Schweizer Waffen ins Pulverfass

Kriegsmaterial aus der Schweiz taucht in jeder Konfliktregion auf – ungeachtet aller Versprechen des Bundesrates werden Staaten beliefert, welche die Menschenrechte schwerwiegend verletzen. Fehlende Kontrollen machen die bundesrätlichen Versprechen zur Farce.

Die libyschen Rebellen verwendeten 7.62mm-Munition der bundeseigenen RUAG, der grössten Waffenschmiede der Schweiz. Die Bilder der Munitionskisten gelangten nur dank Zufall in die Schweiz. Welches Schweizer Kriegsmaterial in den Arsenalen Gaddhafis schlummert, wird sich eventuell noch zeigen. Die Rebellen erhielten die Munition via Katar, das die Aufständischen offiziell militärisch unterstützt. Das Problem für die Eidgenossenschaft ist auch ein juristisches: Die Schweiz lieferte Katar die Munition, die schlussendlich in Libyen landete, mit der vertraglichen Verpflichtung, dass das Material nicht weiterexportiert werden dürfte (mit einem sogenannten End-User-Agreement). Katar foutierte sich um das Exportverbot und verletzte bewusst die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Schweiz.

Nun versucht sich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in Schadensbegrenzung, stornierte die Bewilligung für die letzte, kleine Tranche einer Lieferung von Laserzielgeräten nach Katar und sandte ein Team in den Golfstaat zur Untersuchung der Lieferungen an die libyschen Rebellen. Ein bisher einmaliger Vorgang, denn kontrolliert wird normalerweise nicht. Peinlich für die Schweizer Behörden, dass schon wieder Schweizer Kriegsmaterial in einem Kriegsgebiet auftaucht. Immerhin ist es erst wenig Monate her, seit die Demokratiebewegung in Bahrain mit Piranha-Radschützenpanzern «Made in Thurgau» niedergewalzt wurde. Im Frühling wurden mehrere Menschen bei friedlichen Demonstrationen gegen die Regierung erschossen. Und erst vor wenigen Wochen wurden Ärzte, die verletzte Demonstranten medizinisch versorgten, dafür zu drakonischen Haftstrafen von fünf bis zehn Jahren verurteilt. Doch damit nicht genug: Noch in diesem Sommer lieferte die Schweiz Kriegsmaterial nach Bahrain.

Keine Kontrolle ohne Kontrollen

Bereits im Jahr 2005 tauchten Schweizer Panzerhaubitzen des Typs M-109, die mit einem ebensolchen End-User-Agreement an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) geliefert worden waren, in Marokko auf. Es folgten parlamentarische Vorstösse und ein Untersuchungsbericht. Der Bund gelobte Besserung. Während einiger weniger Monate verhängte das Seco damals ein Exportverbot von Kriegsmaterial über die VAE. Doch schon bald exportierten die Schweizer Rüstungskonzerne wieder Waffen in den Golfstaat. Gelernt haben die Schweizer Behörden nichts. Sie vertrauen weiterhin auf die End-User-Zertifikate, ohne wirksame Kontrollen durchzuführen. Die Kontrollarbeit bleibt den engagierten BürgerInnen, JournalistInnen und NGOs überlassen. Von Transparenz keine Spur.

Wäre die Schweizer Politik wirklich daran interessiert, dass mit Schweizer Kriegsmaterial keine Menschenrechtsverletzungen begangen werden oder dass keine Schweizer Waffen in Konflikten eingesetzt werden, müsste sie im Minimum restriktive Nachkontrollen über den Verbleib und die Verwendung von exportiertem Kriegsmaterial durchführen. Doch die mächtige Rüstungslobby weiss dies zu verhindern, denn solche Auflagen würden die Exporte erschweren. Immerhin gehören die Staaten des Nahen Ostens zu den wichtigsten Abnehmern von Schweizer Waffen. Da will man sich das Geschäft nicht vermiesen lassen. Im Jahre 2011 werden die VAE (genau: das Land, das gerade noch die Verträge mit der Schweiz gebrochen hat) der grösste Importeur von Schweizer Kriegsmaterial sein. Schweizer Konzerne lieferten dieses Jahr bisher Kriegsmaterial für über 150 Millionen Franken an das Land. Die Lieferungen gehen weiter.

Klar ist nur: Jegliches Kriegsmaterial, das die Schweiz verlässt, befindet sich nicht mehr unter unserer Kontrolle. Wenn wir wirklich sicher sein wollen, dass es nicht eingesetzt wird, darf es die Schweiz nicht verlassen. Deshalb setzt die GSoA sich für ein Exportverbot ein.

Während die arabische Jugend auf der Strasse Freiheit und Demokratie erkämpft, liefert die Schweiz den despotischen Regimes Waffen.