Ordonnanzwaffe: Gefährliche Tradition

Das Sturmgewehr zu Hause im Besenschrank, der leichtsinnige Umgang mit Waffen in der Schweiz, erschreckende neue Statistiken und eine von der Frauenzeitschrift «annabelle» lancierte Petition geben einigen Anlass zur Diskussion.

Pro Tag nimmt sich in der Schweiz durchschnittlich eine Person mit einer Schusswaffe das Leben. In der Hälfte aller Fälle wird dabei eine Armeewaffe verwendet. Ungefähr zwei Millionen Schusswaffen sind in der Schweiz in Umlauf. Die Schweiz hält einen traurigen Rekord an Familienmorden, werden doch bei uns im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Tötungsfälle mehr Familienmorde begangen als irgendwo sonst. Zahlen, wie oft Frauen und Kinder in der eigenen Familie mit einer Waffe bedroht werden, gibt es keine, doch es ist zu befürchten, dass diese hoch sind.

Diese erschreckenden und beängstigenden Tatsachen, sowie das Familiendrama um die ehemalige Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet, veranlassten die Frauenzeitschrift «annabelle» eine Petition für ein nationales Waffenregister und für eine Abkehr von der Tradition, die Armeewaffen mit nach Hause zu nehmen, zu lancieren. Daraus entstand eine grosse öffentliche Diskussion über die laufende Revision des Waffengesetzes und über die Frage, ob die Ordonanzwaffen weiterhin in Schweizer Haushalten aufbewahrt werden sollen.

Revision des Waffengesetzes

Das Waffengesetz, das seit 1999 in Kraft ist, wird momentan revidiert. Der Ständerat hat das Gesetz verwässert, nun bleibt auf den Nationalrat zu hoffen. Streitpunkte betreffen ein nationales Waffenregister, die Einführung einer Bedürfnis-Klausel für den privaten Waffenerwerb und die Meldepflicht für Waffenverkäufe unter Privaten. Doch auch die Ordonanzwaffen, welche Männer (und Frauen) während und nach der Dienstdauer in der Armee zu Hause in der Besenkammer aufbewahren, geben zu reden. Nationalrat und GSoA-Vorstandsmitglied Jo Lang hat dazu eine Motion eingereicht, welche fordert, das Militärgesetz so zu ändern, dass die Armeewaffe nicht mehr mit nach Hause genommen werden darf.

Widerstand der Waffenlobby

Doch diese von der GSoA seit jeher vertretene Forderung weckt heftigen Widerstand im konservativen Waffenlobby-Lager. Die «Gesellschaft für ein freiheitliches Waffenrecht – Pro-Tell» drohte unlängst, zusammen mit der SVP, das Referendum zu ergreifen, falls «die Schweizer Tradition: der liberale Umbang mit Waffen» verloren ginge.

Paradox sehen die innenpolitischen Diskussionen aus, wenn man das Engagement der Schweiz bei der UNO betrachtet (siehe auch Heuchelei auf höchster Ebene). Der UNO-Aktionsplan über Kleinwaffen, bei dessen Ausarbeitung die Schweiz an vorderster Front mitgewirkt hat, empfiehlt allen Staaten die Einführung eines zentralen Waffenregisters. So engagiert sich die Schweiz international erfolgreich für eine Massnahme, welche die bürgerliche Mehrheit im Inland mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Auch die Tatsache, dass die Schweiz nach den USA die weltweit zweitgrösste Exporteurin von Kleinwaffenmunition ist, während täglich mit ebensolcher Munition 1500 Menschen erschossen werden, ist beispielhaft für die heuchlerische Schweizer Politik.

Die GSoA hofft, dass der Nationalrat die schon lange nötig gewordenen Schritte unternimmt und die Entscheide des Ständerates noch einmal überdenkt. Aussenpolitisch ist die GSoA davon überzeugt, dass ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten die einzig konsequente Schlussfolgerung eines Landes sein kann, das sich auf internationaler Ebene für die Abrüstung einsetzt.

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