Der Fall von Mehmet Esiyok zeigt: Die Antiterror-Kooperation führt zur Untergrabung der Konvention gegen Folter.
Von Rolf Zopfi (augenauf)
Mehmet Esiyok war langjähriges Mitglied der PKK sowie der Nachfolgeorganisation Kongra-Gel. Insgesamt war er in den beiden Organisationen 10 Jahre im Zentralkomitee tätig. Im Dezember 2005 stellte Esiyok am Flughafen Zürich ein Asylgesuch, und wurde daraufhin in Auslieferungshaft gesetzt, da er von der Türkei per Interpol gesucht wurde. Im Asylverfahren wurde nach dem erstinstanzlichen negativen Entscheid im Dezember 2006 ein Rekurs ans Bundesverwaltungsgericht (ehemals ARK) eingereicht, über den bisher noch nicht entschieden wurde. Ein negativer Asylentscheid wäre die Voraussetzung für eine Auslieferung. Das Bundesgericht hat eine Auslieferung im Januar 2007 prinzipiell bewilligt, sofern die Türkei zusichert, dass das Strafverfahren und die Haftbedingungen, insbesondere die Einhaltung des Verbots von Folter und Misshandlungen, durch die Schweizer Botschaft überprüft werden können. Seither ist ein juristisches Seilziehen darüber im Gange, ob die Verlautbarungen der Türkei dem Entscheid von Lausanne entsprechen. Bisher hat nur die Botschaft diesem «Monitoring» zugestimmt, jedoch nicht das zuständige Justizministerium. Trotzdem will das Bundesamt für Justiz an der Auslieferung festhalten.
Mehrfacher Paradigmenwechsel der Schweiz
Die Behandlung von Mehmet Esiyok zeigt auf mehreren Ebenen einen Sinneswandel der Schweizer Regierung. Im Asylverfahren wird erstmals die Flüchtlingseigenschaft allein aufgrund eines Rangs in einer bewaffneten Organisation, die nun entgegen früherer ARK-Entscheide als terroristisch eingestuft wird, abgesprochen.
Im Auslieferungsverfahren sucht die Schweiz einen Weg, die absolute Verpflichtung zu umgehen, niemanden in ein Land auszuliefern wo ihm Folter oder Misshandlung droht. Mit den neu unterzeichneten Vereinbarungen im Kampf gegen den Terror übernimmt sie zudem die Definition anderer Staaten, wer als terroristisch einzustufen sei.
Nicht nur Blocher blocht
Obwohl Blochers Departement für das Verfahren zuständig ist, und er sich mehrfach mit dem türkischen Justizminister in Szene gesetzt hat, ist dies kein Alleingang. Schon zu Beginn des Auslieferungsverfahrens musste das EDA eine Stellungnahme zur Frage abgeben, ob die Türkei diplomatische Zusicherungen betreffend Behandlung von Esiyok einhalten würde. Mit der positiven Antwort ist das EDA allen internationalen Menschenrechtsorganisationen in den Rücken gefallen, die genau dieses Vorgehen seit Jahren als untauglich kritisieren. Auch wegen wirtschaftlichen Interessen – bekannt sind die Staudammbauten und ein möglicher Verkauf von Pilatus-Flugzeugen – ist Aussenministerin Calmy-Rey an einer Verbesserung der bilateralen Beziehungen interessiert. Offensichtlich wurde hier auch dem massiven Druck der USA und Deutschlands nachgegeben, die eine härtere Haltung gegenüber Organisationen wie der PKK fordern.
So fordert die eidgenössische Interessenpolitik einmal mehr ihre Opfer: Vom Friedensprozess in der Türkei ist nicht die Rede, Menschenrechte sind verhandelbar, und politische Flüchtlinge werden geopfert. Mehmet Esiyok wartet seit 17 Monaten im Gefängnis auf den Entscheid, der seine Zukunft bestimmen wird.