franken, welche der Militär-Einsatz im Kosovo offiziell kostet, künftig für den zivilen Wiederaufbau, die Friedensförderung und die humanitäre Hilfe, insbesondere zugunsten der Roma, einsetzt.
«Zigeunerfreier» Kosovo
Die Roma, die im Kosovo einst 150’000 bis 200’000 Personen zählten, wurden während und nach dem NATO-Krieg zu 90 Prozent vertrieben und verdrängt. Diese ethnische Säuberung, für welche albanische Ultranationalisten verantwortlich sind, gehört zu den drei umfangreichsten, die in den letzten dreizehn Jahren auf dem Balkan stattfanden. Die Unabhängigkeit des Kosovo dürfte das Ende der früher in der Region gut integrierten und mehrheitlich sesshaften Roma bedeuten. Diese Tragödie müsste all jenen zu denken geben, die glaubten, mit Bomben und Soldaten liesse sich eine «multiethnische Gesellschaft» verteidigen oder schaffen. Hierin dürfte – abgesehen von der Tatsache, dass die Roma im Unterschied zur serbischen Minderheit keinen Machtfaktor darstellen – die Haupterklärung dafür liegen, dass das Schicksal der Roma kein öffentliches Thema ist.
Neue Situation
Der anstehende Entscheid über die Verlängerung des Swisscoy-Mandats findet in zweierlei Hinsicht unter veränderten Vorzeichen statt: Erstens verliert das bisherige UNO-Mandat unter der Bedingung der Unabhängigkeit seine Gültigkeit. Die geltende UNO-Resolution geht ausdrücklich von der territorialen Integrität Jugoslawiens und deren Rechtsnachfolge aus (siehe hier). Ich habe deshalb einen Eventualantrag gestellt, der die Suspendierung des Swisscoy-Entscheides verlangt, bis eine neue UNO-Resolution vorliegt. Gerade ein neutraler Kleinstaat wie die Schweiz hat ein vitales Interesse, dass das Völkerrecht eingehalten wird. In der Blocherschen Respektlosigkeit gegenüber demselben lag ein wichtiges Motiv für dessen Abwahl.
Da die politisch tonangebenden Kräfte des kosovarischen Nationalismus eine albanische Nation anstreben, bleibt den Minderheiten, zuerst den verbliebenen Roma und später den verbliebenen SerbInnen die Wahl, das Land widerstandslos zu verlassen oder sich dagegen zu erheben. Bei der ersten Variante würden sich Swisscoy-Soldaten und mit ihnen die Schweiz zu Komplizen einer stillen ethnischen Säuberung machen. Bei der zweiten Variante müsste sich die Schweiz zurückziehen, weil sie nicht an Kampfhandlungen teilnehmen darf. Es sähe dann aus, als bekämen die Eidgenossen kalte Füsse, wenn der Boden unter denselben heiss wird.