Tarnkappe für den Waffenexport

Die EU hat für ihre Mitgliedsländer einen gemeinsamen Waffenmarkt geschaffen, in dem man Kriegsmaterial beliebig transferieren kann, ohne dass dies als Export gilt. Dies verschleiert den Blick auf den Kriegsmaterialhandel und ermöglicht der Waffenindustrie die Ausnützung lascher Kontrollen.

Sie tönt unscheinbar und harmlos: Die EU-Direktive 2009/43/EC, auch bekannt als Direktive zum EU-internen Handel von Kriegsmaterial. Seit dem Inkrafttreten der neuen Regelung Ende Juni 2012 gilt der gemeinschaftliche europäische Markt nun auch für Kriegsmaterial. Bisher war dieses aus protektionistischen Gründen davon ausgenommen. Erklärtes Ziel der EU-Kommission und der Mitgliedsstaaten ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung einer möglichst starken und vernetzten europäischen Waffenindustrie. Wer über eine Generalbewilligung verfügt, darf nun unbeschränkt innerhalb der EU Kriegsmaterial transferieren, was den bürokratischen Aufwand für die Rüstungskonzerne und Regierungen verkleinern soll.

Dabei bleibt die Kontrolle des Kriegsmaterialhandels natürlich auf der Strecke. Betrachtet man die von der EU geführte Statistik für exportiertes Kriegsmaterial, gibt es grosse Lücken. Einzelne Länder (insbesondere auch grosse Produzenten wie Deutschland oder Frankreich) liefern für die Statistiken seit Jahren nur lückenhafte und schlecht vergleichbare Daten.

Einfache Umgehung der Kontrollen
Die verschiedenen EU-Länder handhaben ihre Exportbewilligungspraxis völlig unterschiedlich. Während einige Länder Waffenlieferungen nur sehr zurückhaltend erlauben, verkaufen andere Kriegsmaterial selbst an Diktaturen wie Burma oder Syrien. Mit der neuen Direktive können die Rüstungskonzerne ihr Kriegsmaterial nun einfach in dasjenige Land liefern, das die lockersten Exportgesetze oder -kontrollen besitzt, und von dort dann in aussereuropäische Länder exportieren. Länder, die keine Kontrollen ausüben oder aus ökonomischen oder politischen Gründen auch die schlimmsten Regimes beliefern, werden für die Rüstungsindustrie zu interessanten Transitländern für konfliktträchtige Kriegsmaterialexporte. Die schwächste Gesetzgebung wird so zum Mass für die Kriegsmaterialexporte aus der EU. Auch die oft angeführten End-User-Agreements bieten vor solchen Exporten keinen Schutz, denn Kontrollen über ihre Einhaltung gibt es keine.

Fallen die detaillierten nationale Statistiken weg, weil nur noch allgemein von Lieferungen in den EU-Raum gesprochen wird, erleichtert dies der Waffenindustrie das Exportieren. Denn je weniger Informationen verfügbar sind, desto einfacher wird es, die rüstungskritische Öffentlichkeit auszuschalten.

Kontrollverlust für die Schweiz
Bereits abzusehen ist das Gejammer der Schweizer Rüstungsindustrie über Nachteile gegenüber der europäischen Konkurrenz. Die Schweizer LobbyistInnen werden wohl die Einführung einer Kategorie für die Lieferung in den neu geschaffenen einheitlichen EU-Raum fordern, im schlimmsten Fall sogar den Beitritt zum gemeinsamen Markt, eventuell durch die Hintertür der Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur EVA. Die rüstungsindustriefreundlichen ParlamentarInnen der bürgerlichen Parteien werden sich im Namen des Wirtschaftsstandortes Schweiz und der Arbeitsplätze bereitwillig dafür einsetzen. Die bereits jetzt geringe Transparenz über die Schweizer Kriegsmaterialexporte würde durch den Beitritt zum gemeinsamen Rüstungsmarkt jedoch weiter abnehmen.

Eine Aufweichung der Schweizer Exportbestimmungen gegenüber der EU würde einen Kontrollverlust bedeuten, der nicht toleriert werden darf. Die GSoA wird jegliche Anpassung an den neuen Markt und jegliche Zugeständnisse an die Rüstungsindustrie entschieden bekämpfen.